Diskussion:Generation (Gesellschaft)

Letzter Kommentar: vor 2 Jahren von Corradox in Abschnitt Einbezug eines Aufsatzes von Bernd Weisbrod

Einbezug eines Aufsatzes von Bernd Weisbrod

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Im Jahr 2005 verfasste Bernd Weisbrod in der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen wöchentlich erscheinenden Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte einen äußerst lesenswerten Beitrag mit dem Titel Generation und Generationalität in der Neueren Geschichte. ([1]) Dieser liefert wichtige Grundlagen zum Verständnis der Kategorie Generation, die diesem Artikel noch fehlen.

Beispielhafte Aussagen:

In letzter Zeit erscheint die dauernde Beschwörung der Generation - nicht nur im öffentlichen Diskurs, sondern auch in der Wissenschaft - […] als das Problem, für dessen Lösung sie sich ausgibt.
Karl Mannheims Unterscheidung von „Generationslagerung,“ „Generationszusammenhang“ und „Generationseinheit“ scheint nicht nur dem klassischen marxistischen [sic!] Problemgegensatz der „Generation an sich“ und der „Generation für sich“ verpflichtet. Sie folgt auch dem Bild des elitär-bürgerlichen Jugendauftrags zur männlichen Erlösung. Was als gesellschaftlich-materialistische Problemdefinition erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Problem der emphatischen Vergemeinschaftung.

Die Aussage Weisbrods enthält hier einen impliziten Vorwurf, der später im Text explizit gemacht wird: Was für Mannheim als „objektiv richtiges Faktum“ erscheint, ist in Wirklichkeit ein Konstrukt, durch das eine „Männergemeinschaft“ begründet und emphatisch gestärkt werden soll. Letztlich umfasst demnach die „verlorene Generation“ keine Frauen und auch niemanden, der nicht im Krieg als sehr junger Mensch an der Front war.
Bei auf diese Weise konstruierten Generationen bestehe, so Weisbrod, auch eine Tendenz zur „Nachheroisierung“ der die Generation konstituierenden Sachverhalte und der übermäßigen Betonung der Wichtigkeit dieser Sachverhalte durch alternde Generationsangehörige. Weisbrod verdeutlicht das am Beispiel der „68er“:

Fragte man in den neunziger Jahren die zwischen 40- und 85-Jährigen nach den für sie wichtigsten prägenden historischen Ereignissen, so dominierte immer das Kriegsende und die im November 1989 eingeleitete Wende, nur neun Prozent der 40- bis 54-Jährigen im Westen nannten „68“, im Osten waren es weniger als ein Prozent. 

Auf angeblich „objektiv richtige“ Aussagen über die Generationen X, Y, Z und Alpha lässt sich leicht Weisbrods Kritik an Mannheims im Kern marxistischem Ansatz anwenden: Auch marketingorientierte Forscher der Gegenwart bzw. der jüngeren Vergangenheit geben/gaben oft vor zu wissen, wie sich (quasi mit „historischer Notwendigkeit“) Generationen entwickeln werden, und zwar nicht nur solche, deren Angehörige bereits leben und älter werden, sondern auch solche, deren Angehörige teilweise noch nicht geboren wurden oder erst Kleinkinder sind. --CorradoX (Diskussion) 11:41, 22. Okt. 2022 (CEST)Beantworten

Was lehrt das letzte Weisbrod-Zitat?
1. Auch nach der Jugendphase gibt es noch Ereignisse, die dem Leben der von ihnen Betroffenen eine völlig neue Richtung geben können, z. B. das Erlebnis der „Wende“ für Ostdeutsche. Die Bedeutung von „Jugenderlebnissen“ wird in der Tradition Mannheims überbewertet.
2. Auch die Betonung des Attributs „einschneidend“ ist unangebracht: Die 73 Jahre („negativen“ im Sinne Johan Galtungs) Friedens in Deutschland bis 1914 wurden von Kriegsbegeisterten als durch „langweiligen Alltag geprägt“ bewertet. So einschneidende Erlebnisse wie den Ausbruch des 1. Weltkriegs gab es aus der Sicht des durchschnittlichen Bürgers in dieser Zeit nicht. Dasselbe gilt für die Zeit zwischen 1945 und 2020. Als bedroht bzw. als Opfer erschienen meistens „andere“, die „hinreichend weit entfernt“ von der eigenen Heimat lebten. Als wirklich bedrohlich erschien den meisten in dieser Zeit (außer vielleicht während der Kubakrise) nur der eigene (sichere!) Tod, was aber zumeist erfolgreich verdrängt wurde, solange das möglich war.
Kurzum: Es ist keineswegs lächerlich, wenn in für sie relativ ruhigen Zeiten Aufgewachsenen z. B. die Erfindung des Smartphones als ein Ereignis erscheint, das eine neue Generation begründet. --91.97.49.80 12:20, 22. Okt. 2022 (CEST)Beantworten
Bei der Lektüre von Aussagen über die Unterschiede zwischen heute lebenden Generationen durch marketingorientierte Menschen mit akademischer Ausbildung (= „Wissenschaftler“ in der emphatischen Bedeutung des Begriffs?) entsteht (sicherlich nicht nur bei mir) sofort das mulmige Bauchgefühl: Woher „wissen“ sie das alles? Was gibt ihnen das Recht, in ihrer Argumentation so (scheinbar) selbstsicher aufzutreten?
Was ich meine, wird bei der Lektüre eines zentralen Zitats Mark McCrindles, des „Erfinders“ der „Generation Alpha“, deutlich:
"We’re talking about Generation Alpha […]. More than 2.5 million are born globally every week. When they have all been born (2025) they will number almost 2 billion - the largest generation in the history of the world. Generation Alpha are defined as those born from 2010-2024. […] Gen Alpha are the most materially endowed generation ever, the most technologically savvy generation ever and they will enjoy a longer life span than any previous generation." ([2])
Demnach wird also Mc Crindle zufolge 2025 die „Generation Alpha“ aus nahezu 2 Milliarden Menschen bestehen, und die wohlhabendste Generation aller Zeiten sein.
Gegen die Formulierung: "All men are created equal" ([3]) in der Unabhängigkeitserklärung der USA vom 4. Juli 1763 wird oft eingewandt, "men" sei im Englischen ein „Teekesselchen“-Begriff (der im Deutschen mit „Menschen“ oder mit „Männer“ übersetzt werden könne), und gemeint sei tatsächlich nicht „Menschen“, sondern „Männer“; auch seien eindeutig Sklaven beiderlei Geschlechts, die es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in den USA gab, nicht mitgemeint. Ein ähnlicher Eindruck könnte durch die Aussage McCrindles entstehen (wenn es im Text nicht die Mengenangabe „fast 2 Milliarden“ gäbe).
Kann und darf man jemanden, der entweder naiverweise Menschen mitzählt, auf die seine Aussagen offensichtlich nicht zutreffen, oder der warum auch immer absichtlich die Unwahrheit schreibt, in einem Artikel berücksichtigen, in dem reputable Ansichten über den Begriff „Generation“ und/oder (angeblich) real existierende Generationen referiert werden sollen? --CorradoX (Diskussion) 11:34, 23. Okt. 2022 (CEST)Beantworten