Abel Bonnard

französischer Dichter und Romanschriftsteller

Abel Bonnard (* 19. Dezember 1883 in Poitiers; † 31. Mai 1968 in Madrid[1]) war ein französischer Dichter und Romanschriftsteller. Seine frühe Erziehung begann in Marseille mit Sekundärstudien am Lycée Louis-Le-Grand in Paris. Als Literaturstudent war er ein Absolvent der École du Louvre.

Abel Bonnard 1933
Sigmaringen: Grab der Mutter, Pauline Bonnard

Sein leiblicher Vater war Graf Joseph Primoli (1851–1927)[2], Urgroßneffe Napoleons[3], der eine außereheliche Beziehung mit Pauline Bonnard, geb. Benielli (1855–1945) hatte.[4]

Politisch gesehen war Bonnard ein Anhänger von Charles Maurras, und seine Ansichten entwickelten sich in den 1930er Jahren Richtung Faschismus. Für die Pariser Zeitung „Le Journal“ führte er 1937 ein Interview mit Hitler über dessen Sozialpolitik.[5] Außerdem kam es zu einem Zusammentreffen mit Göring. Er nahm an dem 1941 von der nationalsozialistischen deutschen Kulturpropaganda organisierten Weimarer Dichtertreffen teil und wurde Minister für Nationalerziehung unter dem Vichy-Regime (1942–1944). Das traditionsreiche Schulgeschichtswerk von Albert Malet und Jules Isaac verbot er, damit jungen Franzosen nicht die Geschichte Frankreichs von einem Isaac gelehrt wird. In der Funktion des Erziehungsministers hielt er am 15. Mai 1942 vor dem Eröffnungsredner Staatssekretär Jacques Benoist-Méchin die Begrüßungsansprache anlässlich der feierlichen Eröffnung der Arno-Breker-Ausstellung im Musée de l’Orangerie, einem Hauptereignis der kulturellen Kollaboration im besetzten Frankreich.[6]

Der nationalistische politische Satiriker Jean Galtier-Boissière gab ihm den Spitznamen „la Gestapette“, was ein Portmanteau von Gestapo und „tapette“, ein umgangssprachlicher Begriff für einen Homosexuellen, darstellte.[7] Dieser Name sowie die Zuschreibung von seiner angeblichen sexuellen Orientierung wurden in der Folge breit bekannt.[8] Von den Nationalsozialisten wurde er im September 1944 in die Sigmaringer Enklave der Vichy-Regierung verbracht. Dort schlossen er sowie Justizminister Gabolde, Industrieminister Bichelonne und der vormalige Informationsminister Marion sich dem Protest von Staatschef Pétain und Premier Laval an[9], nicht an der von Hitler gewünschten Bildung einer faschistischen Regierung unter Jacques Doriot teilzunehmen.[10][11] Obwohl Bonnard noch im Juli 1944 ein stärkeres Engagement an der Seite des Dritten Reiches gefordert hatte[12], wurde durch diese späte, politische Zurückhaltung sein Amt bis April 1945 zu einem „schlafenden Ministerium“.[13][14] Durch die Ehe seiner Mutter mit Ernest Bonnard hatte er außerdem einen jüngeren Halbbruder (den Juristen Eugène Bonnard), der zwar mit nach Sigmaringen geflohen war, aber – wie Abels Tagebuch zu entnehmen ist – gänzlich gegen dessen Arbeit für die deutschfreundliche Vichy-Regierung eingestellt war.[15][16] In dieser Zeit starb die gemeinsame Mutter Pauline am 4. März 1945 in Sigmaringen – ihr Grab ist das einzig verbliebene aus der Zeit der französischen Vichy-Enklave auf dem dortigen Friedhof.[17]

Abel Bonnard war eines der vier Mitglieder der Académie française, die nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Kollaboration mit Deutschland vom Institut ausgeschlossen wurden. Als Ende der 1950er die Frage aufkam, ob der Vichy-Regime-Kollaborateur Paul Morand einen Sitz in der Akademie erhalten sollte, hatte de Gaulle u. a. Bedenken, dass wenn er diesen erhalten würde, auch die 1946 (von de Gaulle bewilligte) erfolgte Berufung Jules Romains (als Bonnards Nachfolger) in Frage gestellt werden könnte: Romains war zwar 1940 ins amerikanische Exil gegangen, hatte aber in den 1930ern im profaschistischen Comité-France-Allemagne mitgewirkt.[18] Im Sterbejahr Bonnards, 1968, erhielt Morand den Sitz in der Académie française trotz de Gaulles Widerstand dann doch – nach dem Ausscheiden von Maurice Garçon.

Bonnard jedenfalls war in Abwesenheit wegen seiner Tätigkeiten in Kriegszeiten im Juli 1945 zum Tode verurteilt worden. Er flüchtete nach Spanien; dort wurde ihm unter der Regierung Franco Asyl gewährt. 1960 kehrte er nach Frankreich zurück, um dort seinem Wiederaufnahmeverfahren beizuwohnen. Er versuchte seine einstige Begeisterung für Hitler[19] zu relativieren und die bildungspolitische Etablierung von Elementen der NS-Ideologie in seiner Amtszeit durch eine später zu erwartende Würdigung zu rechtfertigen.[20][21] Er wurde zu einer symbolischen Strafe von 10 Jahren Verbannung ab 1945 verurteilt. Er war jedoch mit dem Schuldspruch unzufrieden und kehrte nach Spanien zurück, wo er für den Rest seines Lebens lebte und nach seinem Tod auf dem Friedhof San Lorenzo und San José begraben wurde.

