Chinesische Grammatik

Grammatik vom modernen Hochchinesisch

Die Grammatiken der chinesischen Dialekte ähneln einander sehr stark. Alle Beispiele in diesem Artikel werden in modernem Hochchinesisch vorgetragen, die beschriebenen Prinzipien lassen sich jedoch weitgehend auf andere Dialekte übertragen.

Da das Chinesische keine synthetische, sondern eine analytische Sprache ist, existiert keinerlei Flexion; die Wörter haben alle nur jeweils eine einzige Form. Im Unterschied zu den indogermanischen Sprachen gibt es im Chinesischen keine grammatikalischen Tempusformen. Das Tempus wird durch simple Adverbien angedeutet, wenn überhaupt.

Von den indogermanischen Sprachen unterscheidet sich das Chinesische auch durch ein differenzierteres Aspektsystem. Diese grammatische Kategorie wird durch Partikeln oder Präpositionen ausgedrückt.

Chinesisch besitzt eine hohe Komplexität bezüglich seiner Syntax: Da Informationen über den grammatischen Zusammenhang im Satz im Chinesischen aber ausschließlich durch die Satzstellung (und nicht durch Endungen und dergleichen) ausgedrückt werden, sind vor allem komplexere Sätze vor allem für den nichtmuttersprachlichen Hörer überaus schwer zu dekodieren.

Aussagesätze

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Die grundlegende Wortstellung ist Subjekt – Prädikat – Objekt; natürlich gibt es auch sehr komplexe Sätze, bei denen diese Wortstellung aber eher erweitert wird als variiert.

Zum Beispiel der Satz: Er fährt nach Shanghai.

Subjekt Verb Objekt
Chinesisch 上海。
Pinyin Shànghǎi.
Wörtliche Übersetzung Er fahren Shanghai.

Fragesätze

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Für Fragesätze (Satzfragen) wird ein angehängtes Fragepartikel benötigt, eine Umstellung der Teile des Satzes erfolgt nicht. Dies ist die einfachste Form einer Fragebildung im Chinesischen und wird oft genutzt. Im Deutschen ist es vergleichbar mit dem Anhängen des Wortes oder an einem Aussagesatz.

Zum Beispiel eine Frage mit Fragepartikel: Fährt er nach Shanghai?

Subjekt Verb Objekt
Chinesisch 上海吗?
Pinyin Shànghǎi ma?
Wörtliche Übersetzung Er fahren Shanghai Fragepartikel?

Eine andere Möglichkeit zur Fragebildung ist das Erfragen eines unbekannten Teils durch ein Fragewort (Interrogativpronomen), eine Umstellung der Satzteile erfolgt hier ebenfalls nicht.

Zum Beispiel eine Frage mit einem Fragewort: Wohin fährt er?

Subjekt Verb Objekt
Chinesisch 哪里?
Pinyin nǎlǐ?
Wörtliche Übersetzung Er fahren wohin?

Ein anderes Beispiel mit einem Fragewort: Wer fährt nach Shanghai?

Subjekt Verb Objekt
Chinesisch 上海?
Pinyin Shéi Shànghǎi?
Wörtliche Übersetzung Wer fahren Shanghai?

Da keine Flexion des Verbs stattfindet, dienen verschiedene Partikeln, vor allem 被 (bèi), 叫 (jiào) und 让 (ràng) als Marker für einen passivischen Satz. Der Sprachwissenschaftler Wang Li 王力 vertrat die Auffassung, dass das Wort 被 (bèi) die Bedeutung von "leiden" habe.[1] Hier besteht eine gewisse Analogie zum ursprünglichen altgriechischen Wortsinn "πάσχειν" (leiden). Im modernen Sprachgebrauch ist jedoch das Charakteristikum des Passivs als 'schlechte Nachricht' immer seltener anzutreffen.[2] Während 被 (bèi) überwiegend in der Schriftsprache gebräuchlich ist, kommen andere Partikel in der Umgangssprache zum Einsatz. In südchinesischen Dialekten wird häufig 给 (gěi) bzw. 被...给 (bèi ... gěi) verwendet.

Beispiel für eine Passivkonstruktion: Das Schaf wurde vom Wolf gefressen.

Objekt (Passivpartikel) Subjekt Verb
Chinesisch 吃了。
Pinyin Yáng bèi láng chī le.
Wörtliche Übersetzung Schaf wurden Wolf essen.

Morphologie

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Aufgrund der nicht vorhandenen Flexion erscheint das Chinesische relativ einfach im Vergleich zu flektierenden Sprachen, zumindest für jemanden, der solche Sprachen gewohnt ist: besonders das Sprechen ist am Anfang wesentlich einfacher als z. B. für Lernende des Finnischen.

