Hans Multscher

deutscher Bildhauer und Maler (um 1400–1467)

Hans Multscher (* um 1400 in Reichenhofen; † 1467 in Ulm) war ein deutscher Bildhauer und Maler.

Die Auferstehung Christi, Gemäldegalerie Berlin
Der Schmerzensmann (Kopie) am Mittelpfeiler des Westportals des Ulmer Münsters

Nach Lehrjahren in seiner Allgäuer Heimat lernte er während seiner Wanderjahre die künstlerischen Neuerungen in Nordfrankreich bzw. den Niederlanden kennen. 1427 wurde er in Ulm als freier Bürger aufgenommen. Im selben Jahr heiratete er die Bürgerstochter Adelheid Kitzin. Multscher war als Bildhauer, Maler und Modelleur tätig und unterhielt bis zu seinem Tode im Jahr 1467 eine umfangreiche und angesehene Werkstatt. In dieser Werkstatt wirkte unter anderem – mit eigener Hand – auch sein Bruder Heinrich Multscher mit.

Bedeutung

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Unter der Vielzahl talentierter, meist namenloser Künstler des 15. Jahrhunderts ragt Multscher hervor als starke Persönlichkeit, die sich über Jahrzehnte ständig weiterentwickeln konnte. Er war Wegbereiter des aus den burgundischen Niederlanden nach Deutschland gelangenden Realismus, der den „weichen Stil“ seiner Zeitgenossen (z. B. Meister Francke, Stefan Lochner, Meister Hartmann) ablösen sollte. Im Wurzacher Altar von 1437 (Berlin) steigert sich sein Realismus zur betonten Hässlichkeit; in den Schnitzfiguren des Sterzinger Altars (ab 1456) jedoch fand er eine große, heitere und ernste Form wieder. Der Revolutionär war zum Klassiker geworden.

Mit seinem Spätwerk wurde Multscher zum Wegbereiter für Jörg Syrlin (den Älteren), Michel Erhart, Gregor Erhart, Veit Stoß, Adam Kraft, Tilman Riemenschneider u. a. und gilt damit als früher Vertreter und Mitbegründer der Ulmer Schule.

„Die Greifweite seines Gefühlslebens war von fast einmaliger Spannung … Es ist ein faustisches Wesen in ihm“ (W. Pinder, 1937).

 
Anbetung der Könige, Altarbild von Hans Multscher, Multscher-Museum Sterzing, Südtirol

Um 1429 fertigt er den Schmerzensmann am Westportal des Ulmer Münsters. Im Bildersturm (1531) wahrscheinlich verlorengegangen und kaum mehr rekonstruierbar sind die Figuren der sogenannten Karg-Nische an der rechten Ostwand (im Innern) des Ulmer Münsters, ursprünglich ein 1433 im Auftrag der Familie Karg errichteter Wandaltar mit Darstellung der Verkündigung. Weitere Altäre Multschers sind der Landsberger Altar (1437), der Heiligenkreuzthaler Altar (1450, Altheim bei Riedlingen) und der Altar in Sterzing (Südtirol). Neben der Sterzinger Muttergottes sind an Plastiken noch die Reichenhofer (1425), die Landsberger und die Bihlafinger (ab 1455) Madonnenfiguren erhalten, weiter zwei Engel vom Sterzinger Flügelaltar (im Bayerischen Nationalmuseum München), die Grabmalvisierung für Herzog Ludwig den Gebarteten von Bayern-Ingolstadt (ebenfalls München, BNM) sowie die Plastiken für das Prachtfenster des Ulmer Rathauses, die sogenannte Kaisergruppe am Ostfenster. Im Liebieghaus in Frankfurt am Main wird eine Alabasterskulptur des Gnadenstuhls von Hans Multscher (um 1430) aufbewahrt.

Ehrungen

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  • Hans-Multscher-Gymnasium Leutkirch im Allgäu
  • Hans-Multscher-Schule Ulm

Literatur

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  • Wilhelm Pinder: Die Kunst der ersten Bürgerzeit. 3. Auflage, Seemann, Köln 1952 [1937], S. 308 ff.
  • Alfred Schädler: Die Frühwerke Hans Multschers. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 15 (1955), S. 385–444.
  • Manfred Schröder: Das plastische Werk Multschers in seiner chronologischen Entwicklung (= Tübinger Forschungen zur Kunstgeschichte 10). Tübingen 1955.
  • Herbert Beck, Maraike Bückling: Hans Multscher: Das Frankfurter Trinitätsrelief. Ein Zeugnis spekulativer Künstlerindividualität. Frankfurt am Main 1988.
  • Siegfried Tann, Bernd Wiedmann (Hrsg.): Wege zu Hans Multscher von Reichenhofen. Maler und Bildhauer in Ulm 1400–1467 (= Kunst am See 22). Friedrichshafen 1991.
  • Ulrich Söding: Hans Multscher – Der Sterzinger Altar. Athesia, Bozen 1991, ISBN 88-7014-611-1.
  • Irmtraud Dietrich: Hans Multscher. Plastische Malerei – malerische Plastik. Zum Einfluß der Plastik aus die Malerei der Multscher-Retabel. Dissertation Ruhr-Universität Bochum, Bochum 1992.
  • Rainald Grosshans: „Hans Multscher hat das Werk gemacht“. Die Flügel des „Wurzacher Altars“ und ihre Restaurierung. In: Museumsjournal 10.3 (1996), S. 78–80.
  • Manfred Tripps: Multscher, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 576 f. (Digitalisat).
  • Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik in Ulm. Eine Ausstellung des Ulmer Museums und des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart im Ulmer Museum, Ulm 1997.
  • Konrad Goehl: Faltenzählen ist leichter. Zur Transkription der Karg-Inschrift im Multscher-Katalog. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 17 (1998), S. 537.
  • Alfred Schädler: Überlegungen zu Hans Multschers frühen Steinbildwerken. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 49 (1998), S. 35–46.
  • Manfred Tripps: Hans Multschers Frankfurter Gnadenstuhl, ehemaliges Herzstück einer „Vierge Ouvrante“?. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 58 (1999), S. 99–111.

Weitere Bilder

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Commons: Hans Multscher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien