Domschule Güstrow
Die Domschule Güstrow am Domplatz war eine 1552 durch Herzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg (1525–1576) gestiftete Lateinschule und späteres Gymnasium in Güstrow. Ihr Gebäude von 1575/79 ist der älteste erhaltene Schulbau von Mecklenburg.
Ihre Geschichte begann 1236 als Stiftsschule zur Ausbildung des Kleriker-Nachwuchses, sie ist damit eine der ältesten Schulen im deutschen Sprachraum und die Schule mit der längsten Historie im heutigen Land Mecklenburg-Vorpommern.
Geschichte
BearbeitenEine Schule zur Ausbildung des Kleriker-Nachwuchses lässt sich in Güstrow seit der Gründung des Kollegiatstifts 1236 nachweisen. 1553[2] entstand die Neue Domschule mit der Vereinigung der alten Domstiftsschule und der Ratsschule, einer evangelischen Gelehrtenschule. Deren Gründung war bereits 1540 von Herzog Heinrich dem Friedfertigen verfügt worden. Mit dem Bau wurde jedoch erst 1560 durch Baumeister Philipp Brandin begonnen.[3] Der erste Rektor der Schule, Wolfgang Leupold (1517–1583),[4] war von Philipp Melanchthon empfohlen worden.
Trotz anhaltender Auseinandersetzungen zwischen den Herzögen, die die Schule als Fürstenschule nach sächsischem Vorbild führen wollten, und dem Rat der Stadt Güstrow über die Schulaufsicht entwickelte sich die Domschule in den folgenden Jahrzehnten zur angesehensten Schule des Landes.
Seit 1552 fanden in Güstrow Theatervorstellungen statt. Die Darsteller waren ausschließlich Schüler der Domschule Güstrow. Die Vorstellungen, welche die evangelische Lehre zu verbreiten helfen sollten, wurden bis zum Dreißigjährigen Krieg beibehalten.
1662 wurde der Stadt durch den Permutationsvergleich ein Kompatronat und weitgehende Schulaufsicht eingeräumt. Gleichzeitig wurde die Schulordnung von 1602 überarbeitet. Latein, bisher alleinige Unterrichtssprache, wurde erst ab der dritten Klasse verwendet, die Schule wurde für Bürger geöffnet. Mädchen blieben jedoch weiterhin ausgeschlossen. Weitere Reformen der Schulordnung erfolgten 1752 und, unter dem Rektorat von Adolph Friedrich Fuchs nach dem Vorbild des Unterrichts in den Schulen der Franckeschen Stiftungen, 1789. Obwohl weiterhin der Zugang zur Universität Ziel des Unterrichts blieb, wurde ein Schwerpunkt auf die allgemeine Bildung gelegt, die Schülern zugutekommen sollte, die einen praktischen bürgerlichen Beruf ergreifen wollten. Der Stundenplan sah ein Kurssystem vor, bei dem die Schüler nach ihren Fähigkeiten eingestuft wurden. Nur Latein und Religion blieben für alle Schüler obligatorisch.
1942 wurde die in ihrem Bestand bedrohte Domschule mit dem 1902 gegründeten Realgymnasium, das seit 1934 den Namen des niederdeutschen Dichters John Brinckman trug und bereits die dreifache Schülerzahl aufwies, zusammengelegt. Das alte Gymnasium wurde aufgelöst. Bis 1947 hieß die Schule, die ihren Sitz Am Wall Nr. 6 hatte, Vereinigte John-Brinckman-Schule und Domschule. Das heutige John-Brinckman-Gymnasium feierte 1983 sein 450-jähriges Bestehen.
Gebäude
BearbeitenFür die Domschule wurde 1575 bis 1579 am Domplatz nach Plänen des Baumeisters Philipp Brandin ein eigenes Gebäude im Renaissance-Stil errichtet, das als das älteste erhaltene Schulgebäude in Mecklenburg gilt. Es ist ein dreigeschossiger Ständerbau mit durchgezapften Deckenbalken, Zapfenschloss, Ziegelverblendung und Verputz. 1904 gab es einen Erweiterungsbau. Das Gebäude wurde bis 1974 als Schule genutzt und war danach Magazin des Museums.[5]
Anlässlich des 450. Jubiläums der Domschule im Jahr 2003 wurde die Außenfassade des historischen Schulgebäudes nach alten Befunden rekonstruiert.
