Fetales Kälberserum

Hauptbestandteil vieler Nährmedien

Fetales oder Fötales Kälberserum (FKS) wird aus dem Blut von Kuhfeten gewonnen und ist ein Hauptbestandteil vieler Nährmedien, die zur Aufzucht und Kultivierung von Zellen in der Zellkultur benötigt werden. Die Bezeichnung FKS wird jedoch kaum verwendet, üblicher sind die englischen Bezeichnungen fetal bovine serum (FBS), fetal calf serum (FCS) oder newborn calf serum (NCS).

Fetales Kälberserum

Einsatzgebiete

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Bestandteil von Nährmedien für die Zellkultur

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Fetales Kälberserum enthält eine Vielzahl von Proteinen, von denen heute noch nicht alle bekannt sind. Unter diesen Proteinen befinden sich auch Wachstumsfaktoren, die für das Kultivieren von Zellen in Zellkulturflaschen notwendig sind.

Zusatz bei der Kryokonservierung (Einfrieren)

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Wenn Zellen oder empfindliche Proteine eingefroren werden sollen (Kryokonservierung), wird meist Kälberserum (1 % bis 20 %) zugesetzt, um die Zellen vor Frostschäden zu schützen. Es gibt mittlerweile auch FKS-freie Alternativen.

Unterbindung enzymatischer Reaktionen

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In der Handhabung der Zellkulturen werden häufig Enzyme eingesetzt, hierzu gehört typischerweise das Trypsinieren der Zellen, um sie von der Kulturschale zu lösen. Nach einer Einwirkzeit muss die weitere enzymatische Reaktion unterbunden werden, dies geschieht häufig durch Zugabe von fetalem Kälberserum, da dieses Proteaseinhibitoren, insbesondere α-1-Antitrypsin enthält, dem Enzym aber auch eine große Menge von alternativem Substraten bietet.

Zusammensetzung

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FCS enthält:[1]

