Animal Liberation Front

Gruppe der militanten Tierbefreiungsbewegung

Die Animal Liberation Front (ALF, deutsch: Tierbefreiungsfront) ist eine international wirkende, dezentral organisierte Gruppe der militanten Tierbefreiungsbewegung, die 2004 in den USA vom FBI als terroristische Vereinigung klassifiziert und 2011 im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Ihr Ziel ist es, Tierversuche und Tötung von Tieren zu verhindern. Dies geschieht in erster Linie durch Tierbefreiungen sowie Anschläge auf Laboratorien und Tierfarmen mittels Sabotage, Brandanschlägen und anderen direkten Aktionen. Die Earth Liberation Front (ELF) gilt als Schwesterorganisation.

Eines der Logos

Entstehung

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Die Anfänge der ALF gehen auf die „Hunters Saboteurs Association“ (Deutsch in etwa Jagd-Sabotage Vereinigung), kurz HSA zurück. Diese wurde 1964 in Großbritannien gegründet um Jagden durch direkte Aktionen zu verhindern. Nach kurzer Zeit bildeten sich in ganz Großbritannien Sabotagegruppen, unter anderem eine in Luton, in welcher auch Ronnie Lee tätig wurde.[1] 1972 bildete sich aus Teilen der HSA eine radikalere Gruppe mit dem Namen „Band of Mercy“, welche sich zum Ziel setzte, nicht schon laufende Jagden zu stören, sondern bereits deren Beginn durch Zerstören von Jagdfahrzeugen zu verhindern.[2] Die Gruppe weitete ihre Sabotageaktionen in den kommenden Jahren auf verschiedene Objekte, welche im Zusammenhang mit Tierausbeutung standen, aus.[1]

Im August 1974 kam es zu den ersten Festnahmen mit Ronnie Lee und Cliff Goodman. Nach 12 Monaten Haft entschloss sich Ronnie Lee eine neue Gruppe, die Animal Liberation Front, zu gründen.[1]

Organisation und Aufbau

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Die ALF ist eine nicht-hierarchisch organisierte Bewegung, in der es keine formellen oder sonstigen Mitgliedschaften gibt. Sie besteht aus einander unbekannten, autonomen Zellen, welche aus mehreren Bezugspersonen oder auch nur einer Einzelperson bestehen können. Als zur Animal Liberation Front zugehörig deklarieren dürfen sich alle Menschen, die vegan leben und sich zu folgenden Zielen bekennen bzw. folgende Kriterien einhalten:

  • Die Befreiung von Tieren aus den Stätten, in denen sie gequält werden, wie zum Beispiel Laboratorien, Tierfabriken, Pelzfarmen etc. Die Tiere müssen in ein gutes Zuhause übergeben werden, wo sie frei von Leiden bis zu ihrem natürlichen Ende leben dürfen.
  • Das Zufügen ökonomischer Schäden für all jene, die von Tierausbeutung und -mord profitieren.
  • Das Aufzeigen des Horrors und der Gräueltaten, denen Tiere hinter verschlossenen Türen ausgesetzt sind, mit Hilfe von gewaltfreien, direkten Aktionen und Befreiungen.
  • Das Ergreifen aller notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, damit weder Menschen noch nichtmenschliche Tiere während der Aktionen Schaden nehmen.[3]

Motivation

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Die ALF hat sich als Ziel gesetzt, alle Tiere aus ihren Ausbeutungsverhältnissen zu befreien, sei es aus Massentierhaltungsanlagen, Versuchslaboren oder Pelzfarmen. Die Motivation für ihre militanten Taten zieht die ALF aus der Annahme, dass die moralische Begründung für die Ausbeutung nicht-menschlicher Tiere auf einem speziesistischen Bias beruht. Es gibt zwei wesentliche Argumente, welche die Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren grundsätzlich in Frage stellen:

  • Argument der menschlichen Grenzfälle: Dieses besagt, dass keine klare Trennlinie zwischen Menschen und anderen Tieren gezogen werden kann, weshalb deren Ausbeutung aus philosophischer Sicht keine Legitimation erhalten kann.[4][5]
  • Argument fehlender Relevanz: Hierbei wird argumentiert, dass selbst wenn es qualitative Unterschiede zwischen Menschen und anderen Tieren gäbe, diese keine moralische Relevanz besitzen. Beispiel: In Krankenhäusern werden intelligentere, kreativere oder körperlich stärkere Menschen auch nicht vor anderen, nicht so „herausragenden Personen“ behandelt.[6][7]