Im September 2007 beauftragte die Stadtvertretung den Bürgermeister, ein Gesamtnutzungs- und Sanierungskonzept für den leerstehenden Gebäudekomplex alte Domschule und die ehemalige Kerstingschule zu erarbeiten.[6]
Bibliothek
BearbeitenDie historische Schulbibliothek umfasste zu Beginn des 20. Jahrhunderts 60.000 Bände[7] und war die größte ihrer Art in Mecklenburg. Zeitweilig übernahm sie die Funktion der öffentlichen Bibliothek für Güstrow. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden große Teile des Altbestands in das Museum der Stadt Güstrow überführt, wo sie als kulturgeschichtliche Sammlung geführt wurden. Durch Auslagerung im April 1945 und politische Umstände der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es zu einer weitgehenden Zersplitterung der Bibliothek. Reste befinden sich in der Museumsbibliothek Güstrow, die heute der Uwe-Johnson-Bibliothek angegliedert ist, in der Bibliothek des John-Brinckman-Gymnasiums sowie in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, darunter 19 Inkunabeln in 14 Bänden.[8]
Von der einst bedeutenden Hansenschen Bildersammlung von ca. 50.000 Kupferstichen, die von Senator Georg Wilhelm Hansen (1736–1819) zusammengetragen und seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Bibliothek der Domschule verwahrt wurde, sind ebenfalls nur Reste (ca. 2400 Kupferstiche) im Museum erhalten.
Bekannte Schüler der Domschule und des Realgymnasiums
Bearbeiten- David von Bassewitz (1557–1624), fürstlich mecklenburgischer Rat und Hofmeister
- Georg Völkner (1595–1664), Schüler und Konrektor an der Domschule Güstrow
- Christian Othfar (1609–1660), Theologe, Kirchenlieddichter und Arzt
- Johann Nikolaus Quistorp (1651–1715), evangelischer Theologe
- Johann Christopher Jauch (1669–1725), Superintendent und Autor
- Joachim Daniel von Jauch (1688–1754), Generalmajor und Baumeister Augusts des Starken
- Johann Bernhard Quistorp (1692–1761), Mediziner
- Georg Christoph Detharding (1699–1784), Mediziner und Rektor der Universität Bützow
- Georg Wilhelm Detharding (1701–1782), Lübecker Bürgermeister
- Joachim Ehrenfried Pfeiffer (1709–1787), evangelischer Theologe
- Johann Matthias Martini (1738–1806), Jurist
- Georg Friedrich Kersting (1785–1847), Kunstmaler
- Lorenz Karsten (1751–1829), deutscher Ökonom und Agrarwissenschaftler
- Johann Christian Friedrich Dietz (1765–1833), Pädagoge, Pastor und Publizist
- Friedrich Wilhelm Georg Ackermann (1767–1836), Stadtrichter und Bürgermeister von Bützow
- Wilhelm Goetze (1773–1830), Kreisphysicus in Neustrelitz
- Detlev Friedrich Dreves (1776–1843), Jurist, Advokat und Landsyndikus der Mecklenburgischen Ritterschaft
- Johann Christian (Daniel) Salchow (1782–1829), Rechtswissenschaftler, Hochschullehrer und Schriftsteller
- Heinrich von Bülow (1792–1846), preußischer Staatsmann
- Friedrich Liss (1795–1878), Jurist und Bürgermeister
- Georg Christian Friedrich Lisch (1801–1883), Prähistoriker, mecklenburgischer Altertumsforscher
- Adolf Fuchs (1805–1885), Pastor, Autor, Auswanderer und Siedler in Texas (Sohn des Rektors Adolf Friedrich Fuchs)
- Heinrich Zander (1800–1876), Pastor und Ornithologe in Mecklenburg
- Gustav Lierow (1813–1891), evangelisch-lutherischer Pastor, Dichter und Schriftsteller
- Otto Wachenhusen (1820–1889), MdR im Norddeutschen Bund
- Franz Susemihl (1826–1901), Professor für Klassische Philologie[9]
- Marcus Wolf Hinrichsen (1829–1902), Hamburger Kaufmann und Politiker
- Wilhelm Schmidt (1829–1909), Beamter im Dienst der Mecklenburg-Schweriner Landesregierung
- Albert Schmidt (1836–1912), Jurist, Schriftsteller und Dramatiker
- Hugo Seemann (1856–1932), Aktivist der christlich-sozial orientierten ländlichen Reformbewegung in Mecklenburg
- Paul Krückmann (1866–1943), Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Münster
- Max Heydemann (1884–1956), Politiker (SPD) und Journalist
- Otto Becker (1885–1955), Ordinarius für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Halle[10]
- Erich Lindemann (1888–1945), Phykologe und Taxonom, Reifeprüfung 1907[11]
- Annemarie von Harlem (1894–1983), Politikerin (CDU)
- Kurt Weckmann (1895–1981), Generalleutnant und Kommandeur der 274. Infanterie-Division[12]
- Uwe Johnson (1934–1984), Schriftsteller, Reifeprüfung 1952
Bekannte Lehrer
Bearbeiten- Johannes Freder der Jüngere (1544–1604), 1568–1572 Rektor, dann Professor der Theologie an der Universität Rostock[13]
- Franciscus Omichius (1532–1591), 1566–1572 Konrektor, ab 1572 Rektor als Nachfolger Freders
- Sebastian Meier (1594–1664), Rektor 1619–1629
- Georg Völkner (1595–1664), 1630–1640 Konrektor
- Andreas Gottfried Ammon (1635–1686), evangelischer Theologe, 1663–1667 Rektor
