Haarsches Maß

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Das Haarsche Maß wurde von Alfréd Haar in die Mathematik eingeführt, um Ergebnisse der Maßtheorie in der Gruppentheorie anwendbar zu machen.

Es ist eine Verallgemeinerung des Lebesgue-Maßes. Das Lebesgue-Maß ist ein Maß auf dem euklidischen Raum, das unter Translationen invariant ist. Der euklidische Raum ist eine lokalkompakte topologische Gruppe bezüglich der Addition. Das Haarsche Maß ist für jede lokalkompakte (im Folgenden immer als hausdorffsch vorauszusetzende) topologische Gruppe definierbar, insbesondere also für jede Lie-Gruppe. Lokalkompakte Gruppen mit ihren Haarschen Maßen werden in der harmonischen Analyse untersucht.

Definition

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Ein (linkes) Haarsches Maß einer lokalkompakten Gruppe   ist ein linksinvariantes reguläres Borelmaß, das auf nichtleeren offenen Teilmengen positiv ist.

Ein Maß   heißt dabei linksinvariant, wenn für jede Borelmenge   und jedes Gruppenelement  

 ,

oder in Integralschreibweise

 

für integrierbare Funktionen   und Gruppenelemente   gilt.

Ersetzt man „linksinvariant“ durch den analogen Begriff „rechtsinvariant“, erhält man den Begriff des rechten Haar-Maßes. Das linke und das rechte Haarmaß existieren in jeder lokalkompakten topologischen Gruppe und sind jeweils bis auf einen Faktor eindeutig bestimmt. Stimmen sie beide überein, so heißt die Gruppe unimodular. Abelsche (lokalkompakte) Gruppen sowie kompakte Gruppen sind unimodular.

Beweis der Existenz

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Nach einer Variante des Darstellungssatzes von Riesz-Markow reicht es aus, die Existenz eines stetigen, positiven, linksinvarianten, linearen Funktionals auf den nicht-negativen, reellwertigen, stetigen Funktionen mit kompaktem Träger auf einer lokalkompakten Gruppe   zu zeigen. Im reellen Fall wäre ein Beispiel für ein solches das Riemann-Integral, das sich zum Lebesgue-Integral fortsetzen lässt und damit das Lebesgue-Maß induziert. Der Beweis der Existenz ist nicht-konstruktiv über den Satz von Tychonoff möglich.

Hierzu definiert man zunächst für je zwei nicht-negative, stetige Funktionen mit kompaktem Träger   mit   die Überdeckungszahl   als

 ,

wobei   die Linksverschiebung bezeichne, das heißt  . Für immer „feineres“   wird die Überdeckung dann immer „genauer“, wobei jedoch die Überdeckungszahl üblicherweise immer größer wird. Dies lässt sich durch eine Normierung in den Griff bekommen, man definiert

 

für ein beliebiges   ungleich null. Dieses Funktional ist jedoch im Allgemeinen immer noch nicht linear – es ist zwar homogen, aber im Allgemeinen nur subadditiv und nicht additiv. Entscheidend für den weiteren Beweis ist dann folgende Ungleichung:

 .

Man betrachte nun den Umgebungsfilter des neutralen Elements in   und bilde den Bildfilter unter der Abbildung, die jedem   die Menge aller   zuordnet, für die der Träger von   in   enthalten ist. Dadurch erhält man dank der Abschätzung einen Filter im Raum   und dieser Raum ist nach dem Satz von Tychonoff kompakt. Der Filter besitzt somit einen Berührpunkt, man rechnet nach, dass ein solcher Berührpunkt alle gewünschten Eigenschaften hat, insbesondere linear ist, also ein linkes Haar-Integral ist.[1][2]

Eigenschaften

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Das Haarsche Maß einer lokalkompakten topologischen Gruppe ist genau dann endlich, wenn die Gruppe kompakt ist. Diese Tatsache ermöglicht es, eine Mittelung über unendliche kompakte Gruppen durch Integration bezüglich dieses Maßes durchzuführen. Eine Folge ist beispielsweise, dass jede endlichdimensionale komplexe Darstellung einer kompakten Gruppe unitär bezüglich eines geeigneten Skalarproduktes ist. Eine einelementige Menge hat genau dann ein Haarmaß ungleich null, wenn die Gruppe diskret ist.

Beispiele

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  • Das Lebesguemaß auf   und   ist das Haarsche Maß auf den additiven Gruppen   bzw.  .
  • Sei   die Kreisgruppe, also die kompakte Gruppe der komplexen Zahlen vom Betrag 1 mit der üblichen Multiplikation komplexer Zahlen als Verknüpfung. Bezeichnet   das Lebesguemaß auf dem Intervall   und   die Funktion  , so ist das Haarsche Maß   gegeben durch das Bildmaß  , das heißt   für jede Borelmenge  .
  • Ist   die allgemeine lineare Gruppe, so ist das Haarsche Maß durch   gegeben, wobei   das Lebesguemaß auf   ist.
  • Für eine diskrete Gruppe ist das Zählmaß Haarsches Maß.
  • Das Haarsche Maß auf der multiplikativen Gruppe   ist durch die Formel   gegeben, wobei   das Lebesguemaß ist.

Die modulare Funktion

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Ist   ein (linksinvariantes) Haarsches Maß, dann ebenfalls die Zuordnung  , wobei   ein festes Gruppenelement ist. Wegen der Eindeutigkeit des Haarschen Maßes existiert eine positive reelle Zahl  , so dass

 .

  ist ein stetiger Gruppenhomomorphismus von der Gruppe in die multiplikative Gruppe der positiven reellen Zahlen, der modulare Funktion genannt wird.   misst, wie sehr ein (linkes) Haarmaß auch rechtsinvariant ist; und eine Gruppe ist genau dann unimodular, wenn ihre modulare Funktion konstant ist.

Literatur

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  • Lynn H. Loomis: An Introduction to Abstract Harmonic Analysis. D. van Nostrand Co., Toronto u. a. 1953.
  • Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston MA 1980, ISBN 3-7643-3003-1.

Einzelnachweise

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  1. Nicolas Bourbaki: VI. Integration (= Elements of Mathematics). Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-20585-3, VII, S. 6 ff.
  2. Gerald B. Folland: Real Analysis. Modern Techniques and Their Applications. 2. Auflage. John Wiley & Sons, New York 1999, ISBN 0-471-31716-0, S. 342 ff.