Integrative Geographie

Schnittstelle zwischen Human- und physischer Geographie

Die Integrative Geographie (seltener auch Integrierte Geographie) ist derjenige Teil der Geographie, der sich mit Mensch-Umwelt-Beziehungen befasst. Sie stellt somit die Schnittstelle zwischen physischer Geographie und Humangeographie dar und wird neben diesen beiden auch als dritte „Säule“ der Geographie bezeichnet. Allerdings besitzt sie kein eigenes methodisches Instrumentarium, sondern stellt eine Kombination natur- und sozialwissenschaftlicher Forschung dar.

Begriff und Konzeption

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Obwohl Mensch-Umwelt-Beziehungen als Forschungsgegenstand in der Geographie eine lange Tradition haben, gibt es keine allgemeingültige Bezeichnung für eine Teildisziplin, die sich mit ihnen befasst. Ohnehin unterscheiden sich physische Geographie und Humangeographie in theoretischer wie methodischer Hinsicht inzwischen so stark voneinander, dass Versuche ihrer Synthese, wie sie insbesondere die Landschaftskunde betrieben hatte, als überholt gelten.[1]

Der relativ junge Begriff „Integrative Geographie“ betont den prozessualen Charakter von Forschungspraxis, die natur- und sozialwissenschaftliche Ansätze miteinander kombiniert. Andere Bezeichnungen verweisen hingegen vor allem auf den Menschen als biotisches Lebewesen und dessen Umgang mit seiner natürlichen Umwelt, etwa Humanökologische Geographie oder Physische Anthropogeographie, oder sie betonen die Rolle des Menschen als Teil eines Ökosystems, wie dies bei Ökogeographie oder Umweltgeographie häufig der Fall ist. Letzterer Begriff findet, neben integrated geography, als environmental geography zunehmend im angloamerikanischen Raum Beachtung.

Geschichte

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Die Vorstellung eines Ansatzes, der die beiden großen Teilbereiche der Geographie vereinen könne, wurde oftmals thematisiert und diskutiert, nicht zuletzt in der Hoffnung auf ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Zu den bekanntesten Vorschlägen gehört eine mit Geography as human ecology betitelte Rede von Harlan H. Barrows, die er 1922 als Präsident der Association of American Geographers gehalten hatte.[2]

Wesentlich enger, nämlich als eine Schnittfelddisziplin zwischen Bevölkerungsgeographie und Biogeographie, sollte nach Karlheinz Paffen die physische Anthropogeographie definiert sein.[3] Als deren Hauptproblem hatte Albrecht Penck bereits 1924 die Bevölkerungskapazität der Erde betrachtet, insbesondere hinsichtlich des Nahrungsbedarfs der Menschheit.

Mit der theoretischen und forschungsmethodischen Auseinanderentwicklung von Physio- und Humangeographie spätestens ab den 1970er Jahren zeigte sich einerseits, dass die Vorstellung einer fachlichen Einheit nicht zweckmäßig war, zumal Umweltprobleme nicht mehr einfach als Anpassungsprobleme des Menschen an seine Umgebung im Sinne der Humanökologie zu konzeptionieren waren. Andererseits machte genau dies die Notwendigkeit von integrativen Ansätzen deutlich.[4] Während der Geomorphologe Richard J. Chorley hierfür systemanalytische Verfahren vorschlug,[5] entwickelten sich aus der kritischen Humangeographie theoretische Ansätze wie die Politische Ökologie[6] sowie später die geographische Adaption der Akteur-Netzwerk-Theorie.[7][8]

Themenfelder

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Die Integrative Geographie ist in erster Linie über bestimmte Problemstellungen, die sich mit Fragen der Gesundheit und Nachhaltigkeit auseinandersetzen, und weniger durch klar abgrenzbare Themengebiete definiert. Mit der medizinischen Geographie sowie der geographischen Katastrophen- und Risikoforschung gibt es jedoch zwei Unterdisziplinen der Geographie, die ihr im Allgemeinen zugerechnet werden. Eng eingebunden ist die Geographie zudem in die integrative Erforschung von spezifischen Mensch-Umwelt-Systemen wie die Gebirgs-, die Küsten-, die Polar-, die Tropen- und die Wüstenforschung.

Siehe auch

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Literatur

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  • Noel Castree, David Demeritt, Diana Liverman, Bruce Rhoads (Hrsg.): A Companion to Environmental Geography (= Blackwell companions to geography. Band 7). Wiley-Blackwell, Chichester / Malden 2009, ISBN 978-1-4443-0572-2, doi:10.1002/9781444305722.
  • Helmut Geist: Integrative Geographie neu denken – z.B. anthropozänisch. In: Geographica Helvetica. Band 73, Nr. 2, 2018, S. 187–191, doi:10.5194/gh-73-187-2018.
  • Inga Gryl, Antje Schlottmann, Detlef Kanwischer (Hrsg.): Mensch:Umwelt:System – theoretische Grundlagen und praktische Beispiele für den Geographieunterricht (= Praxis neue Kulturgeographie. Band 11). LIT, Berlin, Münster 2015, ISBN 978-3-643-13125-6.
  • Peter Meusburger, Thomas Schwan (Hrsg.): Humanökologie: Ansätze zur Überwindung der Natur-Kultur-Dichotomie (= Erdkundliches Wissen. Band 135). F. Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08377-4.
  • Detlef Müller-Mahn, Ute Wardenga (Hrsg.): Möglichkeiten und Grenzen integrativer Forschungsansätze in Physischer Geographie und Humangeographie (= Forum IfL. Band 2). Selbstverlag Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig 2005, ISBN 978-3-86082-053-7.
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Einzelnachweise

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  1. Peter Weichhart: Auf der Suche nach der „dritten Säule“. Gibt es Wege von der Rhetorik zur Pragmatik? In: Detlef Müller-Mahn, Ute Wardenga (Hrsg.): Möglichkeiten und Grenzen integrativer Forschungsansätze in Physischer Geographie und Humangeographie (= Forum IfL). Band 2. Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig 2005, ISBN 978-3-86082-053-7, S. 109–136.
  2. Harlan H. Barrows: Geography as Human Ecology. In: Annals of the Association of American Geographers. Band 13, Nr. 1, 1923, S. 1–14, doi:10.1080/00045602309356882.
  3. Karlheinz Paffen: Stellung und Bedeutung der Physischen Anthropogeographie. In: Erdkunde. Band 13, Nr. 4, 1959, S. 354–372, doi:10.3112/erdkunde.1959.04.08.
  4. Peter Weichhart: Gesucht: Eine humanökologisch orientierte Teildisziplin der komplexen Geographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde. Band 54, 1980, S. 125–132.
  5. Richard J. Chorley: Geography as Human Ecology. In: Richard J. Chorley (Hrsg.): Directions in Geography. Methuen, London 1973, S. 155–169 (Der Titel des Aufsatzes ist ein sarkastischer Verweis auf die Rede von Barrows und die ökologischen Traditionslinien in der Geographie.).
  6. Piers Blaikie, Harold Brookfield: Land Degradation and Society. Methuen, London / New York 1987, ISBN 0-416-40150-3.
  7. Jonathan Murdoch: Inhuman/nonhuman/human: actor-network theory and the prospects for a nondualistic and symmetrical perspective on nature and society. In: Environment and Planning D: Society and Space. Band 15, Nr. 6, 1997, S. 731–756, doi:10.1068/d150731.
  8. Wolfgang Zierhofer: Geographie der Hybriden. In: Erdkunde. Band 53, Nr. 1, 1999, S. 1–13, doi:10.3112/erdkunde.1999.01.01.