VW EA111

Ottomotoren-Baureihe der Volkswagen AG

Die Motoren-Baureihe EA111 (EA = Entwicklungsauftrag) waren in Chemnitz und Salzgitter gebaute wassergekühlte Drei- und Vierzylinder-Reihenmotoren des Volkswagen-Konzerns.[1] Sie ist die Motorenreihe der „kleinen Reihenmotoren“ und wurde zwischen 1985 und 2015 zunächst in den VW-Modellen Polo und Golf, später auch im Lupo, Touran, Caddy, Scirocco und Passat sowie seit den 1990er Jahren auch in den Modellen der Konzernmarken Seat, Škoda und Audi verwendet.[2]

Volkswagen AG
EA111
Produktionszeitraum: 1985–2015
Hersteller: Volkswagen AG
Funktionsprinzip: Otto
Motorenbauform: Reihenmotor
Ventilsteuerung: OHC / DOHC
Hubraum: 999 bis 1598 cm3
Gemischaufbereitung: verschiedene
Motoraufladung: teilweise
Leistung: 33 bis 136 kW
Vorgängermodell: VW EA801
Nachfolgemodell: VW EA211

Charakteristisch für den EA111 ist der Zylinderabstand von 82 mm.

Beschreibung

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Die Baureihe EA111 ist wegen der vielen Überarbeitungen im Laufe der Zeit sehr vielfältig, es gab sie mit Vergasern, später Einspritzanlage mit geregeltem Katalysator, verschiedenen Hubräumen, Vierventiltechnik, Rollenschlepphebel, Benzindirekteinspritzung mit Schichtladung, zuerst Zahnriemen, später Steuerkette.

Ab 2005 wurden einige Varianten mit Aufladung versehen und von Volkswagen als TSI bezeichnet. Diese Motoren hatten erhebliche Probleme mit der Standfestigkeit der Steuerkette.[3]

Vierzylinder

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Die ersten Motoren hatten eine Zylinderbohrung von 75 mm und einen Hub von 59 bzw. 72 mm, woraus sich ein Hubraum von 1043 oder 1272 cm³ ergibt, die Bohrung wurde 1992 auf 76,5 mm vergrößert, mit einem Hubraum von 1390 oder 1598 cm³.

1996 erschien eine Variante mit einer Bohrung von nur 67,1 mm mit 999 cm³ Hubraum.

2009 wurde der 1.2 TSI mit einer Bohrung von 71,0 mm und einem Hubraum von 1197 cm³ eingeführt.

Der bekannteste Motor ist wohl der ab 2005 produzierte 1.4 TSI mit einem Hubraum von 1390 cm³.

Dreizylinder

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Diese Variante, die von 2001 bis 2014 produziert wurde, ist eine Variante des 1,2-Liter-Motors mit drei Zylindern und einem Hubraum von 1198 cm³.

Geschichte

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Der EA111 ging im August 1985 aus dem weitgehend baugleichen EA801 hervor,[4] der 1974 im VW Scirocco I und VW Golf I mit 1092 cm³ und ein Jahr später im VW Polo I mit 895 cm³ erschien.[5][6] Die Gemeinsamkeiten beider Motoren-Baureihen bestanden in einem Zahnriementrieb, der durch eine exzentrisch drehbar gelagerte Wasserpumpe gespannt wird sowie der obenliegenden Nockenwelle, die den Zündverteiler direkt antreibt. Während der Ventiltrieb des EA801 die Ventile mit einstellbarem Ventilspiel über Schlepphebel betätigte, hatte der EA111 Tassenstößel mit automatischem Ventilspielausgleich.

Ab 1987 gab es erste Varianten mit Saugrohreinspritzung und Scrollkompressor, die im Polo 1.3 G40 eine Leistung von 85 kW erreichten.

1990 verdrängten die elektronischen Einspritzanlagen die bis dahin gängigen Vergaser.