  • Serumproteine: Albumin, Fetuin, Globuline (z. B. Immunglobuline, IgG), Haptoglobin, Komplementfaktoren, α1-Antitrypsin (Proteaseinhibitor), α2-Makroglobulin (Proteaseinhibitor)
  • Transportproteine: Transferrin, Coeruloplasmin, Transcortin, Thyroxin-bindendes Globulin, α1-Lipoprotein (HDL), β1-Lipoprotein (LDL), Apolipoprotein
  • Adhäsionsfaktoren: Fibronectin, Laminin, Vitronectin, Kollagen α1
  • Enzyme: Lactat-Dehydrogenase, Alkalische Phosphatase, γ-Glutamyl-Transferase, Alanin-Aminotransferase (ALT/GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST/GOT), Carboxypeptidase, Kreatinkinase
  • Hormone: Insulin, Glucagon, Corticosteroide, Vasopressin, Triiodthyronin (T3), Thyroxin (T4), Parathormon, Wachstumshormon, Hypophysenhormone (glandotrope Faktoren), Prostaglandine
  • Wachstumsfaktoren und Cytokine: Epidermal Growth Factor (EGF), Fibroblast Growth Factor (FGF), Nerve Growth Factor (NGF), Endothelial Cell Growth Factor (ECGF), Platelet-derived Growth Factor (PDGF), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Insulin-like Growth Factors (IGFs), Interleukine, Interferone, Transforming Growth Factors (TGFs)
  • Fettsäuren und Lipide: Freie und Protein-gebundene Fettsäuren, Triglyceride, Phospholipide, Cholesterin, Ethanolamin, Phosphatidylethanolamin
  • Vitamine: Retinol (Vitamin A), Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin/Pyridoxalphosphat, Cobalamin, Folsäure, Nicotinsäure/Nicotinamid, Pantothensäure, Biotin, Ascorbinsäure (Vitamin C), α-Tocopherol (Vitamin E),
  • Elektrolyte (Salze) und Spurenelemente: Na, K, Ca, Mg, Cl, Hydrogencarbonat, Phosphate, Sulfate, Selen, Eisen, Zink und Cu, Co, Cr, I, F, Mn, Mo, V, Ni, Sn
  • Kohlenhydrate: Glucose, Galactose, Fructose, Mannose, Ribose, Intermediärmetabolite der Glykolyse
  • Nichtproteinäre Stickstoffverbindungen: Harnstoff, Harnsäure, Purine und Pyrimidine, Polyamine, Kreatinin, Bilirubin, freie Aminosäuren und Peptide
Bestandteile im FCS[2]
Inhaltsstoff Durchschnittlicher Gehalt Streuung Probenanzahl
Endotoxin 0,356 ng/ml 0,008–10,0 39
Hämoglobin 11,3 mg/dl 2,4–18,1 17
Glucose 125 mg/100 ml 85–247 43
Natrium (Na) 137 meq/l 125–143 43
Kalium (K) 11,2 meq/l 10,0–14,0 43
Chlorid (Cl) 103 meq/l 98–108 43
Stickstoff (Blutharnstoff) 16 mg/100 ml 14–20 43
Gesamtprotein 3,8 g/100 ml 3,2–7,0 43
Albumin 2,3 g/100 ml 2,0–3,6 43
Calcium (Ca) 13,5 mg/100 ml 12,6–14,3 43
Anorg. Phosphor 9,8 mg/100 ml 4,3–11,4 43
Cholesterin 31 mg/100 ml 12–63 43
Harnsäure 2,9 mg/100 ml 1,3–4,1 43
Kreatinin 3,1 mg/100 ml 1,6–4,3 43
Gesamt-Bilirubin 0,4 mg/100 ml 0,3–1,1 43
Direktes Bilirubin 0,2 mg/100 ml 0,0–0,5 43
Alkalische Phosphatase 255 mU/ml 111–352 43
Lactatdehydrogenase 864 mU/ml 260–1215 43
Glutamat-Oxalacetat-Transaminase 130 mU/ml 20–201 43
Selen 0,026 μg/ml 0,014–0,038 25
Cortison 0,05 μg/100 ml <0,1–2,3 43
Insulin 10 μU/ml 6–14 40
Parathyroid 1718 pg/ml 85–6180 41
Progesteron 8 ng/100 ml <0,3–36 42
T3 119 ng/100 ml 56–223 41
T4 12,1 ng/100 ml 7,8–15,6 42
Testosteron 40 ng/100 ml 21–99 42
Prostaglandin E 5,91 ng/ml 0,5–30,48 37
Prostaglandin F 12,33 ng/ml 3,77–42,00 38
TSH 1,22 ng/ml <0,2–4,5 40
FSH 9,5 ng/ml <2–33,8 34
Wachstumshormon 39,0 ng/ml 18,7–51,6 40
Prolaktin 17,6 ng/ml 2,00–49,55 40
LTH 0,79 ng/ml 0,12–1,8 38
Vitamin A 9 μg/100 ml <1–35 16
Vitamin E 0,11 mg/100 ml <s0,1–0,42 16
pH-Wert 7,40 7,20–7,60 40

FKS und GMP

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Unter dem Begriff Good Manufacturing Practice (GMP) (deutsch Gute Herstellungspraxis) sind Reinheits- und Qualitätsrichtlinien zusammengefasst, die bei der Herstellung eines Arzneimittels eingehalten werden müssen. Auch bei der Erzeugung von Zellkulturen für den therapeutischen Einsatz (beispielsweise zum Tissue Engineering oder Stammzelltransplantation) müssen die GMP-Richtlinien beachtet werden.[3] Die Verwendung von Kälberserum ist unter diesen Voraussetzungen aus vielen Gründen nicht möglich. Ein Grund liegt in der Vielzahl unbekannter Proteine, welche zu starken Nebenwirkungen und Allergien bei Patienten führen können. Des Weiteren kann Kälberserum Verunreinigungen enthalten und Krankheiten (z. B. durch Mykoplasmen) übertragen. Daher sind seit einigen Jahren Bestrebungen im Gange, fetales Kälberserum in den Kulturmedien durch synthetische Stoffe mit definierten Eigenschaften zu ersetzen.[4]

Es stehen mittlerweile auch „serumfreie“ Kulturmedien zur Verfügung, die vor allem in der Zelltherapie und Regenerativen Medizin eingesetzt werden.

