Als Glasrecycling wird das Sammeln und stoffliche Wiederverwerten von gebrauchtem Glas bezeichnet, wobei das Altglas in der Glasschmelzwanne eingeschmolzen wird. Die Wiederbefüllung von Verpackungsgläsern ist demgegenüber ein direkteres Verfahren der Wiederverwendung. Aufgrund chemischer Unterschiede werden Hohlglas und Flachglas getrennt recycelt. Zu den Besonderheiten des Flachglasrecycling siehe hier.

Sammel-Iglus für Altglas in Berlin
Altglas-Sammelstelle in München

Geschichte

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Archäologische Funde und historische Quellen belegen, dass Glasbruch bereits in der Antike bis hinein in das Mittelalter und in die Neuzeit bei der Glasherstellung benutzt wurde.[1][2]

Die Pioniere im großflächigen, industriellen Glasrecycling waren die DDR (1960er), die BRD, Österreich[3] und die Niederlande (1970er)[4] sowie England und Skandinavien (1980er).

Glasrecycling gilt als die Urform moderner Kreislaufwirtschaft. Die Herstellung von Glas aus alten Scherben spart Rohstoffe und vor allem Energie – das Aufschmelzen des Ausgangsstoff-Gemisches erfordert weniger Zeit und geringere Temperaturen.

Dank Glasrecycling und dem Einsatz moderner Technologien sank der Energieeinsatz bei der Glasherstellung seit 1970 um 77 %.[5]

Altglas-Aufbereitung

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Entleerung eines Altglascontainers in Wien
 
Haufen mit Altglas

Die Einsammlung von Altglas erfolgt im Allgemeinen durch Einwurf in öffentliche Glascontainer, wobei nach Farben getrennt wird. In Deutschland wird hierbei zwischen Weiß-, Grün- und Braunglas unterschieden. Sonderfärbungen wie etwa Blau- oder Rotglas werden mit dem Grünglas erfasst.[6] In Österreich werden bei der Sammlung lediglich ungefärbte Glasverpackungen (Weißglas) und gefärbte Glasverpackungen (Buntglas) unterschieden. Die Farbtrennung ist wichtig für den Recyclingprozess, denn eine grüne Sektflasche beispielsweise führt zu ungewollten Farbstichen im Schmelzprozess für farbloses Glas. Umgekehrt führt die Zugabe von farblosem Glas bei einer Schmelze für buntes Glas zu Glasfehlern und auch unerwünschten Farbänderungen des fertigen Produktes.[7] Buntglas wird für Produkte eingesetzt, für die Lichtschutz erforderlich ist (z. B. Milch, Medikamente und Bier). Mittlerweile ist es möglich, auch farblich gemischte Scherben mit Hilfe elektro-optischer Sortiermaschinen zu trennen; durch eine vorherige getrennte Erfassung der verschiedenfarbigen Glassorten wird allerdings auch hier das Sortierergebnis verbessert.

In Österreich werden in 2007 mehr als 200.000 t gebrauchte Glasverpackungen gesammelt, das sind rund 700 Millionen Glasverpackungen[8]. Eine Steigerung auf mehr als 260.000 t konnte dort erreicht werden[9].

In Deutschland werden jährlich rund 2 Millionen t Recyclingglas gesammelt und erreichte in 2019 eine Quote von 84,1 %.[10] Die Recyclingquote in Europa (EU+UK) beträgt 79 %[11] und in der Schweiz bereits (Stand 2020) 99 %.[12]

Die gesammelten Glasverpackungen sind Rohstoff für die Produktion neuer Glasverpackungen. Ihr Anteil kann 60–90 % am Rohstoffgemenge im Glaswerk sein (bei Grünglas etwa 90 %, bei Weißglas etwa 60 %). In Österreich wird Glas in den Glaswerken der Vetropack Austria GmbH in Pöchlarn/NÖ und Kremsmünster/OÖ sowie der Stölzle Oberglas GmbH in Köflach/STMK recycelt.[13]

Die gebrauchten Glasverpackungen werden eingeschmolzen und zu neuen geformt. Vor der Schmelze wird der Glasabfall händisch sowie maschinell von falschen Glasarten, Glasstücken der falschen Farbe und Fremdstoffen befreit.

