Hermann Maas (Theologe)

deutscher christlicher Widerstandskämpfer und Theologe

Hermann Ludwig Maas (* 5. August 1877 in Gengenbach, Baden; † 27. September 1970 in Mainz-Weisenau) war ein evangelischer Pfarrer und Pionier des jüdisch-christlichen Dialogs. Er war Zionist und lebenslanger Freund Martin Bubers. Ab 1915 war er Pfarrer an der evangelischen Hauptkirche, der Heiliggeistkirche, in Heidelberg und ab 1933 Mitglied im Pfarrernotbund.[1] 1952 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Heidelberg gewählt.

Nach seiner Schulzeit in Gernsbach (Baden) und dem Studium der evangelischen Theologie in Halle (Saale), Straßburg und Heidelberg, wo er der Akademisch-Theologischen Verbindung Wartburg angehörte, wirkte Hermann Maas zunächst als Vikar in Rheinbischofsheim und Weingarten und war ab 1903 als Pfarrer in Laufen/Sulzburg tätig. Ab 1915 war er Pfarrer an der Heiliggeistkirche in Heidelberg.

 
Hermann-Maas-Haus in Heidelberg-Kirchheim

Maas war politisch interessiert und engagierte sich in der politischen Arbeit. Sein lebenslanges Interesse war die friedliche Verständigung der Völker und Religionen. Maas knüpfte hierbei umfangreiche internationale Kontakte, die ihm bei seiner Hilfetätigkeit zugunsten verfolgter Juden in der Zeit des Nationalsozialismus zugutekamen.

1903 nahm er am 6. Zionistenkongress in Basel teil, woraufhin er sich selber einen (christlichen) Zionisten nannte.[2] 1913–1922 leitete er die liberale Zeitschrift Süddeutsche Blätter für Kirche und freies Christentum und war als Vertreter der Kirchlich-liberalen Vereinigung von 1914 bis 1919 Mitglied der badischen Generalsynode. 1918 trat er der DDP (Deutsche Demokratische Partei) bei und war für diese über zwei Legislaturperioden im Heidelberger Stadtrat tätig.

1919 schloss er sich den Freimaurern an. 1925 war er Delegierter bei der Tagung des Weltbundes für Internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen in Stockholm. In demselben Jahr verursachte er einen Skandal, weil er bei der Beerdigung von Reichspräsident Friedrich Ebert eine Traueransprache hielt. Da Ebert katholisch getauft und später aus der Kirche ausgetreten war, erfolgten daraufhin disziplinarische Maßnahmen gegen Maas durch seine deutschnational gesinnten und gegen die Republik eingestellten Vorgesetzten in der Badischen Landeskirche.

1932 trat Maas dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus bei. Vom 1. April bis zum 1. Juli 1933 reiste er das erste Mal durch Palästina. Auch im Pfarrernotbund engagierte er sich seit 1933/1934. In Heidelberg leitete er eine Hilfsstelle für rassisch Verfolgte und arbeitete eng mit dem Büro Grüber in Berlin zusammen. Emil Fuchs schreibt, er habe eine regelrechte „Untergrundbahn“ (ein Begriff aus der US-amerikanischen Sklavenbefreiung) für Verfolgte organisiert. Gemeint ist damit, dass Maas mit seinen internationalen Kontakten bis zum Kriegsbeginn 1939 vielen Juden zur Auswanderung verhelfen konnte. Trotz Berufsverbots predigte er gegen die Judenverfolgung der Nazis. 1943 wurde er auf Druck des Regimes durch den badischen Evangelischen Oberkirchenrat zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Schließlich wurde er zur Zwangsarbeit nach Frankreich verschleppt.

