Anne-Sophie von Bomhard

Ägyptologin

Anne-Sophie von Bomhard, geborene Anne-Sophie Goddio (* 12. November 1943)[1] ist eine französische Ärztin und Ägyptologin. Die Schwester des Unterwasserarchäologen Franck Goddio untersuchte als Ägyptologin die von diesem in der versunkenen Stadt Thonis-Herakleion gemachten Funde und trug so erheblich zu deren Identifizierung bei.

Anne-Sophie Goddio studierte zunächst Medizin, erhielt 1976 ihr Diplom in Allgemein-Chirurgie, promovierte 1977 und wurde Doktor der Plastischen Chirurgie. Sie war langjährige Fachärztin sowie Klinikleiterin am Hôpitaux de Paris.[2] Ihre persönliche Leidenschaft galt zugleich jedoch auch der Ägyptologie und hier erzielte sie beachtliche wissenschaftliche Ergebnisse.

Anne-Sophie von Bomhard besuchte neben ihrer Berufstätigkeit die École pratique des hautes études und hörte bei Dimitri Meeks und Jean Yoyotte. In den Jahren 1992 bis 1996 besuchte sie am Collège de France zudem die von Jean Yoyotte geleiteten Seminare zur ägyptischen Spätzeit. Nach dessen Pensionierung im Jahre 1997 gewann sie Yoyotte dafür, sich mit seiner wissenschaftlichen Expertise an der damals erfolgten Entdeckung der versunkenen Hafenstadt Thonis-Herakleion zu beteiligen.[3] 1998 schloss von Bomhard ihre ägyptologischen Studien an der École pratique des hautes Études mit einer Diplomarbeit über den Papyrus Wilbour ab.[4] Ihre Ergebnisse zur Paläographie dieses Papyrus aus der Zeit Ramses V. fanden bei Hans-Werner Fischer-Elfert hohe Anerkennung.[5] Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte sie sodann eine Abhandlung über das ägyptische Kalendarium.[6] Hierbei hatte sie vornehmlich auf Arbeiten von Erik Hornung und Jean Yoyotte zurückgegriffen[7] und mit Alicia Maravelia eine griechische Fachkollegin kennengelernt, mit welcher sie seither befreundet blieb.[8] Durch ihre Arbeit über den ägyptischen Kalender wurde sie zudem mit Sylvie Cauville bekannt.[9] 2004 referierte von Bomhard ihre Ergebnisse zu diesem Thema auf dem in Grenoble abgehaltenen 9. Internationalen Ägyptologenkongress.[10]

Seit ihrem Ausscheiden aus dem medizinischen Gesundheitswesen befasste sich von Bomhard ab 2005 dann verstärkt mit der wissenschaftlichen Auswertung jener Funde, welche ihr Bruder, der Unterwasserarchäologe Franck Goddio, im Zuge seiner Entdeckung der Stadt Thônis-Herakleion gemacht hatte. Zunächst verfasste sie diesbezüglich eine Monographie über den Naos der Dekaden.[11] Auf vier von seinen Fragmenten, welche im östlichen Kanopos gefunden wurden, entdeckte von Bomhard eine in 20 Kolumnen abgefasste Kosmogonie, welche in ihrer Art bis dahin unbekannt war. Dadurch gewann dieser ohnehin wertvolle Schrein für die Ägyptologie eine überaus große Bedeutung.

