Curt Meyer-Clason
Curt Meyer-Clason (* 19. September 1910 in Ludwigsburg; † 13. Januar 2012[1][2] in München) war ein deutscher Übersetzer, Herausgeber und bedeutender Brückenbauer zur lateinamerikanischen und insbesondere zur brasilianischen Literatur.[3]
Leben und Wirken
BearbeitenCurt Meyer-Clason absolvierte nach dem Besuch des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums Stuttgart eine Banklehre, anschließend eine kaufmännische Ausbildung, zunächst (1929–1932) in Stuttgart, dann (1933–1936) in Bremen. Er arbeitete als kaufmännischer Angestellter in Bremen und ab 1936 als selbstständiger Kaufmann für eine nordamerikanische Baumwollfirma in Frankreich, Argentinien und ab 1937 in São Paulo. 1940 eröffnete er ein Kontor in São Paulo.[4] Sein autobiographisch geprägter Roman Äquator spiegelt die Faszination, mit der Brasilien ihn umfing: „Ein Erdteil verschluckte ihn.“[5] Von 1942 bis 1946 war er als „feindlicher Ausländer“ auf der Ilha Grande vor Rio de Janeiro interniert.[6] In dieser Zeit entdeckte er die Literatur. 1955 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete als freier Verlagslektor in München. Ab den 1960er Jahren nahm seine Übersetzertätigkeit, vor allem portugiesischer, spanischer und lateinamerikanischer Autoren, immer breiteren Raum ein.
Von 1969 bis 1976 war Meyer-Clason Leiter des Goethe-Instituts in Lissabon.[7] Er übernahm das Amt noch während der Diktatur des Estado Novo und erlebte die Nelkenrevolution hautnah mit.[3][8] Meyer-Clason lebte danach in München.
Curt Meyer-Clason war Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller, des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland und seit 1981 korrespondierendes Mitglied der Academia Brasileira de Letras in Rio de Janeiro. Er erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: 1975 den Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 1978 den Übersetzerpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie und 1973 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Curt Meyer-Clason, der auch als Erzähler und Essayist hervorgetreten war, hat mit seinen zahlreichen Übersetzungen sowie als Herausgeber von Anthologien einen wichtigen Beitrag zur Rezeption der neueren lateinamerikanischen Literatur im deutschen Sprachraum geleistet.
Curt Meyer-Clason verstarb im Alter von 101 Jahren am 13. Januar 2012. Nachrufe auf ihn erschienen in der FAZ am 19. Januar 2012 und von Tilman Spengler in Die Welt am 20. Januar 2012.
Nachlass
BearbeitenDer Nachlass von Curt Meyer-Clason befindet sich im Archiv des Ibero-Amerikanischen Institutes Preußischer Kulturbesitz (IAI) in Berlin.
Schriften
BearbeitenBelletristik; Autobiographisches; Schriften zur Literaturwissenschaft
Bearbeiten- Literatura alemana actual, Asunción 1969
- Erstens die Freiheit, Wuppertal 1978
- Portugiesische Tagebücher, Königstein/Ts. 1979
- Äquator, Bergisch Gladbach 1986
- Unterwegs, Bergisch Gladbach 1989
- Die Menschen sterben nicht, sie werden verzaubert, München 1990
- Die große Insel, Reicheneck 1995
- Der Unbekannte, München 1999
- Bin gleich wieder da, Weitra 2000
Herausgeberschaft
Bearbeiten- Die Reiher und andere brasilianische Erzählungen, Herrenalb/Schwarzwald 1967
- Letras alemanas contemporáneas [Deutsche Literatur der Gegenwart], Buenos Aires 1968
- Der weiße Sturm und andere argentinische Erzählungen, Tübingen 1969 (zusammen mit Wilhelm Anton Oerley)