Nach der Befreiung 1945 nahm er seine Tätigkeit als Pfarrer wieder auf. 1945 unterlag er Julius Bender bei der Wahl zum Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, wurde aber im nächsten Jahr Kreisdekan (ab 1956 mit dem Titel Prälat) im Kirchenkreis Nordbaden. 1965 trat er in den Ruhestand. Auch seine internationale Arbeit setzte er fort. Maas war der erste christliche Deutsche[3], der offiziell vom Staat Israel (vom Religionsministerium,[4] das Rabbiner Jehuda Leib Maimon leitete) zu einem Besuch im Land eingeladen und empfangen wurde.[5] Im März und April 1950 hielt er sich in Israel auf. 1952 wurde ein Wald in Israel nach Hermann Maas benannt, und 1953 erhielt er zum zweiten Mal[6] eine Einladung der israelischen Regierung.[5] Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte Maas mit einer der höchsten Auszeichnungen des Staates Israel als Gerechter unter den Völkern. In den Jahren 1958, 1962 und 1967 unternahm er weitere Israelreisen.[7]

Seit 1904 war Hermann Maas mit Kornelie Hesselbacher (1879–1975) verheiratet. Aus der Ehe entstammen drei Töchter.

 
Baum zu Ehren von Hermann Maas, Yad Vashem/Jerusalem 2008

Ehrungen

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Hermann Maas wurde vielfältig ausgezeichnet. 1949 wurde er als erster nichtjüdischer Deutscher nach Israel eingeladen.

  • 1947: Ehrendoktor der Heidelberger Theologischen Fakultät
  • 1952: Ehrenbürger der Stadt Heidelberg
  • 1953: Auf den Gilbobergen in Israel wurde innerhalb des Wingate-Waldes zu seinen Ehren der Hermann-Maas-Hain gepflanzt.[8]
  • 1954: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland[9]
  • 1965: Heidelbergs israelische Partnerstadt Rehovot benannte nach ihm eine Straße im östlichen Stadtteil „Qiryat HaYovel“.
  • 1966: Yad Vashem, Medaille: Gerechter unter den Völkern[10]
  • 2006: In der Heiliggeistkirche Heidelberg wurde eine Gedenktafel für Hermann Maas angebracht.[11]

Publikationen

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  • Skizzen von einer Fahrt nach Israel. Evangelischer Pressverband für Baden, Karlsruhe 1950.
  • Jerusalem, das droben ist, in: Für Arbeit und Besinnung. Kirchlich-Theologische Halbmonatsschrift, 4. Jg., Nr. 14 (15. Juli 1950), S. 314–321 (Die damalige Lage Jerusalems und des Staates Israel kurz nach seiner Gründung)
  • Der Staat Israel. Vergangenheit Gegenwart Zukunft, Lichtweg Verlag, Essen 1950.
  • Anwalt der Verfolgten - Rückblick eines 75jährigen (1952), in: Werner Keller u. a. (Hrsg.): Leben für Versöhnung – Hermann Maas, 2. Aufl., Hans Thoma Verlag, Karlsruhe 1997, S. 12–28.
  • - und will Rachels Kinder wieder bringen in das Land. Reiseeindrücke aus dem heutigen Israel. Eugen Salzer Verlag, Heilbronn 1955.
  • Wer in Israel nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist. In: Otto Hof (Hrsg.): Dienende Kirche. Hans Thoma Verlag, Karlsruhe 1963, S. 367–383.