Die ALF erkennt allen Tieren ein Leben in Freiheit zu und versucht diese mit direkten Aktionen zu erreichen. In Communiqués oder philosophischen ALF-Texten wird diese oft mit der militanten Underground Railroad aus der Zeit der Sklavenbefreiung in den USA oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus während der NS-Herrschaft in Europa verglichen.[8] Viele Personen aus dem Umfeld der ALF glauben, dass nur eine Kombination aus militanter Sabotage und legalen Kampagnen zur Befreiung aller Tiere führen kann.[9]

Methoden

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Zu den Methoden, derer sich die ALF bedient, gehören die Befreiung von Tieren aus Versuchslaboren oder Zuchtbetrieben, Warnbriefe, Telefonvorsorge und Hausdemonstrationen, sowie die Markierung von Gebäuden, Fahrzeugen, Geräten u. ä., die mit jeglichen Formen der Nutzung von Tieren in direktem oder indirektem Zusammenhang stehen. Durch die Sabotage und die dabei entstehenden Kosten soll der Betreiber wirtschaftlich geschädigt werden. Zudem organisieren Aktivisten der ALF Unterbringung und Versorgung der Tiere.

Den auf ihren Homepages veröffentlichten Bekennerschreiben nach beschränken sich viele Akteure, insbesondere in Deutschland, auf Sachbeschädigung gegen, nach Meinung der ALF, nicht opportune Einrichtungen. Dies sind vor allem Jagdanlagen (Hochsitze etc.), Fleischereigeschäfte, Schlachthöfe, Pelzhändler, Pelztierfarmen usw., wobei die Methoden vom Einschlagen der Fensterscheiben über das Absägen von Hochsitzen und den Einsatz von Buttersäure bis hin zu Brandanschlägen reichen.[10][11] Nach Recherchen der Wochenzeitung Die Zeit konnten zwischen 2009 und 2014 in Deutschland 136 durch Bekennerschreiben und Presseberichte verifizierte Attacken direkt zugeordnet werden.[12] Eigene Angaben der ALF wie auch das Bundeskriminalamt sprechen von einer deutlich höheren Zahl an Taten.

In Niedersachsen gab es vier ungeklärte Brandstiftungen in leerstehenden Mastanlagen in Sprötze, Vechelde, Mehrum und Schnega, die als Zulieferbetriebe des Geflügelschlachthofes Wietze neu erbaut wurden. Zu den Taten lagen jeweils Bekennerschreiben vor, die sich mit der Animal Liberation Front identifizieren. Den Eigentümern entstand jeweils ein Sachschaden von geschätzten mehreren zehntausend Euro.[13]

 
Das Unterbringen der sog. Silver Spring Monkeys (hier Domitian) in einem Pflegehaus, nachdem sie 1981 von der Polizei per Gerichtsbeschluss aus Edward Taubs Verhaltensforschungsinstitut in Silver Springs befreit wurden, war die erste Aktion der ALF.

In den USA sind militantere Strömungen zu beobachten. So wurden dort Mitglieder der University of California at Los Angeles (UCLA), die an Tierversuchen beteiligt waren, ernsthaft bedroht, was bis zum Anschlag mit Molotow-Cocktails auf deren Privathäuser reichte.[14][15] Vom FBI wird die ALF als Terrorgruppe mit besonderer Interessenlage gesehen.[16] Da ALF keine Vereinigung ist, gibt es in vielen Ländern Unterstützervereine (z. B. Animal Liberation Front Supporters Group (ALF-SG) oder Die Tierbefreier). Diese veröffentlichen Bekennerschreiben, übernehmen Rechtshilfekosten für Aktivisten oder betreuen inhaftierte Täter.

Kritik richtet sich gegen die teilweise angewandten Methoden (z. B. Brandanschläge auf Autos von Personen, die mit entsprechenden Firmen in Kontakt stehen), die terroristische Züge haben. Obwohl die ALF immer wieder betont, dass ein wichtiger Teil ihrer Planung darin bestehe, Schaden an Menschen und Tieren auszuschließen, gibt es bei jedem Brandanschlag die Gefahr, dass Unbeteiligte verletzt werden können, was bisher allerdings noch nicht vorkam.