Als Nächstes wandte sich von Bomhard einem Objekt zu, welches ihr Bruder bereits im Jahre 2001 in der versunkenen Hafenstadt Thonis-Herakleion entdeckt hatte. Es handelte sich um eine aus schwarzem Diorit gefertigte Stele, welche direkt nach ihrer Entdeckung zunächst einmal durch Jean Yoyotte veröffentlicht worden war.[12] Von Bomhard vertiefte die inhaltlichen Studien zu dieser erstmals von Yoyotte untersuchten Herakleion-Stele und nahm eine umfassende Textanalyse vor. Im Zuge dessen verglich sie das auf der Stele von Thonis-Herakleion gesetzte Dekret mit dem Inhalt eines zweiten, ebenfalls von dem Pharao Nektanebos I. (380–362 v. Chr.), aber auf der Stele von Naukratis gesetzten Dekrets.[13] Mit größter Sorgfalt widmeten sich von Bomhard sowie Brigitte Vallée und Amélie l'Amoulen diesen Inschriften und zeigten dabei die gegenseitigen, textuellen Bezüge und Verweise dieser Dekrete, sowie die Besonderheiten ihrer Glyphik und kontextuellen Hintergründe auf.[14] Der durch von Bomhard vorgenommene orthographische Abgleich beider Stelen und ihr synoptischer Überblick ist sehr gründlich und zuverlässig. Mit dieser Arbeit zum Dekret von Sais setzte von Bomhard neue Standards und verifizierte das 2001 von Yoyotte erzielte Ergebnis, wonach die am Fundort Thonis-Herakleion entdeckte Stele den Namen eben dieser Stadt als den Ort ihrer Aufstellung nennt und diese dadurch bezeugt. Damit war die durch Franck Goddio erfolgte Entdeckung der lange gesuchten, untergegangenen Hafenstadt Thonis-Herakleion endgültig bewiesen.[15]

Im Rahmen ihrer Abhandlung über die theologische Verteidigung des kanopischen Tores untersuchte von Bomhard sodann eine bemerkenswerte Bandbreite von mit Inschriften besetzten bronzenen Objekten, welche in der Abbruchschicht eines Tempels von Thonis-Herakleion gefunden wurden.[16] Aus dieser Untersuchung ging schließlich eine weitere Abhandlung hervor, in welcher sie, gemeinsam mit ihrem Bruder Franck Goddio, sämtliche bronzenen Plaketten des Fundortes, welche den Namen eines ägyptischen Pharaonen trugen, chronologisch anordnete. Anhand dieser Anordnung konnte sehr sicher datiert werden, wann sich der Hafen von Thonis-Herakleion in Nutzung befunden haben muss.[17] Demnach wird der Hafen von Thonis-Herakleion bereits in der Zeit der Pharaonen Psammetich I. (664–610 v. Chr.) und Necho II. (610–595 v. Chr.) in voller Blüte gestanden haben. Seine Anfänge vermuten Goddio und von Bomhard, wie auch bereits Yoyotte, daher im ausgehenden 8. Jahrhundert v. Chr.[18]

Unter ihren vorerst letzten Veröffentlichungen findet sich ein Katalog zu den ägyptischen Dekanaten. Die Auswahl der in diesen Katalog aufgenommenen Schriften zu den Dekanen erfolgte anhand ihrer Bedeutung und nicht etwa ihrer orthographischen Vorbildlichkeit. Auch hier korrigierte die Ägyptologin von Bomhard die mitunter zunehmend fehlerhafte Schreibweise der Kopisten in sehr routinierter Weise. Die Abhandlung erschien in der Reihe Égypte Nilotique et Méditerrannéenne, welche an der Universität Montpellier ediert wird.[19]