Im Recyclingprozess können zwischen 3 und 7 Prozent des Altglases wegen Verunreinigungen nicht wieder aufbereitet werden. Dieses Material wird zum Beispiel zu Blähglasgranulat verarbeitet.[14] Dieser Leichtfüllstoff wird in Produkten der Trockenmörtel- und bauchemischen Industrie, in Akustikplatten, in massiven Wandbaustoffen sowie in der Altbausanierung verwendet.

Prozess der Aufbereitung von Altglas für die Produktion von neuen Glasverpackungen

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Altglas im Schmelzofen
  • Abtrennung von Eisenteilen mit Magnetscheider
  • Erfassung größerer Fremdstoffe per Hand
  • Zerkleinerung auf 15 mm im Brecher
  • Sieben auf Lochsiebrinne, dabei werden Fremdstoffe, die leichter als Glas sind, abgetrennt.
  • Entfernung lichtundurchlässiger Materialien (z. B. Keramik, Aluminium, Kunststoffverschlüsse) mittels optischer Verfahren
  • Nachsortierung per Hand
  • Erfassung restlicher eisenhaltiger Stoffe mittels Magnetscheider
  • Farbtrennung
  • abschließende Kontrolle
  • Einschmelzung – Neue Formgebung

Fehlfarben

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Weißglas soll nicht mehr als 0,2 % Grünglas, 0,3 % Braunglas und 0,2 % anderes Buntglas enthalten. Grünglas sollte zu mindestens 70 % aus Grünglas und höchstens 10 % Braunglas bestehen, Braunglas sollte zu mindestens 80 % aus Braunglas bestehen.[15] Andere Farben, z. B. blau, sind beim Grünglas einzuwerfen, denn dieses verträgt am ehesten Fehlfarben.[16]

Probleme durch Verunreinigungen

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Probleme bereiten Keramik, Steine, Porzellan (KSP), die nicht aufgeschmolzen werden können. Sie verursachen Glasfehler durch lokale Spannungsüberhohung und führen zum Bruch der neuen Glasverpackungen schon bei Fertigung oder dem Befüllen.[17] Dabei werden strenge Grenzwerte vorgegeben. Dieser beträgt für Keramik, Steine und Porzellan insgesamt maximal 25 g je Tonne Altglas und für Nichteisenmetalle maximal 5 g. Zudem sind Grenzwerte für Eisenmetalle und für organische Bestandteile wie Kunststoffe und Papier zu unterschreiten.[18]

Hitzebeständiges Borosilikatglas, das als Laborglas, in Backofentüren, Mikrowellenherden, Glaskannen von Kaffeemaschine sowie Deckeln von Kochgeschirr vorkommt, schmilzt wegen des höheren Schmelzpunktes nicht völlig auf und führt so zu Problemen in der Anlage (erhöhte Viskosität).[19]

Barium- und Bleiglas („Kristall“) haben einen erhöhten Brechungsindex und sind außerdem aufgrund des Schwermetallgehalts unerwünscht.

Bewertung

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Vorteile von Glasrecycling

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Für 1 m³ Primärrohstoff müssen 7 m³ Gestein abgebaut werden. Der Einsatz von gebrauchten Glasverpackungen reduziert den Bedarf an Primärrohstoffen und schont den Naturraum. Gebrauchte Glasverpackungen brauchen zum Schmelzen niedrigere Temperaturen und daher weniger Energie als das Gemenge an Primärrohstoffen (Quarzsand, Kalk, Dolomit und Soda). Dies hat auch eine Reduktion der CO2-Emissionen zur Folge.[20]

  • Glasrecycling ist ökologisch vorteilhafter als die Neuproduktion, da der Schmelzpunkt von reinem Quarz bei 1700 °C liegt und das Schmelzen (Läutern) aus frischen Rohstoffen daher sehr energieaufwändig ist.
  • Das Einschmelzen von sortenreinem Altglas ist in jedem Fall sinnvoll, da der Altstoff zu 100 % in das Produkt eingeht. Zum Erschmelzen von Glas aus Rohstoffen würde bis zu 25 % mehr Energie benötigt.

Wiederverwenden oder Einschmelzen?

