Burgus Ahegg

archäologische Stätte in Deutschland

Der Burgus Ahegg ist ein kleiner römischer Militärstandort, der als spätantiker Wohn- und Wachturm für die Kontrolle eines Abschnitts der Reichsgrenze entlang des Donau-Iller-Rhein-Limes (DIR) zuständig war. Die ergrabenen und zu besichtigenden Reste der Anlage befinden sich im Ortsteil Ahegg des Marktes Buchenberg im Landkreis Oberallgäu in Bayern. Sie ist die einzige ihrer Art in Süddeutschland, von der noch Reste oberirdisch vorhanden sind.

Burgus Ahegg
Limes Donau-Iller-Rhein-Limes
Datierung (Belegung) tetrarchisch?/valentinianisch
bis Ende 4./Anfang 5. Jahrhundert
Typ Burgus
Größe 10,8 m × 11,0 m
Bauweise a) Holz?
b) Stein
Erhaltungszustand gut erhaltenes, massives Mauergeviert
Ort Ahegg (Buchenberg)
Geographische Lage 47° 42′ 35,4″ N, 10° 15′ 1,1″ OKoordinaten: 47° 42′ 35,4″ N, 10° 15′ 1,1″ O
Höhe 900 m ü. NHN
Vorhergehend Kastell Isny-Bettmauer (westlich)
Anschließend Kastell Kempten-Burghalde (nordöstlich)
Rekonstruktionszeichnung
Der baugleiche Burgus Finningen bei Neu-Ulm

Zwischen dem am Ostufer des Bodensees gelegenen Kastell Bregenz (Brigantium) und der spätantiken Garnison auf der Kemptener Burghalde (Cambodunum) lag die sogenannte „trockene Grenze“ des DIR-Limes, die nicht durch einen Fluss gesichert war. Der Burgus Ahegg wurde aus strategischen Gründen auf dem von einer Moräne gebildeten Höhenzug Adelegg gegründet und lag damit abseits der römischen Limesstraße.[1] Der erhöhte Standort des Burgus ermöglichte es der Besatzung, das umliegende Grenzland weithin einzusehen. Die nächstgelegenen bedeutenden römischen Eingreiftruppen am Limes standen fünf Kilometer nordöstlich über der Iller bei Kempten sowie westlich im tetrarchischen Reiterkastell Vemania bei Isny im Allgäu, das am Fuße eines Ausläufers der Adelegg errichtet worden war.

Forschungsgeschichte

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Der Burgus in Ahegg, der bis zu seiner Freilegung unter einem großen Steinschutthügel lag, wurde 1932 vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) ergraben. Der römische Ursprung dieser Anlage galt dem Archäologen Wilhelm Schleiermacher (1904–1977) jedoch noch 1972 als „unsicher“.[1] Mehrfach sind die Baureste seit der Freilegung unfachgemäß und mit nicht frostbeständigem Mörtel saniert worden. Erst 1995 sorgten Mitarbeiter der Kemptener Stadtarchäologie für eine Restaurierung, bei der ein Spezialmörtel Verwendung fand.[2] Nach erneuten Sicherungsmaßnahmen, die der archäologische Arbeitskreis des Heimatgeschichtlichen Vereins Buchenberg vornahm, wurde 2009/2010 auf die erhaltenen Mauerstümpfe ein ziegelgedecktes Holzsatteldach gesetzt, das vor weiteren Verfall schützen soll.[3]

Baugeschichte

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Eingang zum Burgus
 
Die Mauern stehen im Geviert
 
Die Mauern von außen

Gegen Ende des 3. Jahrhunderts stabilisierte sich die jahrzehntelang unsichere Lage an vielen Grenzabschnitten des römischen Reiches. Kastelle wurden neu errichtet, erneuert oder umgebaut. Zwischen diesen Garnisonsorten entstanden vielfach hölzerne Wachtürme. Beispiele vom Hochrhein und von der römischen Straße zwischen Augusta Vindelicorum (Augsburg) und Cambodunum (Kempten) lassen sich auf die Regierungszeit des Kaisers Konstantin (306–337) datieren.[4] Auch in Ahegg gibt es Anzeichen dafür, dass dem späteren steinernen Burgus ein hölzerner Vorgängerbau vorausging.[5]

Nach verheerenden Germaneneinfällen legte Kaiser Valentinian I. (364–375) ein Bauprogramm von größeren und kleineren Befestigungen (castra et castella) entlang der Reichsgrenzen an Rhein (Rhenus) und Donau (Danuvius) auf, um die Sicherheit des Reiches zu gewährleisten. Ab 369 entstanden am Hochrhein (Provinz Maxima Sequanorum) an der Fernverbindung BrigantiumCambodunumCaelius Mons sowie an der oberen und mittleren Donau eine Vielzahl von Anlagen in Steinbauweise.[6] Die Konzeption vieler der damals errichteten Burgi folgte einem weitgehend standardisierten Bauschema. So sind etliche aus Ahegg bekannte baulichen Einzelheiten auch von anderen Fundorten bekannt. Der sehr gut erhaltene Burgus Bacharnsdorf in Niederösterreich lässt auch das aufgehende Mauerwerk bis in den zweiten Stock erkennen. Für die spätantike Provinz Raetia II, zu der Ahegg gehörte, ist zwar noch keine datierbare Inschrift zu den Burgi entdeckt worden,[4] doch konnten insbesondere viele sehr ähnliche Anlagen am Donaulimes durch stratifizierbare Münzen, Ziegelstempel und – in weit geringerem Maße – Bauinschriften der valentinianischen Phase zugeordnet werden (z. B. die Burgi Visegrád-Lepence und Visegrád-Steinbruch).