Allerdings ist die chinesische Sprache reich an zusammengesetzten Wörtern (Komposita). Sowohl die Zahl der Lexeme als auch deren Verwendung in Texten ist groß.[3] Auch Reduplikation ist ein verbreiteter morphologischer Mechanismus. Aus diesen Gründen ist die oft vertretene Auffassung, dass Chinesisch eine morphologiearme Sprache sei, nicht korrekt. Sie gilt nur für den Bereich der Flexion; siehe aber die folgende Darstellung der Numerusflexion.

Die grammatische Kategorie Numerus wird lediglich bei Pronomen und Nomen angezeigt, die auf Menschen verweisen, zum Beispiel bei den Personalpronomen durch ein Suffix (们 -men gibt hier den Plural an):

Singular Plural
Chinesisch
(Schrift)
Pinyin
(Aussprache)
Deutsch Chinesisch
(Schrift)
Pinyin
(Aussprache)
Deutsch
1. Person ich 我们 wǒmen wir
2. Person du 你们 nǐmen ihr
3. Person 他 / 她 / 它* er / sie / es 他们 / 她们 / 它们** tāmen sie

Dieses Suffix kann auch bei Personenbezeichnungen verwendet werden.

* Zwar haben er, sie und es unterschiedliche Schriftzeichen, die Aussprache ist jedoch für alle drei identisch.
** 她们 wird nur für eine Gruppe von Personen benutzt, die ausschließlich aus Frauen besteht; 它们 nur für Gruppen nichtmenschlicher Wesen, die trotz dieses Umstands einen Plural auf 们 -men bilden können.

Siehe auch

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Literatur

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  • Yuen Ren Chao [Zhao Yuanren 趙元任]: A grammar of spoken Chinese, Zhongguohua de wenfa 中國話的文法 (Berkeley etc., University of California Press 1968; Neuauflage in: Zhao Yuanren quanji 赵元任全集 Bd. 3; Beijing, Commercial Press 2004; ISBN 7-100-03345-4). Immer noch ein unersetzliches Standardwerk.
  • Charles N. Li, Sandra A. Thompson: Mandarin Chinese, A functional reference grammar (Berkeley etc., University of California Press 1981). Ein wichtiges Standardwerk, das neuere linguistische Theorien berücksichtigt.
  • Li Dejin 李德津, Cheng Meizhen 程美珍: Praktische chinesische Grammatik für Ausländer, Waiguoren shiyong Hanyu yufa 外国人实用汉语语法 (Beijing, Sinolingua 1993), ISBN 7-80052-218-0. Grammatik des Chinesischen, wie sie an Hochschulen in China gelehrt wird, mit deutscher Übersetzung (zweisprachig).
  • Mau-Tsai Liu: Deutsch-chinesische Syntax (de Gruyter 1964). Deutsch-chinesische kontrastive Grammatik.
  • Lü Shuxiang 呂叔湘: Zhongguo wenfa yaolüe 中國文法要略 (Shangwu yinshuguan 商務印書館 1957).
  • Qian Wencai: Chinesisch-deutsche kontrastive Syntax (Hamburg, Helmut Buske 1985), ISBN 3-87118-623-6.
  • Wang Li 王力: Zhongguo xiandai yufa 中國現代語法 (Zhonghua shuju 中華書局; 1955). Ein Standardwerk, das beim Chinesisch-Studium in China bis heute Pflichtlektüre ist.
  • Yip Po-Ching [Ye Buqing 葉步青], Don Rimmington: Chinese, A Comprehensive Grammar (Routledge Grammars; Routledge, 2004), ISBN 0-4151-5032-9. Neuere und relativ umfangreiche Grammatik.
  • Gregor Kneussel: Grammatik des modernen Chinesisch (Xiandai Hanyu yufa 现代汉语语法; Beijing, Verlag für fremdsprachige Literatur 2005), ISBN 7-119-04262-9. Neuere Grammatik auf Deutsch.

Einzelnachweise

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  1. Kangle Lu 卢康乐: Die Passivkonstruktionen des Deutschen und des Chinesischen. Eine kontrastive grammatische und pragmatische Untersuchung. Bock + Herchen, Bad Honnef 1990, S. 10.
  2. Claudia Ross, Jing-heng Sheng Ma: Moderne chinesische Grammatik. Ein praktischer Leitfaden der chinesischen Hochsprache. Chinabooks E. Wolf, Uitikon-Waldegg 2016, S. 130.
  3. Jinyang Zhu, Karl-Heinz Best: Zum Monosyllabismus im Chinesischen. In: STUF-Language Typology and Universals. Band 45, Nr. 1-4, 1992, S. 341–355.