- Der Gott der Seefahrer und andere portugiesische Erzählungen, Tübingen 1972
- Brasilianische Poesie des 20. Jahrhunderts, München 1975
- Portugal: Lied der Revolution, München 1975
- Unsere Freunde, die Diktatoren, München 1980
- Lateinamerikaner über Europa, Frankfurt am Main 1987
- Lyrik aus Lateinamerika, München 1988
- Portugiesische Erzählungen des zwanzigsten Jahrhunderts, Freiburg 1988
- Portugiesische Lyrik des 20. Jahrhunderts, München 1993
- Die Lehre der Fremde – die Leere des Fremden, Tübingen 1997
- Modernismo brasileiro und die brasilianische Lyrik der Gegenwart, Berlin 1997
Übersetzungen
Bearbeiten- Adonias Filho: Corpo vivo, Frankfurt am Main 1966; Das Fort, Hamburg 1969
- Rafael Alberti: Zwischen Nelke und Schwert, Schwifting 1986
- Jorge Amado: Die Abenteuer des Kapitäns Vasco Moscoso, München 1964; Dona Flor und ihre zwei Ehemänner, München 1968; Die drei Tode des Jochen Wasserbrüller, München 1964; Nächte in Bahia, München 1965; Vom Wunder der Vögel, Hamburg 1994
- Carlos Drummond de Andrade: Poesie, Frankfurt am Main 1965; E agora José?, Tübingen 1996 (zusammen mit João Cabral de Melo Neto)
- Eugénio de Andrade: Stillleben mit Früchten, München 1997
- Mário de Andrade: Macunaíma – Der Held ohne jeden Charakter, Frankfurt am Main 1982
- Louis Baudin: So lebten die Inkas vor dem Untergang des Reiches, Stuttgart 1957
- Brendan Behan: Borstal boy, Köln 1963
- Isaiah Berlin: Karl Marx, München 1959
- Eric Blau: Der Bettelbecher, Bergisch Gladbach 1994
- Jorge Luis Borges: Buch der Träume, München 1981; David Brodies Bericht, München 1972; Geschichte der Nacht, München 1984; Lob des Schattens, München 1971
- Alphonse Boudard: Die Metamorphose der Kellerasseln, Frankfurt am Main 1966
- Ignácio de Loyola Brandão: Null, Frankfurt am Main 1979
- Geoffrey H. S. Bushnell: Peru, Köln 1957 (zusammen mit Bodo Cichy)
- José Cândido de Carvalho: Der Oberst und der Werwolf, Frankfurt am Main 1979
- Camilo Castelo Branco: Das Verhängnis der Liebe, Freiburg 1988
- Alfred Chester: Meine Augen können ihn sehen, Stuttgart 1957
- Rubén Darío: Gedichte, Schwifting 1983
- Miguel Delibes: Die heiligen Narren, München 1987; Die Ratten, München 1992
- Marco Denevi: Rosaura kam um zehn, Köln 1961
- Jean Descola: Gold, Seelen, Königreiche, Stuttgart 1959
- Antonio di Benedetto: Stille, Frankfurt am Main 1968
- Autran Dourado: Oper der Toten, München 1986
- Luc Estang: Das Glück und das Heil, Köln 1963
- Silvio Giulio Fanti: Ich habe Angst, Stuttgart 1955
- Almeida Faria: Fragmente einer Biografie, Berlin 1980 (zusammen mit Alrun Haase); Passionstag, Frankfurt am Main 1968
- Gabriel García Márquez: Augen eines blauen Hundes, Köln 1982; Bericht eines Schiffbrüchigen, der zehn Tage lang, ohne zu essen und zu trinken, auf einem Floß trieb, der zum Helden des Vaterlandes ausgerufen, von Schönheitsköniginnen geküsst, durch Werbung reich, gleich darauf durch die Regierung verwünscht und dann für immer vergessen wurde, Köln 1982 (zusammen mit Christiane Meyer-Clason); Die böse Stunde, Köln 1979; Chronik eines angekündigten Todes, Köln 1981; Der Herbst des Patriarchen, Köln 1978; Hundert Jahre Einsamkeit, Köln 1970; Laubsturm, Köln 1975; Das Leichenbegängnis der großen Mama und andere Erzählungen, Köln 1974; Die Nacht der Rohrdommeln, Köln 1980; Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt, Köln 1976; Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter, Köln 1974
