Bahnstrecke White River Junction–Lennoxville
Die Bahnstrecke White River Junction–Lennoxville ist eine eingleisige Eisenbahnstrecke in Vermont (Vereinigte Staaten) und Québec (Kanada). Sie ist 227 Kilometer lang und verbindet unter anderem die Städte White River Junction, Wells River, St. Johnsbury, Newport und Lennoxville. Nur der Abschnitt von White River Junction nach Newport ist noch in Betrieb und wird durch die Washington County Railroad im Güterverkehr betrieben. Ein gelegentlich verkehrender Ausflugszug, der White River Flyer fährt über die etwa sieben Kilometer von White River Junction nach Norwich.
Geschichte
BearbeitenVorgeschichte
BearbeitenBereits am 10. November 1835 wurde eine Konzession zum Bau einer Strecke von der Grenze nach Massachusetts durch die Täler des Connecticut River, Passumpsic River und Barton River bis nach Kanada ausgegeben und die Connecticut and Passumpsic Rivers Railroad (C&PR) gegründet. Mangels Geld konnte die Gesellschaft jedoch nicht mit dem Bahnbau beginnen. Auch nachdem 1843 die Konzession erneuert worden war, kam es nicht zum Bau der Strecke. Erst als der Bundesstaat am 5. November 1845 beschloss, die Konzession in zwei Teilabschnitte aufzuspalten, deren Grenze in White River Junction sein sollte, konnte genügend Geld aufgebracht werden. Die C&PR übernahm den nördlichen Teil der Konzessionsstrecke von White River Junction bis zur kanadischen Grenze bei Derby.
Bau
Bearbeiten1846 begannen die Bauvorbereitungen und Mitte 1848 wurden die ersten Gleise verlegt. In White River Junction war zu diesem Zeitpunkt bereits die Strecke von Concord in Betrieb, zu der eine Gleisverbindung eingebaut wurde. Am 10. Oktober 1848 wurde der erste Abschnitt von dort bis nach Bradford eröffnet. Am 6. November 1848 war Wells River erreicht, im Oktober 1850 McIndoes, am 28. November 1850 St. Johnsbury. Offiziell wurde die Strecke bis St. Johnsbury am 23. Januar 1851 eröffnet. Da die kanadische Regierung der Bahngesellschaft keine Konzession für eine Strecke in ihrem Land erteilen wollte, stagnierten die Bauarbeiten an dieser Stelle. Am 21. Oktober 1857 wurde die Strecke bis Barton verlängert, im September 1859 kam das kurze Stück bis Barton Landing (später Orleans) hinzu. Am 14. Oktober 1863 fuhren die ersten Züge bis Newport und erst am 1. Mai 1867 war die kanadische Grenze bei North Derby erreicht.
Inzwischen hatte 1862 die Massawippi Valley Railway in Kanada eine Konzession erhalten, eine Strecke von Lennoxville bis zur Grenze bei North Derby zu bauen. Die C&PR pachtete diese Bahngesellschaft am 1. Juli 1870, dem Eröffnungstag dieser Strecke. In Lennoxville hatte die Strecke zu diesem Zeitpunkt nur Anschluss an die in Kolonialspur (1676 mm) gebaute Bahnstrecke Montreal–Island Pond der Grand Trunk Railway. Da die Züge bis Sherbrooke fahren sollten, baute die Grand Trunk eine dritte Schiene zwischen Lennoxville und Sherbrooke und gestattete die Mitbenutzung dieses Abschnitts. Nur wenige Jahre später spurte die Grand Trunk ihre gesamte Strecke auf Normalspur um.
Weitere Entwicklung
BearbeitenAm 1. Januar 1887 pachtete die Boston and Lowell Railroad die Bahnstrecke. Noch im gleichen Jahr wurde diese Gesellschaft ihrerseits durch die Boston and Maine Railroad gepachtet, die nun die Betriebsführung übernahm und die Strecke als Passumpsic Division in ihr Netz eingliederte. Am 9. Januar 1926 endete die Betriebsführung der Boston&Maine nördlich von Wells River. Die Canadian Pacific Railway pachtete den Abschnitt von dort bis Lennoxville, verpachtete jedoch ihrerseits den nördlichen Teil der Strecke zwischen Newport und Lennoxville an die Quebec Central Railway.
Bereits Anfang der 1950er Jahre ersetzten Busse die Personenzüge der Quebec Central Railway zwischen Newport und Sherbrooke. Im Herbst 1965 endete mit der Einstellung der Expresszüge von Boston nach Montreal der Personenverkehr auf der restlichen Strecke. 1990 legte die Quebec Central ihre Strecke zwischen Beebe Junction und Lennoxville still, 1996 folgte der Abschnitt von Newport bis Beebe Junction.