Gerade aufgrund des deutlich militanteren Auftretens in den USA wird die ALF dort oft als terroristische Vereinigung angesehen.[17] Im Januar 2005 führte das amerikanische Department of Homeland Security auch mögliche Anschläge von Mitgliedern der ALF in ihrem Lagebericht zum Terrorismus auf.[18]

Im Wiener Neustädter Tierschützerprozess wurde 13 im öffentlichen und legalen Tierschutz tätigen Personen vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung nach § 278a StGB (Österreichischer „Anti-Mafia-Paragraph“) gebildet zu haben. Das Gericht prüfte einen Zusammenhang der 13 Angeklagten mit den von Unbekannten begangenen ALF-Aktionen. In dem konkreten Fall ging es um eine Serie von Buttersäureanschlägen und Sachbeschädigungen gegen österreichische Pelzhandelsgeschäfte, bei denen jedoch die konkreten Täter nicht ermittelt werden konnten. Der Darstellung der Staatsanwaltschaft, es handle sich um eine kriminellen Vereinigung, widersprach das Gericht und sprach alle Angeklagten nach dreimonatiger Untersuchungshaft und einem über einen Jahr dauernden Prozess, in allen Punkten frei. Es konnte kein Zusammenhang zwischen den öffentlich tätigen Personen und den ALF-Aktionen festgestellt werden.[19]

Moderatere Teile der Tierrechtsbewegung kritisieren, dass das Handeln der ALF dazu führe, Personen von tierrechtspolitischen Themen abzuschrecken. Ein solches Vorgehen wirke polarisierend, dadurch entfernten sich Aktivisten von gesellschaftlichen Grundwerten.[20] Es würden dadurch Mauern eher auf- (Schaffung von Feindbildern) als abgebaut und ein Dialog verhindert. Seitens der ALF wird argumentiert, dass durch radikales Vorgehen ihrerseits Tierrechtsorganisationen mit weniger radikalen Methoden in die gesellschaftliche Mitte gerückt würden.[21] Obwohl die ALF sich zur linken Szene zählt, gelten sie in der linken Szene vielfach als Sonderlinge, denen Antihumanismus und krude KZ-Vergleiche vorgeworfen werden.[22]

Die ideologische Ausrichtung unterscheidet sich fundamental vom Tierschutzgedanken, weshalb viele Tierschutzorganisationen diese als zu radikal empfinden und sich deshalb von der ALF und ihren Aktionen distanzieren.[23] Während „klassische“ Tierschutzorganisationen eine inadäquate oder in ihren Augen tierquälerische Haltung bzw. Nutzung von Tieren bekämpfen, lehnen Aktivisten der ALF die Haltung und Nutzung von Tieren per se als illegitim ab.[24][25] Gleichzeitig lehnt die ALF den klassischen Tierschutz, unter anderem mit dem Ziel artgerechter Tierhaltung und schonender Schlachtung, kategorisch ab.[26]

Peter Singer, einer der Vordenker der Tierrechtsbewegung, fordert eine exakte Beschreibung und differenzierte Bewertung der ALF-Aktivitäten. Insbesondere müsse klar unterschieden werden zwischen verschiedenen Formen von Gewalt. Erst auf dieser Grundlage könnten bestimmte Formen von Gewalt kategorisch verurteilt werden.[27]