Herstellung

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Die Vorgehensweise zur Gewinnung der Substanz besteht in der Entnahme der Gebärmutter und des ungeborenen Fötus. Der Fötus wird aus der Hülle entnommen und abgenabelt. Anschließend wird dem Fötus Blut aus dem Herzen entnommen, welches zur Serumsgewinnung verwendet wird.[5][6][7]

Ersatz von FKS

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Forscher an der ETH Zürich arbeiten seit 2005 im Projekt „Serumfrei“ an der Entwicklung eines Ersatzes für FKS. Ziel des Projektes ist es, den Anteil an fetalem Kälberserum in den Zellkulturmedien deutlich zu verringern. Der Ersatz ist eine Mischung aus einzelnen Verbindungen, ist also „chemisch voll definiert“ und entspricht daher dem Qualitätsmerkmal, dass ein Nährmedium standardisiert sein soll. Auch die Kontamination des Nährmediums durch Mykoplasmen lässt sich so verhindern. Ein weiterer Grund für die Entwicklung ist, dass Zellkulturen, die mit FKS hergestellt wurden, als therapeutische Zellen kaum registrierbar sind. Es gibt mittlerweile ein großes Angebot von serum-freien Medien zur Kultivierung von Zelllinien und Stammzellen.[6][8]

Eine weitere Alternative zum fetalen Kälberserum ist das humane Plättchenlysat (HPL), welches aus plättchenreichem Blutplasma gewonnen wird. Neben der Aufbereitung für Forschungszwecke ist es auch in GMP-Qualität erhältlich.

Außerdem gibt es mittlerweile auch tierfrei hergestelltes Serum, bzw. Serumalternativlösung, z. B. NuSera vom indischen Hersteller HiMedia Laboratories.

Kontroverses und Kritik

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Die Organisation Ärzte gegen Tierversuche e.V. kritisiert die Verwendung von fetalem Kälberserum, wofür jährlich etwa ein bis zwei Millionen Tiere getötet werden.[9] Andere Medien wie humanes Bluttplättchen-Lysat (hPL) oder synthetisch hergestellte Ersatzseren seien unkompliziert und kostengünstig in der Herstellung. Da diese Medien aus humanem Material hergestellt werden, sind sie für die Kultivierung humaner Zellen besser geeignet, als fetales Kälberserum.[10] Der Umstieg auf Nährmedien ohne fetales Kälberserum sei bisher nicht erfolgt, weil während der Anpassungsphase der Zellkulturen an das neue Nährmedium Wachstumseinbußen entstünden, die für die Labore kurzzeitig Kosten verursachen könnten.[11]

  1. Gerhard Gstraunthaler, Toni Lindl: Zell- und Gewebekultur. 8. Auflage, Springer, 2021. doi:10.1007/978-3-662-62606-1. S. 95–96.
  2. P. J. Price, E. A. Gregory: Relationship between in vitro growth promotion and biophysical and biochemical properties of the serum supplement. In: In vitro. Band 18, Nummer 6, Juni 1982, S. 576–584, doi:10.1007/BF02810081, PMID 7118138.
  3. Rowley SD: Regulation of hematopoietic stem cell processing and transplantation. In: International Journal of Hematology. Nr. 75, 2002, S. 237–245, PMID 11999350.
  4. Taupin P: Derivation of embryonic stem cells for cellular therapy: Challenges and new strategies. In: Med Sci Monit. Nr. 12(4), 2006, S. RA75–78, PMID 16572064.
  5. Andrea Schrödel: Die Rolle des fetalen Kälberserums in Zellkulturmedien. In Biologie in unserer Zeit, Band 37, Nummer 5, Oktober 2007, Seite 289, ISSN 0045-205X doi:10.1002/biuz.200790079 (PDF; 138 kB)
  6. a b Christoph Meier: Das Projekt „Serumfrei“ - Weniger Dreck in Zellkulturen. In: Webseite ETH Life - wissen was läuft. 5. April 2005, abgerufen am 7. Juni 2024.
  7. Kathrin Burger: Ein grausamer Nebeneffekt. In: Website taz.de. 18. Februar 2005, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  8. [1] Serum-free culturing of mammalian cells – Adaptation to and cryopreservation in fully defined media (PDF-Datei).
  9. Nahrung für Zellkulturen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Dezember 2017; abgerufen am 20. November 2017 (deutsch).
  10. FKS-frei - Nährmedien ohne fetales Kälberserum. Abgerufen am 20. November 2017 (deutsch).
  11. Stellungnahme Fetales Kälberserum. Abgerufen am 20. November 2017 (deutsch).