Literatur

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  • Angela Borgstedt: „... zu dem Volk Israel in einer geheimnisvollen Weise hingezogen“. Der Einsatz von Hermann Maas und Gertrud Luckner für verfolgte Juden, in: Michael Kißener (Hrsg.): Widerstand gegen die Judenverfolgung. Konstanz 1996.
  • Markus Geiger: Hermann Maas – eine Liebe zum Judentum: Leben und Wirken des Heidelberger Heiliggeistpfarrers und badischen Prälaten. Herausgegeben von Peter Blum (= Buchreihe der Stadt Heidelberg, Band 17, Edition Guderjahn). Verlag für Regionalkultur, Heidelberg / Ubstadt-Weiher / Neustadt an der Weinstraße / Basel 2016, ISBN 978-3-89735-927-7 (Dissertations-Ausgabe, Pädagogische Hochschule Heidelberg, 2014, 472 Seiten). Oder knapper in Norbert Giovannini (Hrsg.), Moraw, Riese, Rink: Stille Helfer – Eine Spurensuche in Heidelberg 1933–1945. Heidelberg 2019, S. 73ff.
  • Werner Keller u. a. (Hrsg.): Leben für Versöhnung – Hermann Maas (= Edition Zeitzeugen). 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage (169 Seiten). Hans Thoma Verlag, Karlsruhe 1997, ISBN 3-87297-129-8 (1. Auflage unter dem Titel: Redet mit Jerusalem freundlich: Zeugnisse von und über Hermann Maas, erarbeitet von Werner Keller … , Vorwort von Klaus Engelhardt und Reinhold Zundel. Evangelischer Presseverband für Baden, Karlsruhe 1986, ISBN 3-87210-311-3).
  • Nathan Peter Levinson: H. Maas. In: Juden in Baden 1809–1984 – 175 Jahre Oberrat der Israeliten Baden. Karlsruhe 1984, 213–216.
  • Eckhart Marggraf: „Die Kirche muß ein schützender Zaun sein um das ganze leibliche Israel“. Der Einsatz von Hermann Maas für bedrängte Juden. In: Theodor Strohm, Jörg Thierfelder (Hrsg.): Diakonie im „Dritten Reich“. Neuere Ergebnisse Zeitgeschichtlicher Forschung. Heidelberg 1990, S. 305–318.
  • Peter Noss: Maas, Hermann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 505–510.
  • Markus Schlicher: „Ich stehe bei Ihnen, nicht ‚trotzdem‘ Sie Jude sind, sondern ‚weil‘ Sie es sind.“ Der evangelische Pfarrer Dr. Hermann Maas. In: Wolfram Wette (Hrsg.): Stille Helden. Judenretter im Dreiländereck während des Zweiten Weltkriegs. Herder, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 2005, ISBN 3-451-05461-2, S. 125–141.
  • Jörg Thierfelder: Der Heidelberger Pfarrer Hermann Maas und sein Wirken in Heidelberg und Baden 1945–1946. In: Jürgen C. Heß u. a. (Hrsg.): Heidelberg 1945 (= Transatlantische historische Studien, Band 5). Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06880-5, S. 276–293.
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Commons: Hermann Maas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Biografie beim H. Geschichtsverein.
  2. Hermann Maas: Anwalt der Verfolgten - Rückblick eines 75jährigen (1952), in: Werner Keller u. a. (Hrsg.): Leben für Versöhnung – Hermann Maas, 2. Aufl., Karlsruhe 1997, S. 12–28, S. 26.
    "Wer aber […] in der Liebe zu Zion eine tiefe Bewegung des Herzens […] in sich selbst verspürt, der bejaht gerade als Christ den echten Zionismius, der keine romantische Stimmung ist, sondern biblischer, gläubiger Realismus." (Hermann Maas: Skizzen von einer Fahrt nach Israel., Karlsruhe 1950, S. 75).
  3. So Gerhard Gronauer: Der Staat Israel im westdeutschen Protestantismus. Wahrnehmungen in Kirche und Publizistik von 1948 bis 1972 (= Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B, Darstellungen, Band 57). Göttingen 2013, S. 110, Anm. 249, ISBN 978-3-525-55772-3.
  4. "geladen vom Misrad ha datot" (Hermann Maas: Der Staat Israel. Vergangenheit Gegenwart Zukunft, Essen 1950, S. 5)
  5. a b Dr. Maas in Jerusalem.Neue Welt. Unabhängige internationale Zeitschrift, Jahrgang 1953, S. 68 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/new
  6. Seine Berichte der Reisen von 1950 und 1953 finden sich unter "Publikationen".
  7. Markus Geiger: Hermann Maas – eine Liebe zum Judentum: Leben und Wirken des Heidelberger Heiliggeistpfarrers und badischen Prälaten, Heidelberg 2014, S. 437–450.
  8. Michael J. Pragai: Sie sollen wieder wohnen in ihrem Land. Die Rolle von Christen bei der Heimkehr der Juden ins Land Israel. Bleicher Verlag, Gerlingen 1990, S. 325
  9. Kurznachrichten aus der jüdischen Welt.Neue Welt. Unabhängige internationale Zeitschrift, Jahrgang 1954, S. 21 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/new
  10. Hermann Maas auf der Website von Yad Vashem (englisch).
  11. Die Feier in der Heiliggeistkirche Heidelberg am 24. Juni 2006 (PDF; 1,9 MB).