Entlaubungsmittel
Entlaubungsmittel sind Herbizide, die bei Pflanzen zum raschen Abfallen der Blätter führen. Durch ihren Einsatz kann bei einigen Kulturpflanzen die Ernte erleichtert werden. Militärisch wurden sie u. a. während des Vietnamkriegs zur Entlaubung von Bäumen genutzt, um dem Feind die Deckung zu nehmen. Zudem wurden Entlaubungsmittel eingesetzt, um durch die Schädigung von Pflanzen den Gegner vom Nachschub mit Nahrung abzuschneiden. Dies führte zu Umwelt- und Gesundheitsschäden in erheblichem Ausmaß.
Verwendung in der Landwirtschaft
BearbeitenEntlaubungsmittel werden unter anderem vor der Ernte von Baumwolle, Sojabohnen oder Tomaten eingesetzt. Dazu wurden oder werden S,S,S-Tributyltrithiophosphat (DEF), Tributyltrithiophosphit (Merphos), Natriumchlorat, Magnesiumchlorat, Calciumcyanamid, Natriumpolyborate wie Dinatriumoctaborat, Dimethylarsinsäure (Kakodylsäure), Dimethipin, Diquat und Paraquat verwendet.[1]
Militärisch verwendete Entlaubungsmittel
BearbeitenMilitärische Entlaubungsmittel wurden zuerst im Vereinigten Königreich entwickelt. Ab dem Jahr 1940 wurden bei Imperial Chemical Industries die auf der 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) basierenden Entlaubungsmittel LN8, LN14, LN32 sowie LN33 hergestellt und später getestet.[2] Der geplante Einsatz gegen das „Dritte Reich“ kam infolge des Kriegsendes nicht mehr zustande.[3] Ende der 1940er, anfangs 1950er Jahre setzten die Streitkräfte des Vereinigten Königreichs 2,4,5-T bei der Bekämpfung chinesischer Partisanen in Malaysia („Malayan Emergency“) ein.[4][5]
Als die US-Regierung unter John F. Kennedy Anfang der 1960er Jahre den Einsatz von Entlaubungsmitteln im Vietnamkrieg erwog, wurde vom US-Außenminister Dean Rusk zur Rechtfertigung dieses Einsatzes das britische Vorgehen in Malaysia Anfang der 1950er Jahre als Präzedenzfall herangezogen. Da es damals keine internationalen Proteste oder anderweitige kritische Reaktionen gegeben hatte, betrachtete die Kennedy-Regierung den Einsatz von Entlaubungsmitteln nicht als Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht.[6]
Im Rahmen der Operation Ranch Hand wurden dann ab 1961 von den US-Streitkräften viele tausend Tonnen an Entlaubungsmitteln (englisch defoliants) in Vietnam eingesetzt. Eine Berechnung der zwischen 1961 und 1971 ausgebrachten Gesamtmenge dieser Mittel ergab mehr als 70 Millionen Liter.[7] Teilweise waren die verwendeten Herbizide mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) verunreinigt, einer teratogen (Fehlbildungen bei Embryonen auslösend) und karzinogen (krebserregend) wirksamen Substanz.
Zur Umgehung der unhandlichen chemischen Bezeichnungen wurden die einzelnen Entlaubungsmittel nach der Farbe des Farbbandes bezeichnet, welches zu Identifizierungszwecken auf das entsprechende 55 Gallonen-Lagerungsfass[8] auflackiert worden war, also Agent Pink, Agent Green, Agent Purple usw. (sogenannte „Rainbow Herbicides“)[7]
Name | Zeitraum | Menge (Liter) |
---|---|---|
Agent Pink | 1961–1965 | * 464.164 |
Agent Green | 1961–1965 (?) | 31.026 |
Agent Purple | 1962–1965 | 1.892.773 |
Agent Orange | 1965–1970 | 45.677.937 |
Agent Orange II | nach 1968 (?) | ** 3.591.000 |
Agent White | 1966–1971 | 20.556.525 |
Agent Blue (Pulver) | 1962–1964 | 25.650 |
Agent Blue (wässrige Lösung) | 1964–1971 | 4.715.731 |
* Einsatz von 50.312 l dokumentiert, weitere 413.852 l ausgeliefert, Verbleib unklar; ** ausgeliefert
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Robert Harris, Jeremy Paxman: Eine höhere Form des Tötens. Die geheime Geschichte der B- und C-Waffen. Econ, Düsseldorf u. a. 1986, ISBN 3-430-14052-8.
- Rüdiger Wolfrum, Christiane Philipp: Handbuch Vereinte Nationen. Verlag C.H. Beck, 1991, ISBN 978-3-406-34113-7.
- Veterans and Agent Orange: health effects of herbicides used in Vietnam. Institute of Medicine (U.S.). Committee to Review the Health Effects in Vietnam Veterans of Exposure to Herbicides. Verlag National Academies Press, 1994, ISBN 978-0-309-04887-3.
- Veterans and Agent Orange Update 1996: health effects of herbicides used in Vietnam. Institute of Medicine, Committee to Review the Health Effects in Vietnam Veterans of Exposure to Herbicides. Verlag National Academies Press, 1996, ISBN 978-0-309-05487-4.
- Evelyn Frances Krache Morris: Into the Wind: The Kennedy Administration and the Use of Herbicides in South Vietnam (PDF; 1,2 MB) Dissertation, Georgetown University, 2012
- Robert A. Darrow, George B. Truchalut, Charles M. Bartlett: Technical Report 79 – Oconus Defoliation Test Program (PDF) U.S. Army Biological Center Fort Detrick, Frederick MD 1966
Dokumentarfilm
Bearbeiten- Lighter than Orange – The Legacy of Dioxin in Vietnam, Regie Matthias Leupold, 2015
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Römpp Lexikon Chemie, 10. Auflage 1996, ISBN 3-13-107830-8.
- ↑ Robert Harris, Jeremy Paxman: Eine höhere Form des Tötens. Die geheime Geschichte der B- und C-Waffen. 1986, S. 161+297.
- ↑ Robert Harris, Jeremy Paxman: Eine höhere Form des Tötens. Die geheime Geschichte der B- und C-Waffen. 1986, S. 160.
- ↑ Erin Blakemore: Agent Orange Wasn’t the Only Deadly Chemical Used In Vietnam, history.com, 14. September 2017
- ↑ Robert Harris, Jeremy Paxman: Eine höhere Form des Tötens. Die geheime Geschichte der B- und C-Waffen. 1986, S. 163+297.
- ↑ Auf Seite 28: A 1961 Dean Rusk memo to President Kennedy showed the common belief that Britain previously set a precedent for wartime chemical defoliation. Rusk explained, from 1951 – 53 during the “emergency in Malaya [the British used] helicopters for destroying crops by chemical spraying.” British defoliation had not prompted an international incident, and US officials believed that the world community would also tacitly approve their use of “weed killers.”. In: Neil Shafer Oatsvall; War on Nature, War on Bodies: The United States’ Chemical Defoliant Use During the Vietnam War and Its Consequences (PDF; 2,4 MB) North Carolina State University, 2008
- ↑ a b c Jeanne Mager Stellman, Steven D. Stellman, Richard Christian, Tracy Weber, Carrie Tomasallo: The extent and patterns of usage of Agent Orange and other herbicides in Vietnam. In: Nature. Band 422, Nr. 6933, 17. März 2003, S. 681–687, doi:10.1038/nature01537 (online [PDF]).
- ↑ 55 Gallonen entsprechen ca. 208 Litern
- ↑ Rainbow Herbicides, Agent Orange, and VA Benefits, perkinslawtalk.com