  • 1906 Les Familiers
  • 1908 Les Histoires
  • 1908 Les Royautés
  • 1913 La Vie et l’Amour
  • 1914 Le Palais Palmacamini
  • 1918 La France et ses morts
  • 1924 Notes de voyage: En Chine (1920–1921), 2 vol.
  • 1926 Éloge de l’ignorance
  • 1926 La vie amoureuse d’Henri Beyle
  • 1927 L’Enfance
  • 1928 L’Amitié
  • 1928 L’Argent
  • 1929 Saint François d’Assise
  • 1931 Rome
  • 1936 Le drame du présent: Les Modérés
  • 1937 Savoir aimer
  • 1939 L’Amour et l’Amitié
  • 1941 Pensées dans l’action
  • 1992 Ce monde et moi
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Commons: Abel Bonnard – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

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  • Patrick Neuhaus: Die Arno Breker-Ausstellung in der Orangerie Paris 1942. Auswärtige Kulturpolitik, Kunst und Kollaboration im besetzten Frankreich. Neuhaus Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-937294-08-7

Einzelnachweise

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  1. Abel Bonnard im Munzinger-Archiv, abgerufen am 4. Februar 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. Olivier Mathieu: Abel Bonnard, une aventure inachevée. Avalon, 1988, ISBN 978-2-906316-16-4 (google.de [abgerufen am 25. Oktober 2020]).
  3. Jean-Paul Cointet: Abel Bonnard. In: Les hommes de Vichy. 2017, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  4. Familienstammbaum von Abel * Bonnard. Abgerufen am 25. Oktober 2020.
  5. Martyn Cornick, Martin Hurcombe, Angela Kershaw: French Political Travel Writing in the Interwar Years: Radical Departures. Taylor & Francis, 2017, ISBN 978-1-135-10871-7 (google.de [abgerufen am 31. Oktober 2020]).
  6. Patrick Neuhaus: Die Arno Breker-Ausstellung in der Orangerie Paris 1942. Auswärtige Kulturpolitik, Kunst und Kollaboration im besetzten Frankreich. Neuhaus Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-937294-08-7, S. 54–62
  7. Olivier Mathieu: Abel Bonnard, une aventure inachevée, Mercure, 1988, S. 188.
  8. Jean-François Louette: Valéry et Sartre, in: Bulletin des études valéryennes, éd. L’Harmattan, 2002, S. 105, on line
  9. Corinna Franz: Fernand de Brinon und die deutsch-französischen Beziehungen, 1918-1945. Bouvier Verlag, 2000, ISBN 978-3-416-02907-0 (google.de [abgerufen am 31. Oktober 2020]).
  10. Als die Vichy-Regierung in Schwaben residierte. Abgerufen am 31. Oktober 2020.
  11. Gustav Weber: "Paris" an der Donau. Abgerufen am 31. Oktober 2020.
  12. Barbara Berzel: Die französische Literatur im Zeichen von Kollaboration und Faschismus: Alphonse de Châteaubriant, Robert Brasillach und Jacques Chardonne. BoD – Books on Demand, 2012, ISBN 978-3-8233-6746-8 (google.de [abgerufen am 31. Oktober 2020]).
  13. Gabriele Loges: Paris, Sigmaringen: oder Die Freiheit der Amalie Zephyrine von Hohenzollern. Klöpfer & Meyer Verlag, 2013, ISBN 978-3-86351-210-1 (google.de [abgerufen am 31. Oktober 2020]).
  14. DeutschlandRadio Berlin - MerkMal - Exil in Deutschland. Archiviert vom Original am 26. Oktober 2020; abgerufen am 25. März 2024.
  15. Mémoires de Guerre: Bonnard Abel. Abgerufen am 31. Oktober 2020 (französisch).
  16. "Le 6 novembre 1943 , une terrible dispute oppose Abel Bonnard à son demi - frère Eugène , lequel était violemment germanophobe" - Google Suche. Abgerufen am 31. Oktober 2020.
  17. Friedhof (Friedhofstraße). Abgerufen am 25. Oktober 2020.
  18. ACADEMIE FRANCAISE : Da kommt Abel - DER SPIEGEL 22/1959. Abgerufen am 31. Oktober 2020.
  19. Bzgl. seines 1937er Interviews mit Hitler sagte er: "Das war kein großer Mann... Er hielt einen Monolog, ohne mit seinem Gegenüber (Bonnard) zu sprechen."
  20. FRANKREICH / KOLLABORATION : Symbolische Verbannung - DER SPIEGEL 15/1960. Abgerufen am 31. Oktober 2020.
  21. Franz Wilhelm Seidler: Die Kollaboration, 1939–1945: Zeitgeschichtliche Dokumentation in Biographien. Herbig, 1999, ISBN 978-3-7766-2139-6 (google.de [abgerufen am 31. Oktober 2020]).