- Karl Joachim Sibeth (1692–1748), Rektor
- Adolf Friedrich Fuchs (1753–1828), 1789–1811 Rektor und Reformer der Schule, 1792 Verleihung des Titels „Professor“, seit 1811 Superintendent zu Güstrow[14]
- Johann Christian Friedrich Dietz (1765–1834), Pädagoge, Pastor und Publizist, ab 1786 Succentor, 1789–1804 Subrektor
- Johann Friedrich Besser (1771–1846), Professor und Rektor, Verfasser der jährlichen Nachrichten über die Domschule (s. Literatur)[15], Ehrenbürger der Stadt Güstrow seit 1843
- Theodor Reuter (1813–1864), Geistlicher und Parlamentarier
- Wilhelm Müller (1886–1969), Pädagoge
- Friedrich Schult (1889–1978), Pädagoge, Dichter, Maler und Grafiker
- Gerhard Böhmer (1895–1978), Lehrer und Schriftsteller
Literatur
Bearbeiten- Nachrichten von der Güstrowschen Domschule. jährlich 1810–1833 (Digitalisate), darin:
- Johann Friedrich Besser: Nachrichten von der Güstrowschen Domschule. Elftes Stück, Güstrow 1823 (Verzeichnis aller Lehrer der Domschule bis 1670)
- Johann Friedrich Besser: Nachrichten von der Güstrowschen Domschule. Zwölftes Stück, Güstrow 1823 (Verzeichnis aller Lehrer der Domschule von 1670 bis 1824)
- Peter Lack: Die Domschule zu Güstrow. In: Güstrower Jahrbuch 2005, S. 81–85, ISBN 3-00-014827-2.
- (Gustav Carl) Heinrich Raspe: Schulnachrichten von der Domschule zu Güstrow. 1853.
- Heinrich Schnell: Das Unterrichtswesen der Grossherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. Berlin: A. Hofmann & Co. 1909 (Monumenta Germaniae Paedagogica), Band 3, S. 382ff.
- Steffen Stuth: Von der Fürstenschule zur modernen Lehranstalt. Zur Geschichte der Domschule. In: Güstrower Jahrbuch 2005, S. 85–91, ISBN 3-00-014827-2.
Weblinks
Bearbeiten- Literatur über Domschule Güstrow in der Landesbibliographie MV
- Eintrag zur Domschulbibliothek in der Bibliothek des Museums der Stadt Güstrow im Handbuch der historischen Buchbestände
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Martin Zeiller: Güstrow. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Saxoniae Inferioris (= Topographia Germaniae. Band 14). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1653, S. T15 (Bildtafel [Wikisource]).
- ↑ Vgl. Joachim Kremer: Das Kantorat des Ostseeraums im 18. Jahrhundert. S. 127 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Vgl. Joachim Kremer: Das Kantorat des Ostseeraums im 18. Jahrhundert. S. 127 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). , S. 127, Fußnote 2 m.w.Nw.
- ↑ Leupold hatte zunächst als Lehrer 1552 den Administrator zu Ratzeburg Christoph von Mecklenburg nach Paris begleitet, wohin dieser 15-jährig als Geisel entsandt worden war. Vgl. Titel. In: www.lexicus.de. Ehemals im ; abgerufen am 31. März 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar) ; Reinhard Kade: Wolfgang Leupold, ein Freiberger Kind, der Erzieher des Herzogs Christoph von Mecklenburg. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins. 27, 1891, S. 49–54.
- ↑ Architekturführer DDR, Bezirk Schwerin, 1984, S. 75
- ↑ Titel. (PDF) In: www.guestrow.de. Güstrower Stadtanzeiger, November 2007, ehemals im ; abgerufen am 31. März 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Handbuch der historischen Buchbestände, herausgegeben von Bernhard Fabian, digitalisiert von Günter Kükenshöner, hier zitiert nach Bibliothek des Museums der Stadt Güstrow. In: www.b2i.de. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Siehe dazu H. Maruardt: Die Inkunabeln der Domschulbibliothek zu Güstrow. Schulprogramm Ostern 1907, S. 24–37
- ↑ Lebensdaten. In: www.stadt-laage.de. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 21. September 2013; abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Otto Becker. In: www.catalogus-professorum-halensis.de. Abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Zur Schulchronik und Schulstatistik – Abiturnachweis. (PDF; 1,6 MB) In: digital.ub.uni-duesseldorf.de. Abgerufen am 31. März 2020 (Digitalisat eines Buches, Kapitel II, Titel nicht zu erkennen).
- ↑ Some of the prisoners held in special camp 11. In: www.camp198.fsnet.co.uk. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 31. März 2020 (Lebenslauf bis 1945).
- ↑ Artikel in: Neues historisches Lexikon. In: www.haff-verlag.de/. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 30. Januar 2010; abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Superintendent Adolf Friedrich Fuchs. In: kenfuchs42.net. Abgerufen am 31. März 2020 (englisch, Lebensdaten Fuchs).
- ↑ Allgemeines Repertorium der Literatur. Bände 3 und 4, 1823, S. 466 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Koordinaten: 53° 47′ 29,8″ N, 12° 10′ 25,9″ O