Ein Jahr nach Markteinführung des Golf III wurde 1992 ein 1,6-Liter-Motor mit 55 kW und einer von 75,0 mm auf 76,5 mm vergrößerten Zylinderbohrung vorgestellt. Diese konstruktive Änderung wurde erst 1995 auf den kleineren 1,4-Liter-Motor übertragen. In der Zwischenzeit gab es sowohl 1,4-Liter-Motoren mit dem alten Maß von 75,0 mm als auch 1,3-Liter-Motoren mit dem neuen Maß von 76,5 mm.

1996 wurde beim Polo III 1.4 16V mit 74 kW die Vierventiltechnik eingeführt. Bei dieser Variante wurde der Zahnriemen über eine Spannrolle gespannt statt wie bisher über eine drehbar gelagerte Wasserpumpe.[7] Ebenfalls beim Polo III wurde der 1,0-Liter-Motor mit 37 kW vorgestellt.

Ende 1997 wurden mit Markteinführung des Golf IV 1.4 mit 55 kW und 1998 beim Polo III 1.6 GTI mit 88 kW die Rollenschlepphebel eingeführt.[8]

2000 wurde beim Lupo 1.4 FSI mit 77 kW die Benzindirekteinspritzung mit Schichtladung vorgestellt.[9] Ein Jahr später kam der Golf IV 1.6 FSI mit 81 kW auf den Markt.

Im November 2001 erschien mit Markteinführung des Polo IV zwei 1,2-Liter-Dreizylindermotoren, sowohl in Zweiventiltechnik mit 40 kW als auch in Vierventiltechnik mit 47 kW.[10]

2003 wurden zur Markteinführung des Touran und Golf V bei einzelnen Motoren der Nockenwellenantrieb von Zahnriemen auf Steuerkette umgestellt.[11]

Ende 2005 erschien im Golf V der 1.4 TSI mit 125 kW mit Doppelaufladung durch Kompressor und Turbolader, Ladeluftkühlung und Benzindirekteinspritzung.[12]

Ende 2009 erschien beim Polo V und Golf VI der 1.2 TSI mit 77 kW, ein Vierzylindermotor in Zweiventiltechnik mit Turbolader und Benzindirekteinspritzung.

2010 war der Polo als 1.4 BiFuel mit 63 kW serienmäßig auch mit Autogas-Anlage bestellbar. Ab 2011 als 1.6 BiFuel.

Von 2010 bis 2014 war der im Audi A1 eingebaute 1.4 TFSI mit 136 kW der stärkste serienmäßig verfügbare EA111.

EA111 in der DDR

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1982 nahm Gerhard Beil, damaliger Staatssekretär im DDR-Außenhandelsministerium, mit Carl H. Hahn, dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, Verhandlungen über die Lizenz für den EA111 inklusive kompletter Fertigungseinrichtung auf. 1984 wurde der Vertrag abgeschlossen, 1988 wurde die Fertigungsanlage bei Chemnitz von VW an das IFA-Kombinat übergeben. Für die Pkw Wartburg 1.3 und Trabant 1.1 sowie den Kleintransporter Barkas B 1000-1 wurden ab 1988 komplette Vierzylindermotoren gefertigt, ab 1989 wurden zusätzlich Rumpfmotoren (Motoren ohne Anbauteile wie Saugrohr, Abgaskrümmer, Zündverteiler, aber mit Zylinderkopf) für Volkswagen hergestellt, innerhalb von fünf Jahren sollten 500.000 EA111 für Volkswagen hergestellt werden.[13]

Nach der Wende wurde die Fertigung in Chemnitz fortgesetzt, 37 % aller VW-EA111 wurden dort hergestellt, 63 % liefen im Werk Salzgitter vom Band. Ab 1995 sollte dieses Verhältnis umgekehrt werden.[1]

Verwendung

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VW EA111 CBZB im Golf VI

Der EA111 kam bis 2015 in folgenden Fahrzeugen der Volkswagen AG zum Einsatz:[15]

Die Leistung betrug zwischen 33 und 136 kW.

Sonstiges

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1984 baute VW versuchsweise einen 1,05-l-EA111-Motor längs in das Heck eines VW Käfers ein, um ihn technisch zu modernisieren. Zur Serienproduktion kam es allerdings nicht; das Fahrzeug ist heute im Automuseum Volkswagen ausgestellt.