1983 hatte die Guilford Transportation die Boston&Maine und damit auch den Abschnitt zwischen White River Junction und Wells River übernommen. Sie stellte 1995 den Güterverkehr zwischen Wilder und Wells River ein, im Dezember 1998 auch zwischen White River Junction und Wilder. Ende 1999 kaufte der Bundesstaat die Strecke und ab Februar 2000 befuhr die Vermont Railway die Strecke im Gelegenheitsverkehr. Den mittleren Abschnitt von Wells River bis Newport verkaufte die Canadian Pacific im September 1996 an die Northern Vermont Railroad, die ab Mai 2000 auch den Abschnitt von White River Junction betrieb. Ende 2002 meldete die Northern Vermont Konkurs an und die Washington County Railroad kaufte die Strecke und startete am 10. Januar 2003 den Güterverkehr wieder. Auf dem Abschnitt White River Junction–Norwich verkehrt regelmäßig ein Touristenzug, der White River Flyer, der durch die Green Mountain Railroad betrieben wird.
Streckenbeschreibung
BearbeitenDie Strecke zweigt in White River Junction von der Bahnstrecke Windsor–Burlington ab und verläuft zunächst am Westufer des Connecticut River nordwärts. Sie überquert dabei die rechten Zuflüsse des Connecticut, darunter den White River, Ompompanoosuc River, Waits River und Wells River. Nach 65 Kilometern ist der Knotenbahnhof Wells River erreicht. Früher bestand hier ein Gleisdreieck zur Strecke nach Concord. Der Bahnhof war als Keilbahnhof ausgebaut, an der Verbindungskurve aus Richtung White River Junction nach Concord gab es keinen Bahnsteig. Ab 1926 fuhren alle Züge der Boston&Maine von White River Junction kommend über diese Verbindungskurve nach Woodsville, wo die Umsteigebeziehungen zu den Zügen der Canadian Pacific in Richtung Norden bestanden. Die Strecke von Montpelier mündete direkt nördlich des Gleisdreiecks in die Hauptstrecke ein. Die Züge dieser Strecke benutzen in der Regel den Bahnsteig der Strecke nach Concord mit und benutzten dabei auf wenigen Metern das Gleis der Hauptstrecke mit.
Nach Wells River führt die Strecke weiter nordwärts entlang dem Connecticut. 17 Kilometer weiter ist Barnet erreicht, wo der Passumpsic River in den Connecticut mündet, der hier von Osten kommt. Die Bahntrasse verlässt nun den Connecticut und führt in das Tal des Passumpsic weiter nordwärts. Kurz vor dem Haltepunkt Inwood zweigte vom 20. November 1928 bis 1967 eine Anschlussbahn der Connecticut River Development Company zum Staudamm des Comerford-Stausees ab. Zwei Spitzkehren waren nötig, um den Höhenunterschied zur Krone des Staudamms zu überwinden. Der Passumpsic River wurde auf einer Stahlbrücke überquert. Noch in den 1970er Jahren wurde die Strecke für gelegentliche Ausflugsfahrten verwendet. Die Gleise liegen noch heute, lediglich die Brücke über den Passumpsic River ist abgebaut. Auch die Hauptstrecke überquert den Passumpsic in diesem Bereich mehrfach.
Bei Streckenkilometer 97 ist der Bahnhof St. Johnsbury erreicht, den auch die Züge der Bahnstrecke Lunenburg–Maquam mitbenutzen. Der westliche Ast dieser Strecke nach Maquam ist stillgelegt. Hinter Burke ist mit der Wasserscheide zwischen Passumpsic und Barton River der höchste Punkt der Strecke erreicht. Von hier fällt sie in das Tal des Barton River ab, dem sie weiter nordwärts folgt. Sie verläuft dabei am Westufer des Crystal Lake. Kurz vor Newport ist der Lake Memphremagog erreicht, dessen südliche Bucht die Strecke mehrfach überquert. In Newport zweigt die Strecke nach Farnham ab, über die bis 1965 die Expresszüge nach Montreal verkehrten. Bis Ende der 1930er Jahre gab es auch einen Expresszug, der von Boston über White River Junction und Lennoxville nach Montreal fuhr, danach musste in Newport umgestiegen werden.
