Johann Andreas Heinemann

hessischer Orgelbauer

Johann Andreas Heinemann (* 2. Februar 1717 in Großlöbichau; begraben 28. Februar 1798 in Gießen) war ein deutscher Orgelbauer, der im 18. Jahrhundert in Hessen wirkte.

Heinemann stammte aus Thüringen und war Sohn von Hans Heinemann und Anna Catharina geb. Heinermann.[1] Seine erste Ausbildung hat er vermutlich bei seinen Verwandten in Großlöbichau erhalten; unklar sind die Tätigkeit und der Aufenthaltsort nach 1741. 1747 ist er als Geselle der Thüringer Orgelbauer Johann Casper Beck und Johann Michael Wagner nachgewiesen. Diese schufen von 1747 bis 1750 die Orgel der Laubacher Stadtkirche, an deren Bau Heinemann maßgeblich beteiligt war. Am 9. Mai 1748 heiratete Heinemann in Laubach Anna Christine Philippine Schmidt (* 13. Juni 1722; † 30. März 1763) und hatte mit ihr vier Kinder, die zwischen 1749 und 1759 geboren wurden: Catharina Christiane (* 14. Juni 1749), Anton Friedrich Gottlieb (* 8. März 1751; † 17. November 1804 in Rotterdam), Johann Georg (* 18. November 1755; † 1787 in Gießen) und Catharina Eleonore (* 23. Mai 1759).[1] Dort machte er sich anschließend als Orgelbauer selbstständig. Nachdem er bei Graf Christian August die Erlaubnis eingeholt hatte, verlegte er 1765 seine Werkstatt nach Gießen und erlangte am 24. Januar 1766 das Privileg als Hessen-Darmstädtischer Orgelmacher.[2] Hingegen erhielt der berühmte Meister in Hessen-Kassel nur wenig Aufträge, da die einheimischen Orgelbauer energisch gegen den „Ausländer“ Protest einlegten.[3] Heinemann wurde am 28. Februar 1798 in Gießen begraben. Sein Schwiegersohn Johann Peter Rühl, der am 30. Juli 1789 Catharina Christiana Heinemann heiratete,[4] stammte aus Gießen und übernahm mit der Heirat auch die Werkstatt. Rühls Tochter heiratete 1809 Johann Georg Bürgy, der nach Rühls Tod die Gießener Werkstatt bis zu seinem Tod im Jahr 1841 weiterführte.[5]

Der Sohn Antonius Friedrich Gottlieb Heyneman wurde ebenfalls Orgelbauer und übersiedelte in die Niederlande. Hier sind etliche Umbauten, Reparaturen und Instandhaltungsverträge nachgewiesen, aber auch einige Neubauten. Er erwarb sich einen Ruf als einer der „besten inländischen Künstler und Handwerker“ und schuf auch Kabinettorgeln.[6]

 
Sauber gelötete Mixtur-Orgelpfeife von Heinemann aus Breidenbach

Heinemann gilt als bedeutendster Orgelbauer Oberhessens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.[7] Seine Werke sind weitgehend im Stil des Rokoko geprägt. Er setzt einen recht niedrigen Winddruck ein, der bei den erhaltenen Werken weniger als 60 mmWS beträgt. Im Vergleich mit zeitgenössischen Orgelbauern verfügen die Manualwerke um einen erweiterten Umfang von 53 Tönen (C–e3), während der Pedalumfang mit zwei vollen Oktaven (C–c1) dem mitteldeutschen Standard entspricht. Heinemanns Werke zeichnen sich durch eine hohe handwerkliche Fähigkeit in der Holz- und Metallverarbeitung aus. Der mitteldeutsche Werkaufbau mit Hauptwerk, Oberwerk und hinterständig aufgestelltem Pedal ähnelt den zweimanualigen Werken Gottfried Silbermanns.