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Meistens ist die Energiebilanz von Mehrwegflaschen um einiges besser als beim Einschmelzen (Recycling).[21] Welche Option energetisch und ökologisch sinnvoller ist, hängt von vielen Faktoren ab:

  • Länge des Transportweges (wobei Altglas zunächst günstiger zu transportieren ist)
  • Aufwand der Aufbereitung (etwa Sortieren/Reinigung/Spülen gegenüber Einschmelzen und Neuformung)
  • Wiederbefüllung ist nur bei standardisierten Formen möglich
  • (Kosten für) Energieträger, etwa Erdgas, Wasser und Strom

Nationales

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Der niederländische Unternehmer und Bier­brauer Alfred Heineken entwickelte die „WOBO“ („world bottle“, deutsch: „Weltflasche“), eine Bierflasche mit annähernd rechteckigem Querschnitt, die nach Gebrauch mit Mörtel gefüllt als Baustoff dienen sollte. Die Idee kam ihm, als er 1960 die Karibik­insel Curaçao besuchte und den Strand übersät mit leeren Bierflaschen fand, da das Zurücksenden zu den Brauereien für die Inselbewohner zu teuer gekommen wäre. Heineken wollte damit die Bierflaschen recyceln und zugleich ein günstiges Baumaterial für die verarmten Unterschichten der Insel schaffen. Die Idee kam über das Konzeptstadium und die Herstellung einiger Musterflaschen nicht hinaus.[22]

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Commons: Glass recycling – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Sylvia Fünfschilling: Glasrecycling bei den Römern. (PDF) In: NIKE-Bulletin 6 | 2011. Nationale Informationsstelle für Kulturgüter-Erhaltung, 2011, abgerufen am 13. Dezember 2022.
  2. Glas in der Frühen Neuzeit. (PDF) Herstellung, Verwendung, Bedeutung, Analyse, Bewahrung. In: Heidelberg University Publishing https://heiup.uni-heidelberg.de. Annette C. Cremer u. a., 2022, abgerufen am 13. Dezember 2022.
  3. 45 Jahre Glasrecycling, 1/2022
  4. W.L. Dalmijn: Glass recycling prospects and limitations. In: Resources and Conservation. Band 14, März 1987, S. 195–204, doi:10.1016/0166-3097(87)90022-8.
  5. Deutsche Umwelthilfe, Informationsblatt 9730-050.
  6. Richtig Glasrecyceln. www.was-passt-ins-altglas.de, abgerufen am 21. Januar 2021.
  7. Hans Jebsen-Marwedel: Glastechnische Fabrikationsfehler. 4. Auflage, 1980, S. 214, 232 f.
  8. Nachhaltigkeitsbericht mit Umwelterklärung 2007. Austria Glas Recycling GmbH, 20. Juni 2007, abgerufen am 10. November 2022.
  9. Glasrecyclingdaten. Altglassammlung und Glasrecycling in Österreich. Austria Glas Recycling, abgerufen am 10. November 2022.
  10. Warum Glas recyceln? Initiative der Glasrecycler im Aktionsforum Glasverpackung im Bundesverband Glasindustrie e. V., abgerufen am 9. November 2022.
  11. Europe’s glass value chain confirms steady progress at 79% glass collection for recycling. 9. September 2022, abgerufen am 9. November 2022 (englisch).
  12. Stephan Dietrich: Zahlen und Fakten. In: VetroSwiss. Abgerufen am 24. März 2022.
  13. Glas recyceln. Aus alten Glasverpackungen werden neue. Austria Glas Recycling , abgerufen am 14. Dezember 2022.
  14. Was ist Blähglas und wofür wird es verwendet? 4. August 2016, abgerufen am 22. März 2021.
  15. Aktuelle Markttrends im Glasrecycling - recovery. Abgerufen am 13. Dezember 2022.
  16. Blau gehört in Grün – Eine kleine Altglas-Farbenkunde. Abgerufen am 13. Dezember 2022 (deutsch).
  17. Peter Kurth, Anno Oexle, Martin Faulstich: Praxishandbuch der Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft. Springer-Verlag, 2017, ISBN 978-3-658-17045-5, S. 306–7 (google.com).
  18. Glas und Altglas. In: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), dieses vertreten durch den Präsidenten des Umweltbundesamtes, 22. September 2022;.
  19. Debasish Sarkar: Ceramic Processing: Industrial Practices. CRC Press, 2019, ISBN 978-1-351-38160-4, S. 271 (google.com).
  20. Umwelterklärung 2006 der Austria Glas Recycling GmbH (PDF; 1,7 MB) (Memento vom 31. März 2010 im Internet Archive)
  21. Stephan Dietrich: Altglas: Glas-Recycling hat schlechte Ökobilanz. In: beobachter.ch. 12. Juli 2019, abgerufen am 3. August 2019.
  22. Paul Petrunia: The Heineken WOBO (World Bottle). In: archinect.com, 26. September 2007 (englisch).