Die in Mörtel gesetzten, bei der Grabung noch rund 1,5 Meter[5] hoch erhaltenen und 1,2 Meter starken Mauern des Ahegger Burgus bestehen aus Rollsteinen, wie sie auf der Sohle der Rottach unmittelbar östlich des Platzes anstehen. Die Fortifikation bildet ein fast quadratisches Geviert von 10,8 × 11,0 Metern, an dessen Nordseite eine 1,45 m breite Torlücke ausgenommen ist. In der Mitte des Burgus wurde eine Pfostenstellung festgestellt. Diese Pfosten trugen einst das mächtige Dach. An der Ostseite fand sich eine Feuerstelle aus Ziegelplatten. Während der Sanierungsarbeiten 2009 wurde festgestellt, dass unmittelbar um den Burgus eine Drainage aus großen Bachkatzen (Flusskiesel) verlegt worden war, die in römischer Zeit das Abwasser entsorgte.[2] Als Annäherungshindernis war die Fortifikation durch einen heute noch erkennbaren Graben sowie den steil abfallenden Tobel zur Rottach hin geschützt.

 
Illustration des Burgus Ahegg mit Besatzungssoldat der Legio Italica III

Insbesondere die geborgene Gefäßkeramik, wie Reibeschalen mit Innenglasur, ist typisch für viele spätantike Militärstandorte und Siedlungsplätze. Die glasierte Ware taucht im Fundgut sowohl der germanischen Provinzen als auch in Pannonien um 320 n. Chr.[7][8] erstmals auf und lässt sich in Rätien – wie am Fundort Künzing (Quintana) – bis in das späte 5. Jahrhundert nachweisen.[9]

Als ständige Wachmannschaft des Burgus kann von einem Dutzend Mann ausgegangen werden, die einem der nächstgelegenen Kastelle unterstellt waren. Die zeitlich nicht sicher einzuordnenden Brandschichten im Burgus wurden dem späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert n. Chr. zugeschrieben[5] und zeugen vom Ende der römischen Herrschaft im Voralpenraum.

Nachrömische Entwicklung

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Die massiven römischen Mauerreste, die vielleicht noch im späteren Mittelalter aufrecht standen, wurden vermutlich von den Bauherren einer kleinen Burg wiedergenutzt und für den neuen Zweck umgebaut. Darauf deutete der mittelalterliche Schutt hin, der den antiken Befund während der Ausgrabung überlagerte.[10] Demgegenüber nahm der Archäologe Paul Reinecke (1872–1958) an, dass die wohl gegen Ende des hohen Mittelalters errichtete kleine Burg auf dem bereits zum Schutthügel verfallenen Burgus gegründet wurde.[11] Diese neue Anlage hat die Forschung mit der 1525 im „Martinszeller Vertrag“ erwähnten Burg Ahegg in Verbindung gebracht.

Denkmalschutz

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Der Burgus ist eingetragenes Bodendenkmal im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.

Siehe auch

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Liste der Kastelle des Donau-Iller-Rhein-Limes

Literatur

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Commons: Burgus Ahegg – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

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  1. a b Wilhelm Schleiermacher: Cambodunum-Kempten. Eine Römerstadt im Allgäu. Rudolf Habelt Verlag, Bonn 1972.
  2. a b Römischer Wachturm in Ahegg gerettet. In: Allgäuer Zeitung. 13. Oktober 2009 (online).
  3. Ein Dach für den Wachturm. In: Allgäuer Zeitung. 1. Juni 2010 (online).
  4. a b Michael Mackensen: Besiedlung und militärisches Grenzgebiet im unteren Illertal und an der oberen Donau in der spätrömischen Kaiserzeit. In: Ulmer Museum (Hrsg.): Römer an Donau und Iller – Neue Forschungen und Funde. Begleitbuch zur Ausstellung, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1996, ISBN 3-7995-0410-9, S. 149.
  5. a b c Michael Mackensen: Cambidanum – Eine spätrömische Garnisonsstadt an der Nordwestgrenze der Provinz Raetia secunda. In: Gerhard Weber (Hrsg.): Cambodunum – Kempten. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2000, ISBN 3-8053-2691-2, S. 145.
  6. Michael Mackensen: Besiedlung und militärisches Grenzgebiet im unteren Illertal und an der oberen Donau in der spätrömischen Kaiserzeit. In: Ulmer Museum (Hrsg.): Römer an Donau und Iller – Neue Forschungen und Funde. Begleitbuch zur Ausstellung, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1996, ISBN 3-7995-0410-9, S. 147.
  7. Renate Pirling: Glasierte Ware. In: Kurt Böhner (Hrsg.): Die Funde aus den römischen Gräbern von Krefeld-Gellep. Katalog der Gräber S. 37.
  8. Gabriella Nádorfi: Glasierte Keramik in den spätrömischen Gräberfeldern Pannoniens. In: Zsuzsanna Bánki (Hrsg.): Glasierte Keramik in Pannonien. Ausstellungskatalog, König Sankt Stephan Museum, Székesfehérvár 1992, S. 45–51.
  9. Harald von Petrikovits: Beiträge zur römischen Geschichte und Archäologie. Band 2. Rheinland-Verlag, Köln 1991, ISBN 3-7927-1222-9, S. 241.
  10. Friedrich Wagner: Das Schrifttum zur schwäbischen Vor- und Frühgeschichte 1935–1940. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben. Band 54, Buch- und Kunstdruckerei Johann Walch, Augsburg 1941, S. 463.
  11. Paul Reinecke: Kleine Schriften zur vor- und frühgeschichtlichen Topographie Bayerns. Verlag Michael Laßleben, Kallmünz 1962.