Die meisten seiner Orgeln sind allerdings einmanualig und haben bei Instrumenten mit bis zu 15 Registern (Dauernheim) einen fünfachsigen Prospekt. Dieser hat einen überhöhten Mittelturm, mittelgroße Außentürme und zwischen den Türmen niedrige Flachfelder oder in wenigen Fällen flachrunde Felder. Die Flachfelder sind bei Heinemann eingeschossig und erst ab 14 Registern zweigeschossig bzw. in zwei unterschiedlichen Kästen übereinander gebaut. Nur in Kleinseelheim und Trais-Horloff sind die niedrigen Felder spitz ausgeführt. In der Regel schließen die eingeschossigen Flachfelder nach oben mit recht hohem Schleierwerk ab. Bis 1773 bevorzugte Heinemann Harfenfelder, anschließend werden sie bis auf Freienseen nicht mehr verwendet. Die Turmdächer sind reich profiliert und kragen nach oben trapezförmig aus. Zwischen dem unteren Gesimskranz und den Pfeifenfeldern sind recht hohe Vorsatzbretter angebracht. Die Windladen sind gegenüber dem Gesims erhöht eingebaut, sodass die Ventile von vorne leichter zugänglich sind. Die Verblendung durch Vorsätze findet sich auch bei der Orgelbauerfamilie Zinck, Johann Friedrich Syer und Johann Conrad Bürgy.[8] Nur in Kleinseelheim und Nidda setzen die Außentürme tiefer an. Bei den drei Türmen ist die Folge spitz – rund – spitz (Viermünden/Gellershausen, Ortenberg, Kirchgöns, Dauernheim, Freienseen) oder rund – spitz – rund (Kleinseelheim, Trais-Horloff, Kirchberg, Nidda) anzutreffen.

Die Orgeln in Nieder-Gemünden (1760) und in Breidenbach (1769)[9] sind weitgehend original erhalten. Für die Stiftskirche zu Wetter (1763–1766) schuf er ein zweimanualiges Werk. Möglicherweise gehen die anonymen Werke in Rodheim (1776) und Freienseen (1797) auf die Werkstatt Heinemann/Rühl zurück.[10]

Werkliste

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Bisher sind mehr als ein Dutzend ein- oder zweimanualige Orgelneubauten Heinemanns nachgewiesen.[11] An den letzten Arbeiten war sein Schwiegersohn mit beteiligt.

Kursivschreibung zeigt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist. In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten.

Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1747–1751 Laubach Ev. Stadtkirche   II/P 21 Mitarbeit beim Orgelneubau; teilweise erhalten (heute III/P/28) → Orgel
1751–1753 Kirchhain St. Michael   I/P 16 Gehäuse erhalten
1753 Ober-Gleen Ev. Kirche
 
I/P 11 Teilweise erhalten → Orgel
1758 Kleinseelheim Ev. Kirche
 
I/P 10 1846 Umbau durch Peter Dickel; Gehäuse und 7 Register erhalten
1757–1760 Nieder-Gemünden Ev. Kirche I/P 11 Weitgehend erhalten
1763–1766 Wetter Stift Wetter, Stiftskirche   II/P 22 Zwei Drittel der Register erhalten; Spieltisch und Traktur später ersetzt; 1997–1999 Restaurierung/Rekonstruktion sowie Ergänzung um drei Pedalregister auf separater Lade durch Förster & Nicolaus Orgelbau (1997–1999); heute II/P/25
1764–1766 Wetzlar Hospitalkirche   I/P 15 1874 durch eine Knauf-Orgel ersetzt; Gehäuse erhalten
1767 Josbach Ev.-luth. Kirche I 8 1967 Umbau durch Werner Bosch; Gehäuse und 4 Register von Heinemann erhalten
1767–1769 Breidenbach Ev. Kirche
 
I/P 14 Weitgehend erhalten,[12] 1971/1972 von Hillebrand restauriert
1769–1771 Ziegenhain Schlosskirche
 
I/P 14 Prospekt wie Breidenbach; 1847–1849 Erweiterungsumbau durch August Röth (II/P/20), 1963–1965 Umbau durch Euler; im Hauptwerk 3 Register ganz und 1 teilweise erhalten
1772 Geiß-Nidda Ev. Kirche I/P 9 Nicht erhalten
1773 Viermünden Ev. Kirche I 5 Gehäuse möglicherweise in Gellershausen erhalten
1776 Laufdorf Ev. Kirche   I/P Gehäuse erhalten
1776 Trais-Horloff Ev. Kirche   I/P 13 Zuschreibung; verschiedene Umbauten
1777/1778 Kirchberg Ev. Kirche
 
