Giessen, respektive Gießen geschrieben, auch mit einem s, ist ein altes deutschen Hydronym für langsamfließendes Wasser ohne sonderliches Gefälle.

Etymologie

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Das Wort kommt von althochdeutsch giozobewegtes Gewässer‘, mittelhochdeutsch gieze ‚tiefer, langsam fließender Flussarm‘. Die niederdeutsche Variante dürfte gête ‚niedrige Wasserstraße‘ sein.[1]

Es findet sich auch noch fachsprachlich lebendig, für ‚klarer Altarm‘ (in dem Sinne als noch durchflossen und noch nicht zum trüben Stillgewässer degradiert) oder für die laufbegleitenden, heute oft vollkanalisierten Quellbäche und Kleingerinne der Flussebenen und Auen.

Verbreitung und Beispiele

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Das Wort ist naturgemäß im ganzen deutschen Sprachraum heimisch, aber nur lokal häufiger.

Als Giessen werden Grundwasserquellbäche in Auenlandschaften bezeichnet, so zum Beispiel am südlichen Oberrhein zwischen Breisach und Honau (10 km nördlich von Kehl) und in den aargauischen Auen an der Aare wie etwa der Rohrer Giessen.[2] Sie werden von den ergiebigen Grundwasserleitern der Flussgebiete (siehe Oberrhein-Aquifer) gespeist. Das Wasser der Giessen ist kalkreich, sehr nährstoff- und sauerstoffarm und bei relativ konstanter Wasserführung auch im Sommer kühl.

Die Giessen am Rhein liegen eher am Rand der Rheinaue und sind nur zum Teil in die Hochwasserdynamik des Rheins einbezogen.[3]

Das Naturschutzgebiet Taubergießen ist nach einem derartigen Giessen benannt.

In der Schweiz sind Giessen Wasserfälle kleinerer und kleinster Gewässer, unabhängig von ihrer Fallhöhe. Meist fallen sie über Nagelfluh- oder Sandsteinfelsen, wie bei Wissengubel und Greiselgubel-Giessen[4] in der Gemeinde Fischenthal. In frostigen Wintern bilden sie phantastische Eis-Szenarien.[5][6]

Weiter nördlich im Rheintal, im Raum Karlsruhe, bezeichnet Giessen einen schmalen, tiefen Rheinarm mit hohen Ufern und ohne Sand- oder Kiesbänke.[7]

Einzelnachweise

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  1. Deutsches Gewässernamenbuch, Verlag Walter de Gruyter, 2014, ISBN 978-311033859-1, S. 174, Sp. 2
  2. Giessen in der Auenlandschaft an der Aare (Memento des Originals vom 17. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ag.ch
  3. Richard Pott, Dominique Remy: Gewässer des Binnenlandes. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-8001-5644-3, S. 141 f;
    Elmar Briem: Die Gewässerlandschaften Baden-Württembergs. (=Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie, Band 53) Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe 1999, S. 43 f. (Download)
  4. Elisabeth Zingg: Greiselgubel-Wasserfall. In: Nagra Blog - Erdwissen, Menschen, Hintergründe, Wissenschaft. Nagra, 31. Juli 2020, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  5. Verein Natur und Landschaft der Region Basel: Naturräume Flusslandschaften Eibach. Verein Natur und Landschaft der Region Basel, 2020, abgerufen am 28. November 2021.
  6. Geoblog.ch: #1239-Wissengubel bei Gibswil ZH. In: Die Schweiz in Rätseln entdecken. retoxofehn, 12. März 2021, abgerufen am 8. Dezember 2021.
  7. Ernst Schneider: Die Karlsruher Naturlandschaft im Spiegel der Flurnamen. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 108(1963), ISSN 0044-2607, S. 134–184, hier S. 139.