- Mempo Giardinelli: Heißer Mond, München 1986; Leb wohl, Mariano, leb wohl, München 1987
- José Gorostiza: Bootsgesänge, Aachen 1999, ISBN 3-89086-861-4
- Bernard Gorsky: Moana, Wiesbaden 1959
- Ferreira Gullar: Faule Bananen und andere Gedichte, Frankfurt am Main 1986; Der grüne Glanz der Tage, München 1991 (zusammen mit Inés Koebel); Schmutziges Gedicht, Frankfurt am Main 1985
- Ronald Hardy: Die Männer aus dem Busch, Wiesbaden 1960
- Alan Harrington: Das Leben im Glaspalast, Düsseldorf 1961
- Sean Hignett: Liverpool 8, Köln 1968
- José Lezama Lima: Fragmente der Nacht, München 1994; Paradiso, Frankfurt am Main 1979 (übersetzt zusammen mit Anneliese Botond)
- Clarice Lispector: Der Apfel im Dunkeln, Hamburg 1964; Die Nachahmung der Rose, Hamburg 1996; Die Sternstunde, Frankfurt am Main 1985
- Robert Lowell: Für die Toten der Union, Frankfurt am Main 1969
- Joaquim Maria Machado de Assis: Der geheime Grund, München 1970; Der Irrenarzt, Frankfurt am Main 1978; Meistererzählungen, Hamburg 1964
- Martin Buber, Stuttgart 1963
- Garrett Mattingly: Die Armada, München 1960
- João Cabral de Melo Neto: Ausgewählte Gedichte, Frankfurt am Main 1969; Erziehung durch den Stein, Frankfurt am Main 1989; Der Fluß, St. Gallen 1993; Der Hund ohne Federn, Hamburg 1970; Tod und Leben des Severino, Wuppertal 1975; Der Weg des Mönchs, St. Gallen 1988
- Alberto Moravia: Indienreise, München 1963
- Gerardo Mello Mourão: Pikbube, Reinbek bei Hamburg 1963
- Hector A. Murena: Gesetze der Nacht, Köln 1968
- Vladimir Nabokov: Pnin, Reinbek bei Hamburg 1960
- Fernando Namora: Landarzt in Portugal, Berlin 1992; Spreu und Weizen, Einsiedeln 1963
- Pablo Neruda: Ich bekenne, ich habe gelebt, Darmstadt 1974; Liebesbriefe an Albertina Rosa, Frankfurt am Main 1975
- Carlos de Oliveira: Eine Biene im Regen, Freiburg 1988; Haus auf der Düne, Freiburg 1989; Kleinbürger, Freiburg 1991
- Juan Carlos Onetti: Das kurze Leben, Frankfurt am Main 1978; Die Werft, Frankfurt am Main 1976
- Maurice Percheron: Das wunderbare Leben des Gautama Buddha, Stuttgart 1957
- Jerzy Pieterkiewicz: Sold und Beute, Stuttgart 1957
- José Cardoso Pires: Ballade vom Hundestrand, München 1990; Der Dauphin, Tübingen 1973
- Eça de Queirós: Stadt und Gebirg, Zürich 1963
- Pierre Rambach: Vom Nil zum Ganges, Wiesbaden 1957 (zusammen mit Raoul Jahan und François Hébert-Stevens)
- Darcy Ribeiro: Migo, Zürich 1994; Mulo, Zürich 1990
- João Ubaldo Ribeiro: Brasilien, Brasilien (mit Jacob Deutsch), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988; Sargento Getúlio, Frankfurt am Main 1984
- Augusto Roa Bastos: Menschensohn, München 1962
- Urbano Tavares Rodrigues: Die Hitzewelle, Erkelenz 1997
- João Guimarães Rosa: Corps de ballet, Köln 1966; Doralda, die weiße Lilie, Frankfurt am Main 1982; Das dritte Ufer des Flusses, Köln 1968; Grande Sertão, Köln 1964; Mein Onkel, der Jaguar, Köln 1981; Miguilims Kindheit, München 1970; Sagarana, Köln 1982; Tutaméia, Köln 1994
- Henry Roth: Nenne es Schlaf, Köln 1970
- Olaf Ruhen: Nackt unterm Wendekreis, Wiesbaden 1959
- Fernando Sabino: Schwarzer Mittag (O Encontro Marcado), Köln 1962
- Luis Sánchez Granjel: Miguel de Unamuno, Stuttgart 1962
- José Sarney: Die Söhne des alten Antão, München 1987
- Charles Theodore Seltman: Geliebte der Götter, Stuttgart 1958
- Samuel Selvon: Kehr um, Tiger, Wiesbaden 1960
