Chara lingua da la mamma (rätoromanisch im Idiom Vallader für «Liebe(nswerte) Sprache der Mutter») ist die inoffizielle Hymne der Engadiner und Münstertaler Rätoromanen. Sie besingt das Ladin als die von der Wiege an vertraute Sprache und als identitätsstiftendes Gut. Das Lied ist auch unter dem offiziellen Titel Lingua materna („Muttersprache“) bekannt.[1]

Gedenkinschrift an der Fassade des Ardezer Hauses eines befreundeten Lehrers, wo Robert Cantieni das Lied komponierte
Robert Cantieni, der Komponist des Liedes
Gudench Barblan, der Dichter der Hymne

Entstehung

Bearbeiten

Den Text dichtete Gudench Barblan (1860–1916).[2] Er wirkte als Lehrer in mehreren Unterengadiner Dörfern und später am Plantahof im Churer Rheintal. Später wurde er als Sammler der Übernamen der Engadiner Dörfer bekannt. Die Melodie stammt von Robert Cantieni (1873–1954), der sie 1913 im Haus eines befreundeten Lehrers im Unterengadiner Dorf Ardez komponierte.

[3]
Alla lingua materna.

Chara lingua della mamma,
Tü sonor romantsch ladin,
Tü favella dutscha, lamma,
Oh, co t’am eu sainza fin!

In teis suns, cur eir’ in chüna,
M’ha la mamma charezzà,
E chanzuns dell’ Engiadina
Nell’ uraglia m’ha chantà.

Tü mossà m’hast nell’ infanzia
A nomnar imminch’ ogget,
Ad exprimer temm’ e spranza
E cordöli e dalet.

M’hast mossà con viv’ algrezia
Mia patria ad amar,
Seis eroes, sa bellezza
In chanzuns a dechantar.

Cur in leida giuventüna
Cols amis am radunet,
Lura la chanzun ladina
Pür il vair umur ans det.

Dell’ amur la dutscha brama
Hast express tü e guidà,
Hast nutri la sancha flamma,
Chi’m rendaiv’ usche beà.

Sco il chant da filomela
Am parettast tü sunar,
Cur allur’ in ma favella
Meis infants sentit tschantschar.

Millieras regordanzas
Svagl’ in mai teis pled sonor,
Svaglia saimper veglias spranzas,
Chi ün di han moss meis cour.

Chara lingua della mamma,
Tü dilet romantsch ladin,
Tü favella dutscha, lamma,
Oh, co t’am eu sainza fin!




Liebste Muttersprache,
du klangvolles Rumantsch Ladin,
du sanfte, weiche Sprache,
o wie endlos liebe ich dich!

Zu deinen Klängen, noch in der Wiege,
hat mich Mutter geliebkost
und Lieder des Engadins
mir ins Ohr gesungen.

Hast mir gezeigt in der Kindheit
jedes Ding zu benennen,
Furcht und Hoffnung auszudrücken,
Klage und Glück.

Hast mir gezeigt mit Freude
meine Heimat zu lieben,
ihre Helden, ihre Schönheit
in Liedern zu besingen.

Als in froher Jugend
mit den Freunden mich vereint
Hat erst das ladinische Lied
uns den wahren Humor gegeben.

Die süsse Sehnsucht der Liebe
hast du ausgedrückt und geleitet,
hast die heilige Flamme genährt,
die mich so glückselig machte.

Wie der Gesang der Nachtigall
scheinst du zu klingen,
wenn, in der Muttersprache,
ich meine Kinder sprechen höre.

Tausende Erinnerungen
weckt dein harmonischer Klang in mir,
weckt immer alte Hoffnungen,
die mir einst mein Herz zeigte.

Liebste Muttersprache,
du klangvolles Rumantsch Ladin,
du sanfte, weiche Sprache,
o wie endlos liebe ich dich!

Bearbeiten

Text mit Aussprachehinweisen und deutscher Übersetzung (Word-Dokument; 33 kB) (Memento vom 4. Februar 2016 im Internet Archive)

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Musicanet, mit Hörbeispiel (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.musicanet.org
  2. Lucia Walther: Gudench Barblan. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 15. März 2017, abgerufen am 7. Juni 2019.
  3. Poesias ladinas da Gaud. Barblan. Samaden, 1908, S. 1f. (Google-US)