Einzelnachweise

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  1. a b c Noel Molland: Thirty Years of Direct Action. In: Steven Best, Anthony J. Nocella II (Hrsg.): Terrorists or Freedom Fighters? Reflections on the Liberation of Animals. Lantern Books, New York 2004, ISBN 1-59056-054-X, S. 67–74.
  2. Robin Webb: Animal Liberation – By “Any means necessary”. In: Steven Best, Anthony J. Nicolla II (Hrsg.): Terrorists or Freedom Fighters? Reflections on the Liberation of Animals. Lantern Books, New York 2004, ISBN 1-59056-054-X, S. 75–80.
  3. animal-liberation-front | Was ist die ALF? Archiviert vom Original am 25. Januar 2017; abgerufen am 14. März 2024.
  4. Oscar Horta: The scope of the argument from species overlap. Hrsg.: Journal of applied Philosophy. 2014, S. 142–154.
  5. Daniel A. Dombrowski: Is the argument of marginal cases obtuse? Hrsg.: Journal of applied Philosophy. 2006, S. 223–232.
  6. Bentham Jeremy: A Fragment on Government and an Introduction to the Principles of Morals and Legislation. 1948, S. 412.
  7. Mark Bernstein: Marginal Cases and moral relevance. Hrsg.: Journal of social philosophy. 2002, S. 532–539.
  8. Craig Rosebraugh: The Logic of Political Violence. 1. Auflage. Arissa Media Group, Oregon 2004, ISBN 0-9742884-1-1.
  9. Bruce G. Friedrich: Defending Agitation and the ALF. In: Steven Best; Anthony J. Nocella II (Hrsg.): Terrorists or Freedom Fighters? Reflections on the Liberation of Animals. Lantern Book, New York 2004, ISBN 1-59056-054-X, S. 252–262.
  10. Brandanschlag auf Wurstfabrik in Hannover. (Memento vom 13. April 2009 im Internet Archive) Pressemitteilung der Organisation „Die Tierbefreier“ vom 19. März 2007, das Bekennerschreiben ist datiert auf den 26. März 2007 (ebenfalls auf der Homepage), abgerufen am 13. April 2024.
  11. Die Vegane Armee Fraktion. In: Die Zeit. Nº 36/2014, 14. September 2014.
  12. Mit Farbe, Sprengstoff und Brandbeschleuniger. In: Zeit Online. 10. Oktober 2014.
  13. Matthias Rude: Mastanlagen abgefackelt. In: Junge Welt. 12. Dezember 2011, abgerufen am 5. Juni 2012.
  14. UCLA Vivisector Lynn Fairbanks Targeted by Animal Liberation Front (Memento vom 13. Februar 2009 im Internet Archive) The Animal Liberation Press Office. 12. Juli 2006. Aufgerufen 13. August 2012.
  15. Terror at UCLA. In: Critical Mass. 22. August 2006.
  16. FBI testimony on the ALF. James F. Jarboe vor dem House Resources Committee, Subcommittee on Forests and Forest Health, 12. Februar 2002. (englisch) Aufgerufen am 13. August 2012.
  17. „From Push to Shove“ (Memento vom 4. Februar 2005 im Internet Archive), Southern Poverty Law Center Intelligence Report, Herbst 2002, abgerufen am 13. April 2024.
  18. Justin Rood: Animal Rights Groups and Ecology Militants Make DHS Terrorist List, Right-Wing Vigilantes Omitted. In: Congressional Quarterly. 25. März 2005.
  19. STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Freisprüche für alle Angeklagten. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 26. Januar 2017]).
  20. Helmut F. Kaplan: Tierbefreiungen – Kriminelle Akte oder konsequente Ethik? In: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Tierethik Heidelberg (Hrsg.): Tierrechte. Harald Fischer Verlag, Erlangen 2007, S. 151.
  21. Animal rights extremists in arson spree. In: Guardian. 25. Juni 2005. (Kritischer Artikel über die Anschläge der ALF (englisch))
  22. Mastanlagen sollen brennen. In: taz. 4. August 2013.
  23. Militante Tierbefreier – Verteidigung der Zwerghasen, Angriff auf den Kapitalismus. In: Der Spiegel. 21. Oktober 2006.
  24. „Kritik am Konzept der Anti-Pelz-Demos“ (Memento vom 21. Februar 2014 im Internet Archive) Tierbefreiung 79 (2013) – Vereinszeitschrift des Vereins „Die Tierbefreier“, abgerufen am 20. April 2024.
  25. „Stellungnahme“ der Tierbefreier Hamburg zu einer Protestaktion gegen den Deutschen Tierschutzbund bzw. deren Vorsitzenden
  26. Filmverbot für Tierbefreier. In: Europe Online. 16. Januar 2014.
  27. Peter Singer über Demokratie, Gesetzesverstöße und Gewaltanwendung

Literatur

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  • Steven Best: Terrorists or Freedom Fighters? Reflections on the Liberation of Animals. Lantern Books, New York 2004, ISBN 1-59056-054-X.
  • Donald R. Liddick: Eco-Terrorism: Radical Environmental and Animal Liberation Movements. Praeger, 2006, ISBN 0-275-98535-0.
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