In Newport liegt das Gleis in Richtung Lennoxville noch etwa anderthalb Kilometer bis zum Anschluss der Columbia Forest Products. Von dort bis Lennoxville ist die Strecke stillgelegt und abgebaut. Bei North Derby überquert die Bahntrasse die Staatsgrenze nach Kanada. Direkt danach befand sich der Abzweig der Bahnstrecke Beebe Junction–Stanstead, der als Gleisdreieck ausgeführt war. Entlang dem Tomifobia River erreicht die Bahnstrecke bei Ayer’s Cliff den Lac Massawippi, an dessen Ostufer sie weiterführt. Der letzte Abschnitt der Strecke führt durch das Tal des Massawippi River nach Lennoxville. Der Inselbahnhof diente allen durch die Stadt führenden Bahnstrecken. Auf der westlichen Gleisseite, die der Grand Trunk Railway gehörte und heute von der St. Lawrence and Atlantic Railroad benutzt wird, endete auch die Strecke von White River Junction. Die östliche Gleisseite gehört zur Bahnstrecke Brookport–Mattawamkeag der Montreal, Maine and Atlantic Railway.
Personenverkehr
BearbeitenDer Fahrplan vom 28. September 1913[5] sah einen täglichen Expresszug Boston–Montreal über Sherbrooke und einen täglichen Express Boston–Montreal über Richford vor. Der Zug über Sherbrooke führte ab White River Junction Kurswagen von New York. Daneben verkehrte ein Zug Boston–Newport, der über die ehemalige Boston, Concord and Montreal Railroad fuhr und in Newport ebenfalls Kurswagen an den Express über Sherbrooke lieferte. Weiterhin verkehrten an Werktagen verschiedene Personenzüge. Zwei der Züge fuhren auf der Relation Boston–Montreal bzw. Boston–Québec über White River Junction und Sherbrooke, teilweise mit Kurswagen von und auf anschließende Strecken. Ein weiterer Zug verkehrte von Boston nach Newport und hatte ab White River Junction Kurswagen von New York. Zwischen White River Junction und Norwich&Hanover fuhren zwei zusätzliche Züge, von denen einer von Boston kam. Ein Gemischter Zug befuhr die Strecke Barton–Newport. Die Fahrzeit zwischen White River Junction und Newport schwankte zwischen vier und fünf Stunden.
Nach dem Fahrplan vom 15. Januar 1934[6][7] gab es damals noch einen täglich verkehrenden Expresszug von New York und Boston nach Montreal über Sherbrooke sowie einen täglichen und einen nur an Werktagen verkehrenden Personenzug zwischen White River Junction und Woodsville (Wells River). Auf dem mittlerweile der Canadian Pacific gehörenden Strecke zwischen Wells River und Newport verkehrte zusätzlich ein werktäglicher Personenzug, sowie ein Expresszug, der zwischen Boston und Montreal fuhr. Die Fahrzeit zwischen White River Junction und Newport betrug für Expresszüge nunmehr drei Stunden 40 Minuten. Mit Personenzügen benötigte man knapp fünf Stunden.
Der Fahrplan vom 25. Oktober 1964[8] sieht nur noch den täglichen Expresszug Alouette von Boston und New York nach Montreal vor, der nun jedoch nicht mehr über Sherbrooke, sondern über Richford verkehrte. Auf der Strecke von Newport nach Sherbrooke verkehrt im Anschluss an diesen Zug ein Expressbus.
Heute ist der Personenverkehr auf der ehemaligen Connecticut&Passumpsic Rivers Railroad eingestellt, die Strecke wird nur noch im Güterverkehr bedient.
Unfälle
BearbeitenBereits im Dezember 1851 ereignete sich der einzige tödliche Unfall auf der Strecke, als der Bahndamm bei North Thetford, etwa 25 Kilometer nördlich von White River Junction unterspült wurde und ein Zug entgleiste. Zwei Personen starben hierbei.
Literatur
Bearbeiten- Robert C. Jones: Railroads of Vermont, Volume I. New England Press Inc., 1993. ISBN 1-881535-01-0.
- Robert M. Lindsell: The Rail Lines of Northern New England. Branch Line Press, Pepperell, MA 2000, ISBN 0-942147-06-5.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Mike Walker: Comprehensive Railroad Atlas of North America. New England&Maritime Canada. SPV-Verlag, Dunkirk (GB), 2010.
- ↑ Mike Walker: Comprehensive Railroad Atlas of North America. Quebec & Labrador. SPV-Verlag, Dunkirk (GB), 2010.
- ↑ SECOND OPERATING DISTRICT - PASSUMPSIC DIVISION - MAIN LINE. In: TrainWeb.org. Abgerufen am 2. Februar 2014 (englisch).
- ↑ Official Guide of the Railways, Juli 1932. Seiten 93, 1203, 1215.
- ↑ Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Porto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe November 1913. Boston&Maine Railroad, Table 67/68. Seiten 200f.
- ↑ Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Porto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe Februar 1934. Boston&Maine Railroad, Table 68. Seite 85.
- ↑ Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Porto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe Februar 1934. Canadian Pacific Railway, Table 3. Seite 1092.
- ↑ Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Puerto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe November 1964. Boston&Maine Railroad, Table 3. Seite 60.