Anne Kunze (* 1981 in Waiblingen) ist eine deutsche Journalistin. Sie ist Redakteurin im Investigativressort der Zeit.

Leben und Werk

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Anne Kunze studierte Geschichtswissenschaften, Rechtswissenschaften und Journalistik in Hamburg, Berlin, Rom und in Mexiko-Stadt. In ihrer geschichtswissenschaftlichen Magisterarbeit untersuchte sie Gewaltpraxen des Novemberpogroms 1938 in Ostwestfalen.[1] Während des Studiums schrieb sie als freie Journalistin u.va. für Die Zeit, Zeit Wissen und taz zu den Schwerpunkten Wirtschaft, Gesundheit, Migration, Soziales und Zeitgeschichte. Von Oktober 2010 bis Juni 2011 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bucerius Institute for Research of Contemporary German History and Society in Haifa, Israel. Von Januar 2012 bis Dezember 2014 war sie Redakteurin im Wirtschaftsressort der Zeit in Hamburg. Seit Januar 2015 ist sie Reporterin im Investigativressort der Zeit in Berlin.

In ihren Reportagen beschreibt Kunze immer wieder systemische Missstände und Ausbeutungsverhältnisse in der deutschen Industrie. Insbesondere die Zustände in der Fleischindustrie hat Kunze in mehreren Reportagen verfolgt. Im Jahre 2014 deckte sie systematischen Betrug mit dem Gütesiegel des Neuland-Vereins auf und legte offen, wie unter der Zertifizierung für artgerechtere Tierhaltung Fleisch aus Massentierhaltung verkauft wurde.[2]

Für ihre Reportage Die Schlachtordnung über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von osteuropäischen Werkvertragsarbeitern in der niedersächsischen Schlachtindustrie erhielt sie mehrere Preise, darunter den Herbert-Riehl-Heyse-Preis 2015 und den Deutschen Reporterpreis 2015 in der Kategorie „Investigation“. Die Jury des Herbert-Riehl-Heyse-Preises beschrieb den „furiosen Text“ als ein Beispiel für „eindringlichen, unter die Haut gehenden Journalismus“.[3] Die Jury der Kategorie „Investigation“ des Reporterpreises urteilte, „Die Schlachtordnung“ sei ein Text, „der die Verhältnisse der Massentierhaltung in Deutschland verändern könne – wenn er es nicht sogar schon getan habe“.[4]

2015 berichtete sie zusammen mit Stefan Willeke über eine ungewollt schwanger gewordenen Arbeiterin erneut von den Arbeitsverhältnissen bei Tönnies und dem Versuch, die Betroffene, die aus Verzweiflung ihr Kind ausgesetzt hatte, in ihren Aussagen zu beeinflussen. Arbeitgeber der bei Tönnies arbeitenden Frau war der Rumäne Dumitru Dan Miculescu, der als Subunternehmer zugleich Anteile an anderen Gesellschaften hat, die zum Teil ebenfalls als Subunternehmer oder Partner von Subunternehmen für Tönnies auftraten.[5]

Im August 2022 veröffentlichte Kunze mit zwei weiteren Autorinnen einen Zeit-Artikel über ab 2019 gegen den Berliner Galeristen Johann König erhobene Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs.[6] Königs Anwalt Christian Schertz erwirkte vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung (Az. 324 O 397/22) wegen falscher Tatsachenbehauptungen und unzulässiger Verdachtsberichterstattung. Mit dem Urteil des Gerichts wurden Teile der Berichterstattung untersagt.[7] Die Zeit entfernte und veränderte Passagen des Artikels, der weiterhin online ist.[8] Verschiedene Künstler verließen nach den Vorwürfen Königs Galerie.[9]

Auszeichnungen

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Publikationen

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  • mit Felix Rohrbeck Journalismus nach der Krise. Aufbruch oder Ausverkauf?, Herbert von Halem Verlag, Köln 2010, ISBN 978-3-86962-009-1
  • mit Katrin Zeug Ab 18: Was junge Menschen wirklich machen, Rowohlt Verlag, Reinbek b. Hamburg 2011, ISBN 978-3-498-03557-0
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Einzelnachweise

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  1. Teile wurden in Form eines Aufsatzes veröffentlicht in: „Das habt Ihr noch nicht gesehen!“. Gewaltpraxen des Novemberpogroms 1938, in: Mittelweg 36, 20. Jg., 2011, Heft 5, S. 24–46.
  2. Mit System betrogen. Die Zeit, 5. Juni 2015. Abgerufen am 20. Dezember 2015.
  3. Die Schlachtordnung - Herbert-Riehl-Heyse-Preis 2015, Süddeutsche Zeitung vom 30. April 2015. Abgerufen am 23. Dezember 2015.
  4. Deutscher Reporterpreis 2015: Fünf Auszeichnungen für die Zeit. meedia.de, 8. Dezember 2015. Abgerufen am 23. Dezember 2015.
  5. Anne Kunze, Stefan Willeke: Der König der Schweine. DIE ZEIT Nr. 45/2015 vom 5. November 2015. Abgerufen am 9. Juli 2020
  6. Luisa Hommerich, Anne Kunze, Carolin Würfel: Berliner Galerist Johann König: „Ich habe ihn angeschrien und beschimpft, damit er weggeht“. In: Die Zeit. 31. August 2022, abgerufen am 3. September 2022.
  7. Christian Gehrke: Die Zeit verliert vor Gericht gegen Berliner Galeristen Johann König. 4. November 2022, abgerufen am 5. November 2022.
  8. Michael Hanfeld: Trotz einstweiliger Verfügung: „Zeit“ bleibt bei MeToo-Vorwürfen gegen den Galeristen Johann König. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. November 2022]).
  9. Weitere Künstlerinnen und Künstler verlassen König Galerie. Abgerufen am 8. Dezember 2022.
  10. Von Ronan Farrow bis zum SPIEGEL - das sind die Gewinner. Spiegel Online, 4. Dezember 2018, abgerufen am selben Tage.