- Jorge de Sena: Der wundertätige Physicus, Frankfurt am Main 1989
- Gloria Serpa Flórez: Eine graue Persianermütze, München 1983
- Antonio Skármeta: Sophies Matchball, München 1992
- Walter Bedell Smith: General Eisenhowers sechs große Entscheidungen, Bern 1956
- Jacques Soustelle: So lebten die Azteken am Vorabend der spanischen Eroberung, Stuttgart 1956
- Junichiro Tanizaki: Insel der Puppen, Esslingen 1957
- Pedro Tierra: Zeit der Widrigkeiten, St. Gallen 1990
- Miguel Torga: O Brasil, Freiburg 1994; Die Erschaffung der Welt, Freiburg 1991; Findlinge, Freiburg 1993; Neue Erzählungen aus dem Gebirge, Freiburg 1990; Senhor Ventura, Freiburg 1992; Tiere, Freiburg 1989
- Robert Traver: Anatomie eines Mordes, Berlin 1959
- César Vallejo: Menschliche Gedichte, Aachen 1998, ISBN 3-89086-864-9; Die schwarzen Boten, Aachen 2000, ISBN 3-89086-794-4; Spanien, nimm diesen Kelch von mir, Aachen 1998, ISBN 3-89086-863-0; Trilce, Aachen 1998, ISBN 3-89086-865-7
- Vladimir V. Vejdle: Russland, Weg und Abweg, Stuttgart 1956 (zusammen mit Margaretha von Reischach-Scheffel)
- Xavier Villaurrutia: Sehnsucht nach dem Tod – Nostalgia de la muerte, Aachen 2007, ISBN 3-89086-651-4
- Anthony West: Der Erbe, Esslingen a.N. 1956
- Elie Wiesel: Gezeiten des Schweigens, München 1963; Die Nacht zu begraben, Elischa, München 1962; Die Pforten des Waldes, München 1966
- Yongden: Die Macht des Nichts, Wiesbaden 1956
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Curt Meyer-Clason im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Curt Meyer-Clason in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Curt Meyer-Clason auf der Homepage des A1 Verlags
- Curt Meyer-Clason im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Zum Tod Meyer-Clasons: Er hat eigentlich immer den Ton getroffen. Seine Literaturagentin Michi Strausfeld im Gespräch mit Katja Lückert, Deutschlandfunk, 17. Januar 2012
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Website seines Verlages ( vom 16. März 2009 im Internet Archive), abgerufen am 9. Dezember 2022.
- ↑ Traueranzeige Süddeutsche Zeitung ( vom 25. März 2012 im Internet Archive), abgerufen am 9. Dezember 2022.
- ↑ a b „Er hat eigentlich immer den Ton getroffen“, Michi Strausfeld zum Tod des Übersetzers Curt Meyer-Clason, abgerufen am 18. Januar 2012.
- ↑ Orlando Grossegesse: Curt Meyer-Clason. Verwandlungskünstler zwischen Brasilien und Deutschland. In: Tópicos, ISSN 0949-541X, Jg. 49 (2010), Heft 3, S. 48–49, hier S. 48.
- ↑ Zitiert nach: Würdigung ( vom 28. Februar 2017 im Internet Archive) des Deutschen Lusitanistenverbandes zum 100. Geburtstag von Curt Meyer-Clason, abgerufen am 27. Februar 2017. Der nicht namentlich genannte Autor des größten Teils des Textes ist Orlando Grossegesse.
- ↑ Orlando Grossegesse: Curt Meyer-Clason. Verwandlungskünstler zwischen Brasilien und Deutschland. In: Tópicos, Jg. 49 (2010), Heft 3, S. 48–49, hier S. 49.
- ↑ Repräsentant deutscher Kultur am Tejo DLF mit Audiobericht, 7. Januar 2011
- ↑ Goetheinstitut - Meyer-Clason und Marschall von Bieberstein: Goethes Pioniere
Personendaten | |
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NAME | Meyer-Clason, Curt |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Übersetzer, Herausgeber und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 19. September 1910 |
GEBURTSORT | Ludwigsburg |
STERBEDATUM | 13. Januar 2012 |
STERBEORT | München |