Die Operation Pontus (türk. Pontus Harekatı) war eine miltärische Operation der türkischen Nationalregierung in Ankara während des Türkischen Befreiungskrieges, die von Dezember 1920 bis zum 6. Februar 1923 dauerte und die Befriedung der Pontusregion und die Beendigung der autonomistischen und separatistischen Bestrebungen in dieser Region zum Ziel hatte. Diese werden in der türkischen Literatur als Pontus-Frage (Pontus sorunu) oder Revolten und Unruhen im Pontusgebiet (Pontus Ayaklanmaları ve Olayları) bezeichnet und Innerhalb des Türkischen Befreiungskrieges unter die im übrigen innermuslimischen inneren Rebellionen (İç Ayaklanmalar) gerechnet (im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen mit den auswärtigen Staaten Frankreich, Großbritannien, Italien, Griechenland und Armenien). Soweit in der Türkei diese Vorgänge auch als Pontos-Aufstand bzw. Pontos-Rebellion (türkisch Pontus Ayaklanması) bezeichnet werden, ist diese Bezeichnung insoweit irreführend, als eine zentral gelenkte Aufstandsbewegung auch in türkischen Darstellungen nicht berichtet wird. Getragen wurden diese Autonomie- bzw. Sezessionsbestrebungen von der griechischen Bevölkerung der Region. Mit der Ausrufung einer Republik Pontos, die aber keinerlei effektive Kontrolle über das von ihr beanspruchte Gebiet erlangte, hatten diese Vorgänge nur insoweit zu tun, als sich darin die türkischen Ängste vor einer Sezession dieser Region manifestiert hatten. Der Staatsgründungsversuch war zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Vorgänge bereits gescheitert. Ziel der Operation war insbesondere die Unterdrückung der Tätigkeit bewaffneter Banden Irregulärer griechischer Volkszugehörigkeit. Die unter wesentlicher Mitwirkung von ebenfalls irregulären türkischen bewaffneten Einheiten durchgeführten Operationen waren z. T. von großer Brutalität begleitet.
Die 1904 am Anatolia College in Merzifon gegründete Pontus Cemiyeti (‚Gesellschaft für den Pontos‘) und die Mukaddes Anadolu Rum Cemiyeti (‚Heilige anatoliengriechische Gesellschaft‘) wurden in der Zeit um den Ersten Weltkrieg aktiv, um einen lang ersehnten, von Batumi bis İnebolu reichenden und teilweise die Gegenden von Kastamonu, Çankırı, Yozgat, Sivas, Tokat, Amasya, Çorum, Gümüşhane und Erzincan umfassenden Staat für die pontosgriechische Bevölkerung zu errichten. Die Bevölkerung von Pontos war mit Waffen der während des Ersten Weltkrieges nach Ostanatolien eindringenden und sich später (1917) zurückziehenden russischen Armee ausgestattet, die beim Rückzug ihre Waffen einfach an Ort und Stelle beließ. Zusätzlich erhielten sie Waffenunterstützung aus England und Griechenland.
Zusammen mit Freiwilligen aus Griechenland, die zu Hilfe kamen, erhöhte sich die Zahl der Angehörigen der Pontos-Irregulären auf 25.000 Personen.[1] Es kam zu Übergriffen auf türkische Dörfer, in denen sich ihrerseits wieder bewaffnete Gruppen gründeten. Allein in der Region Samsun waren mehr als 700 Türken getötet worden.[2]
Bei den Zusammenstößen mit Topal Osman, der seine Karriere als Bandenchef begonnen hatte, später aber offizielle Unterstützung erlangte, und dessen Waffenbrüdern mit den Rebellen konnte Topal Osman 2.500 Gewehre und 1.200.000 Stück Munition erbeuten. Topal Osman standen beim Aufstand Sakallı Nurettin Pascha und İpsiz Recep Emice bei. Im Jahr 1921 konnte die Türkische Nationalbewegung noch 10.000 Mann[2] gegen den Aufstand zur Verfügung stellen, von 1922 bis 1923 verdoppelte sich die Zahl auf 20.000.[2] Insgesamt wurden 11.188 Aufständische[2] der griechischen Minderheit getötet und 10.886 gefangengenommen.[2] Auf türkischer Seite gab es bis Ende 1921 nach anderen Angaben 1.641 Verwundete,[3] 3.723 verbrannte Häuser,[3] gestohlene Tiere im Wert von 2 Millionen Türkischer Pfund[3] sowie gestohlenes Bargeld im Wert von 2 Millionen Goldpfund.[3] Zudem fanden Plünderungen und Zerstörungen großer Mengen an Waren und Gütern statt.[3]
Der Aufstand wurde bis zum 6. Februar 1923 niedergeschlagen. Ein Teil der orthodoxen Geistlichen, die in den Aufstand verwickelt waren, wurde ausgewiesen, ein anderer durch die sogenannten „Unabhängigkeitsgerichte“ (İstiklâl Mahkemeleri) abgeurteilt. Die griechischen Dörfer der Region wurden entvölkert und ihre Einwohner nach Inneranatolien deportiert. Durch den nachfolgenden Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei, bei dem die Angehörigen der pontosgriechischen Minderheit aus Anatolien nach Griechenland zwangsweise umgesiedelt wurden, wurde weiteren Unabhängigkeitsbestrebungen die Grundlage entzogen.[1][2][3]
Quellen
- Ergün Aybars, Türkiye Cumhuriyeti Tarihi 1, Ege Ün. Basımevi, İzmir, 1986 (Geschichte der Republik Türkei, Band 1, erschienen im Verlag der Ege-Universität), Online-Fassung der S. 206 -228 dieses Werks
Einzelnachweise
- ↑ a b kurtulussavasi.org, Savaşlar ve Antlaşmalar: Batı Cephesi Savaşları
- ↑ a b c d e f kurtulussavasi.org, Savaşlar ve Antlaşmalar: TBMM'ne karşı ayaklanmalar
- ↑ a b c d e f Dr. Yunus Kobal: Milli Mücadelede İç Ayaklanmalar, Hacettepe-Universität
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