2010 wurde bekannt, dass der EA111 in China ohne Lizenz nachgebaut wurde.[16]

Literatur

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  • Andrea Eckardt: Qualifiziert diskutieren, weiter streiten, mehr mitgestalten!: 40 Jahre Kampf um Arbeit im Volkswagen-Werk Salzgitter, VSA-Verlag, 2010, ISBN 978-3-8996-5418-9.
  • Katrin Rohnstock: Mein letzter Arbeitstag: Abgewickelt nach 89/90. Ostdeutsche Lebensläufe, Edition Berolina, 2014, ISBN 978-3-8678-9825-6.
  • Mark C. Schneider: Volkswagen. Eine deutsche Geschichte. Berlin Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-8270-1322-4. (Mit Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Chronik und Personenregister)
  • Mark C. Schneider: Volkswagen: Eine deutsche Geschichte. Berlin Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-8270-7919-0 (E-Book).
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Commons: VW EA111 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Eckardt, Qualifiziert diskutieren, weiter streiten, mehr mitgestalten!: 40 Jahre Kampf um Arbeit im Volkswagen-Werk Salzgitter. S. 228
  2. Ulrich Speicher: Direkteinspritzung im Ottomotor IV: Forschungsergebnisse und aktueller Entwicklungsstand bei der Benzin-Direkteinspritzung expert verlag, 2003, ISBN 9783816922551, S. 158.
  3. Wunder Punkt beim TSI. 1. Juni 2018, abgerufen am 12. Januar 2019.
  4. Neues vom Motor. Presseinformation, Volkswagen AG Wolfsburg. Februar 1991, S. 13.
  5. VW-Selbststudienprogramm Nr. 6: Golf. V.A.G Kundendienst, Volkswagen AG, Wolfsburg. Mai 1974.
  6. VW-Selbststudienprogramm Nr. 9: Polo. V.A.G Kundendienst, Volkswagen AG, Wolfsburg. März 1975.
  7. VW-Selbststudienprogramm Nr. 187: 1,4l-4V Motor. VW Kundendienst, Volkswagen AG, Wolfsburg. März 1996.
  8. VW-Selbststudienprogramm Nr. 196: Der 1,4l-16V-55kW-Motor mit Rollenschlepphebel. VW Service, Volkswagen AG, Wolfsburg. März 1998.
  9. VW-Selbststudienprogramm Nr. 252: Der 1,4l-77kW Motor mit Benzin-Direkteinspritzung im Lupo FSI. VW Service, Volkswagen AG, Wolfsburg. April 2001.
  10. VW-Selbststudienprogramm Nr. 260: Die 1,2l 3-Zylinder-Ottomotoren. VW Service, Volkswagen AG, Wolfsburg. Oktober 2001.
  11. VW-Selbststudienprogramm Nr. 296: Der 1,4l und 1,6l FSI-Motor mit Steuerkette. VW Service, Volkswagen AG, Wolfsburg, Februar 2003. Februar 2003.
  12. VW-Selbststudienprogramm Nr. 359: Der 1,4l TSI-Motor mit Doppelaufladung. VW Service Training, Volkswagen AG, Wolfsburg. März 2006.
  13. Rohnstock: Mein letzter Arbeitstag: Abgewickelt nach 89/90. Ostdeutsche Lebensläufe
  14. a b c Peter Kirchberg: Die Implantation des VW-Motors in den DDR-Automobilbau. Ein Bericht zur Innovationsgeschichte der DDR. (PDF; 126 KB) In: Dresdener Beiträge zur Geschichte der Technikwissenschaften Nr. 28. 2003, S. 129, Fußnote 5, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Dezember 2015; abgerufen am 14. Februar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.qucosa.de
  15. VW 1.2 TSI & 1.4 TSI Steuerkette: VW kassiert Kulanz-Versprechen. Abgerufen am 9. März 2021.
  16. Schneider: Volkswagen: Eine deutsche Geschichte