Eduard Hahn (Ethnologe)

deutscher Agrarethnologe, Geograph und Wirtschaftshistoriker

Eduard Hahn (* 7. August 1856 in Lübeck; † 24. Februar 1928 in Berlin) war ein deutscher Agrarethnologe, Geograph und Wirtschaftshistoriker.

Leben und Wirken

Bearbeiten

Eduard Hahn war ein Sohn von Georg Carl Hahn, des wohl ältesten deutschen Konservenfabrikanten. Seine Schwester Ida Hahn (1869–1942) pflegte die Mutter in Lübeck und zog danach zu ihrem Bruder und forschte ebenfalls als Wirtschaftshistorikerin.[1]

Eduard Hahn studierte ab 1877 Medizin und später Naturwissenschaften an den Universitäten Jena, Greifswald und Leipzig. 1887 promovierte er bei Ernst Häckel in Jena mit einer Dissertation über eine coprophage Käferart. Anschließend ging er nach Berlin, wo er enge freundschaftliche Kontakte mit dem Geographen Ferdinand von Richthofen pflegte. Dieser riet ihm zur Habilitation mit einer historisch-geographischen Studie über die Entstehung und Verbreitung der Haustiere.

Hahn hat dieses Thema gern aufgegriffen. Da er finanziell unabhängig war, ließ er sich jedoch damit viel Zeit. Erst 1910, im Alter von 54 Jahren, habilitierte er sich an der Universität Berlin mit einer Schrift über die Entstehung der Pflugkultur für das Fachgebiet „Geschichte und Geographie der Landwirtschaft“, im gleichen Jahr auch an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. Bis zu seinem Tode wirkte er in Berlin als Privatdozent, seit 1921 mit dem Titel eines außerordentlichen Professors. Eine größere akademische Wirksamkeit konnte er nicht mehr entfalten. 1910 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er war unverheiratet geblieben.

In zahlreichen Veröffentlichungen hat Hahn versucht, die Entstehung der Frühformen des Landbaus und die Domestikation der Haustiere zu erklären. Seine bedeutendste wissenschaftliche Publikation ist das 1896 erschienene Buch Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft der Menschen. In diesem originellen Werk widerlegt er die bis dahin in der Wissenschaft allgemein anerkannte "Dreistufentheorie", nach der sich der Mensch vom Urzustand des Jägers und Fischers über den Nomaden zum sesshaften Ackerbauer entwickelt habe, und ersetzt sie durch eine Theorie der Kultur- und Wirtschaftsformen. Diese neue Theorie wurde zwar von Fachwissenschaftlern (Geographen, Kulturhistorikern, Ethnologen, Soziologen) teilweise sehr kritisch beurteilt, doch die anregenden und geistreichen Überlegungen Hahns beeinflussten über Jahrzehnte die wissenschaftlichen Diskussionen über die Entwicklungsgeschichte menschlicher Arbeit in ländlichen Wirtschaftsformen.

In dem Buch Demeter und Baubo. Versuch einer Theorie der Entstehung unseres Ackerbaus (1896) behandelt Hahn den Zusammenhang der Entstehung der Pflugkultur mit religiösen Sexualanschauungen. Von seinen weiteren Büchern zur Geschichte des Landbaus sind hervorzuheben Die Entstehung der Pflugkultur (1909) und Von der Hacke zum Pflug (1914 u. 1919). In mehreren Aufsätzen, besonders jedoch in seinem Buch Die Wirtschaft der Welt am Ausgang des XIX. Jahrhunderts, (1900) präsentiert sich Hahn als pessimistischer Kulturkritiker und Gegner des Kolonialismus.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bearbeiten
  • Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen. Eine geographische Studie. Mit einer chromolith. Karte: Die Wirtschaftsformen der Erde. Verlag Duncker & Humblot Leipzig 1896.
  • Demeter und Baubo. Versuch einer Theorie der Entstehung des Ackerbaues. Selbstverlag, bei Schmidt in Comm. Lübeck [1896].
  • Die Wirtschaft der Welt am Ausgange des XIX. Jahrhunderts. Eine wirtschaftsgeographische Kritik nebst einigen positiven Vorschlägen. Verlag Carl Winter Heidelberg 1900.
  • Das Alter der wirtschaftlichen Kultur der Menschheit. Ein Rückblick und ein Ausblick. Verlag Carl Winter Heidelberg 1905.
  • Die Entstehung der wirtschaftlichen Arbeit. Verlag Carl Winter Heidelberg 1908.
  • Die Entstehung der Pflugkultur (unsres Ackerbaus). Verlag Carl Winter Heidelberg 1911. – Zugl. Habil.-Schr. Univ. Berlin 1910.
  • Von der Hacke zum Pflug. Verlag Quelle & Meyer Leipzig 1914; 2. Aufl. ebd. 1919 = Wissenschaft und Bildung Bd. 127.

Literatur

Bearbeiten
  • Festschrift Eduard Hahn zum 60. Geburtstag. Dargebracht von Freunden und Schülern. [Redaktionsausschuss: Hugo Mötefindt, Alfred Vierkandt, Walther Vogel]. Verlag Strecker und Schröder, Stuttgart 1917 (= Studien und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde ; Bd. 14) (mit Bild und Schriftenverzeichnis), Digitalisat.
  • Richard Krzymowski: Die agrarhistorischen Theorien Eduard Hahns. In: Landwirtschaftliche Jahrbücher Bd. 53, 1919, S. 485–499.
  • Walter Conradt: Eduard Hahn. In: Hinter Pflug und Buch Jg. 3, 1926/27, S. 208–211.
  • Thies Hinrich Engelbrecht: Eduard Hahn †. In: Geographische Zeitschrift Jg. 34, 1928, S. 257–259.
  • Alfred Vierkandt: Zum Andenken Eduard Hahns. In: Archiv für Geschichte der Mathematik, der Naturwissenschaften und der Technik Bd. 11, Neue Folge II (1928/29), 1929, S. 225–239 (mit Bild).
  • Paul Honigsheim: Eduard Hahn und seine Stellung in der Geschichte der Ethnologie und Soziologie. Ein Wort zum Gedächtnis. In: Anthropos Bd. 24, 1929, S. 587–612 (mit Bild).
  • Walther Vogel: Eduard Hahn, Ethnologe und Geograph. In: Biographisches Jahrbuch Bd. 10 für das Jahr 1928, 1931, S. 88–93.
  • Ulrich Berner: Eduard Hahns Bedeutung für die Agrarethnologie und Agrargeschichte der Gegenwart. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie Jg. 7, 1959, S. 129–141.
  • Ernst Wahle: Hahn, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 504 f. (Digitalisat).
  • Ernst Plewe: Eduard Hahn 1856–1928. In: Geographisches Taschenbuch und Jahrweiser für Landeskunde 1975/76. Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1975, S. 239–246 (mit Bild).
  • Theophil Gerber: Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin. Biographisches Lexikon. Band 1: A–L. 4. Auflage, Nora Verlag, Berlin 2014, S. 267.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Hahn, Ida, in: Bettina Beer: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie. Ein Handbuch. Köln: Böhlau 2007, ISBN 978-3-412-11206-6, S. 71–73.