I/P 11 Weitgehend erhalten
1780 Gießen Burgkirche II/P 22 Zuschreibung; 1821 Überführung in die neu erbaute Stadtkirche; nicht erhalten[13]
1781 Nidda Stadtkirche zum Heiligen Geist   I/P 14 1935 ersetzt; 2018 Neubau von Hermann Eule Orgelbau Bautzen im hessisch-mitteldeutschen Barockstil hinter erhaltenem Prospekt
1784 Ortenberg Marienkirche   I/P 1939 ersetzt; Gehäuse erhalten
1792 Kirch-Göns Ev. Kirche   I/p 8 ausgeführt von Johann Peter Rühl; 1862 Umbau durch Adam Karl Bernhard; fast vollständig erhalten
1794 Dauernheim Dreifaltigkeitskirche
 
I/P 15 Zusammen mit Rühl; ein Großteil der Register erhalten
1797 Freienseen Ev. Kirche
 
I/P 14 Zusammen mit Rühl; weitgehend erhalten

Aufnahmen/Tonträger

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  • Orgelmusik an der Heinemann-Orgel in Wetter. AV Studio Helmut Buchholz, AV-9-00-1000 (Klaus-Jürgen Höfer und Christian Zierenberg mit Werken von J.S. Bach, D. Buxtehude, J.L. Krebs, C.H. Rinck)
  • Musik aus sächsischen Schlosskirchen: Werke für Barockoboe und Orgel um und nach Bach. Cantate, C 58038, 2008 (Concerto Royal Köln mit W. Kronenberg an der Orgel in Wetter: Werke von J.S. Bach, G.F. Eberhardt, G.A. Homilius, J.L. Krebs, C.G. Tag)

Literatur

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  • Hans Martin Balz, Reinhardt Menger: Alte Orgeln in Hessen und Nassau (= Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde. Band 72). 2. Auflage. Merseburger, Kassel 1997, ISBN 3-87537-169-0.
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,1). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1: A–K. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2.
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 7,2). Band 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2: L–Z. Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1370-6.
  • Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,1). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1: A–L. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7.
  • Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 29,2). Band 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2: M–Z. Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5.
  • Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Lexikon süddeutscher Orgelbauer. Florian Noetzel Verlag, Wilhelmshaven 1994, ISBN 3-7959-0598-2.
  • Dieter Großmann: Johann Andreas Heinemann. In: Hessische Heimat. Band 9, 1959/60, Nr. 38, S. 16–21.
  • Dieter Großmann: Orgeln und Orgelbauer in Hessen (= Beiträge zur hessischen Geschichte. Band 12). 2. Auflage. Trautvetter & Fischer, Marburg 1998, ISBN 3-87822-109-6.
  • Eckhard Trinkaus: Johann Andreas Heinemann. In: Ars Organi. Band 48, 2000, S. 28–34.
  • Eckhard Trinkaus: Orgeln und Orgelbauer im früheren Kreis Ziegenhain (Hessen) (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Band 43). Elwert, Marburg 1981, ISBN 3-7708-0713-8.

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b Eckhard Trinkaus: Johann Andreas Heinemann. In: Ars Organi. Band 48, 2000, S. 30.
  2. Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Band 3, Teil 1: A–L. 1988, S. 15, 520.
  3. Eckhard Trinkaus: Orgeln und Orgelbauer im früheren Kreis Ziegenhain (Hessen) (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Nr. 43). Elwert, Marburg 1981, ISBN 3-7708-0713-8, S. 253.
  4. Eckhard Trinkaus: Johann Andreas Heinemann. In: Ars Organi. Band 48, 2000, S. 31.
  5. Eckhard Trinkaus: Johann Andreas Heinemann. In: Ars Organi. Band 48, 2000, S. 34.
  6. Fischer, Wohnhaas: Lexikon süddeutscher Orgelbauer. 1994, S. 148.
  7. Klaus-Jürgen Höfer: Erfahrungen mit der restaurierten Heinemann-Orgel in der Stiftskirche zu Wetter. In: Quintett. Nr. 10, 2006, S. 3–5 (online), abgerufen am 17. April 2018 (PDF; 1,93 MB).
  8. Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 249–251.
  9. Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Band 2, Teil 1: A–K. 1975, S. 96 f.
  10. Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Band 3, Teil 1: A–L. 1988, S. 307 f.; Teil 2: M–Z. 1988, S. 922.
  11. Siehe die Werkliste bei Eckhard Trinkaus: Johann Andreas Heinemann. In: Ars Organi. Band 48, 2000, S. 31 f.
  12. Dieter Schneider: Die 200jährige Heynemann-Orgel zu Breidenbach. In: Hinterländer Geschichtsblätter. Jg. 48, Nr. 2, 1969, S. 12.
  13. Bösken, Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Band 3, Teil 1: A–L. 1988, S. 380 f.