Aus der Sicht des österreichischen Wirtschaftsforschers Hans Seidel war die Hauptintention von Reinhard Kamitz gegen die "Nebenregierung" der Sozialpartnerschaft gerichtet, und seine Restriktionspolitik vor allem das Ergebnis äußerer Umstände, nämlich der Kürzung der amerikanischen ERP-Hilfe.Vgl.hier: [1]
Seidel meinte unter anderem: Im Herbst 1951 kündigten die Amerikaner an, dass Österreich 1951/52 nur noch 120 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe erhalten werde. Das war sehr viel weniger, als das ERP-Büro als Mindestbedarf festgelegt hatte. Wohl als Reaktion auf die Kürzung der amerikanischen Hilfe fällte das Direktorium der „Europäischen Zahlungsunion“ die Diagnose: Österreich habe eine hohe Inflationsrate und ein hohes Leistungsbilanzdefizit, weil die aggregierte Nachfrage das heimische Angebot übersteige. Als Folge dieser Kritik habe Österreich Ende 1951, also noch bevor Kamitz Finanzminister wurde, die Bankrate erhöht und Abkommen über quantitative Kreditkontrollen eingeführt. Die USA hätten aber im ersten Halbjahr 1952 weitere Stabilisierungsanstrengungen gefordert, etwa einen strikten Ausgleich des Bundeshaushalts auch bei rückläufiger Konjunktur und einen Kreditstopp. Aus Seidels Sicht bestand die geniale Leistung des Reinhard Kamitz vor allem darin, dass er erkannt habe, dass mit dem Rückenwind der Amerikaner und mit dem Einverständnis von Raab ein Stabilisierungskurs gefahren werden konnte, der unter anderen Rahmenbedingungen politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre.Robert Schediwy 10:15, 28. Okt. 2008 (CET)