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Einzelnachweise

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  1. BnF Catalogue général, Notice de personne: Bomhard, Anne Sophie von (1943-....). Auf: catalogue.bnf.fr; zuletzt abgerufen am 15. Januar 2024.
  2. Dr. Anne-Sophie Goddio., Medizinische Erstausbildung Auf: multiesthetique.fr; zuletzt abgerufen am 1. September 2023.
  3. Jean Yoyotte: Notes de Toponymie Égyptienne. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo. Band 16, 1958, S. 414–430; Sowie Jean Yoyotte: Les principautés du Delta au temps de l'anarchie libyenne. In: Pierre Jouguét: Mélanges Maspero. Band 1, Fascicle 4, Orient ancien, Kairo 1961, S. 151–159 und S. 164; Siehe zudem Jean Yoyotte: Les contacts entre Égyptiens et Grecs (VIIe-IIe siècles avant J.C.): Naucratis, ville égyptiènne. In: Annuaire du Collège de France 1993-1994. Paris 1994, S. 679–692.
  4. Anne-Sophie von Bomhard: Paléographie du Papyrus Wilbour. L'écriture hièratique cursive dans les papyri documentaires. Paris 1998.
  5. Hans-W. Fischer-Elfert: Grundzüge einer Geschichte des Hieratischen. Band II: Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie. Berlin / Münster 2021, S. 409–416.
  6. Anne-Sophie von Bomhard: Le calendrier égyptien : une oeuvre d'éternité. London 1999.
  7. Telo Ferreira Conhao: Rezension, Anne-Sophie von Bomhard, Le Calendrier Égyptien: Une Oeuvre d'Éternité. Periplus London, London 1999. In: Estudos Orientais. Band VIII, Revista do Instituto Oriental da F. C. S. H. da Universidade Nova de Lisboa, Lissabon 2009, S. 271–276.
  8. Nadine Guilhou: Liber Amicorum - Speculum Siderum: Nut Astrophorus. Papers presented to Alicia Maravelia, Oxford 2016, S. 120–138.
  9. Anne-Sophie von Bomhard: Décans égyptiens (= Cahiers de l'ENIM. Band 23). Égypte Nilotique et Mediterranéenne, Archéologie des Sociétés Méditerrannéennes, Montpellier 2020.
  10. Anne-Sophie von Bomhard: Le Livre du ciel. Del'observation astronomique à la mythologie. In: Jean-Claude Goyon, Christine Cardin: Proceedings of the Ninth International Congress of Egyptologists.Band 1 , Grenoble 2004, (= Orientalia Louvaniensia analecta. Band 150). Leuven 2007. S. 195–205.
  11. Anne-Sophie von Bomhard: The Naos of the Decades, from the observation of the sky to mythologie and astrology. Oxford 2008.
  12. Jean Yoyotte: Le second affichage du décret de l'an 2 de Nekhetnebef et la découverte de Thonis-Heracléion. In: Égypte, Afrique et Orient. Nr. 24, 2001, S. 24–34.
  13. Anne-Sophie von Bomhard: The decree of Sais: the Stelae of Thonis-Heracleion and Naukratis (= Underwater archaeology in the canopic region in Egypt. Band 7). Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2012, ISBN 978-1-905905-23-2. Zu der bereits 1899 entdeckten Naukratis Stele siehe bei Gaston Maspero: La stèle de Naucratis. In: Eugène Grébaut: Le Musée égyptien: Recueil de monuments et de notices sur les fouilles d'Égypte. Band 1, Kairo 1900, S. 40–44 und Tafel 45.
  14. Anne-Sophie von Bomhard: The decree of Sais: the Stelae of Thonis-Heracleion and Naukratis. Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2012, S. 16–19 Figur 2.2–2.5 und S. 105–115 Figur 5.1–5.15.
  15. Jean Yoyotte: Le second affichage du décret de l'an 2 de Nekhetnebef et la découverte de Thonis-Heracléion. In: Égypte, Afrique et Orient. Nr. 24, 2001.
  16. Anne-Sophie von Bomhard: Theological defences of the Canopic Gate in the Saite period (= Oxford Centre for maritime archaeology monographs. Band 9). Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2017, ISBN 978-1-905905-40-9.
  17. Franck Goddio, Anne-Sophie von Bomhard, Catherine Grataloup: Thônis-Héracleion: Mémoire et Reflets de l'Histoire Saite. In: The Journal of Egyptian Archaeology. Band 106, 2020, S. 171–186, doi:10.1177/0307513320974695.
  18. Franck Goddio, Anne-Sophie von Bomhard, Catherine Grataloup: Thônis-Héracleion: Mémoire et Reflets de l'Histoire Saite. In: The Journal of Egyptian Archaeology. Band 106, 2020, S. 171–172 und S. 179, Figur 9.
  19. Anne-Sophie von Bomhard: Décans égyptiens. Montpellier 2020.

Siehe auch

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