Johannes Hartmann (Universalgelehrter)

deutscher Mathematiker, Logiker, Chemiker und Arzt

Johannes Hartmann, auch Johann Hartmann und latinisiert Johannes Hartmannus genannt, (* 15. Januar 1568 in Amberg; † 12. Dezember 1631 in Kassel) war ein Universalgelehrter, Chemiker, Mediziner und Rektor an der Universität Marburg. Er war ein früher Vertreter der Chemiatrie und der erste deutsche Chemieprofessor.

Johannes Hartmann

Johannes Hartmann wurde 1568 als Sohn eines Webers in Amberg geboren und wurde zunächst Buchbinder. Wegen seiner hervorragenden Begabung wurde er vom Rektor der Amberger Stadtschule gefördert und konnte mit Unterstützung des Stadtrats von Amberg die Universitäten Altdorf, Wittenberg und Jena besuchen, wo er hauptsächlich Mathematik studierte. In Wittenberg lernte er den späteren Geographen, Kartographen und Historiker Wilhelm Dilich kennen, dessen Familie Verbindungen zum hessischen Fürstenhaus hatte und ihm 1591 eine Stelle als Hofmathematiker (Astrologe) in Kassel vermittelte. 1592 wurde er Professor für Mathematik an der Universität Marburg als Nachfolger des 1591 verstorbenen Mathematikprofessors Victorinus Schönfeldt und insbesondere auf Verwendung von Landgraf Wilhelm. Dabei waren Kenntnisse in Geometrie, Astronomie und Landvermessung gefragt (Letzteres gab den Ausschlag gegen eine Berufung des Hofmathematikers Christoph Rothmann). Er beriet aber auch weiter den Landgrafen und war 1598/99 im Kassel, um in dessen Auftrag an der Herausgabe eines astronomischen Werkes mitzuwirken.[1] In dieser Zeit unterrichtete er auch an der Hofschule (Collegium Mauritianum) und vertiefte in Kontakt mit den Leibärzten Hermann Wolff und Jacob Mosanus und im gut ausgestatteten Labor des Landgrafen seine Kenntnisse in Chemie und Medizin. 1599 kehrte er nach Marburg zurück und begann das Studium alchemistischer und medizinischer Texte, besonders von Paracelsus-Schülern (wie der Franzose Joseph Duchesne (Quercetanus)) und von Basilius Valentinus, mit dessen Herausgeber Johann Thölde er korrespondierte. 1603 und 1607 amtierte er als Rektor der Universität.

1609 wurde er vom Landgrafen zum Leiter des neu gegründeten Collegium Chymicum ernannt und Professor für Chymiatrie (Iatrochemie). Ein Schwerpunkt des Labors war die Herstellung von Arzneien, weshalb es auch den Zusatz Chymico-Medicum erhielt. Er war damit der erste Chemieprofessor in Deutschland und hatte auch das erste Universitätslabor für Chemie, in dem Studenten unterrichtet wurden, die aus vielen Ländern (u. a. Dänemark, Polen, England) zum Studium kamen. Es entstanden viele Dissertationen in Chymiatrie (zuerst 1610 vom späteren Leibarzt des Landgrafen Johannes Rhenanus), Hartmann selbst veröffentlichte zu Lebzeiten allerdings kaum. Er wirkte auch als Arzt und behandelte zum Beispiel den Fürsten Johann Georg von Anhalt-Dessau, zum Unwillen des hessischen Landgrafen, der eine Abwerbung vermutete (Hartmann war mit Familie dorthin gereist). 1618 war Hartmann deshalb vorübergehend in Marburg suspendiert.

1621 wechselte er als Hofarzt des Landgrafen Moritz und als Professor der Hofschule (Collegium Mauritianum) nach Kassel. Das Amt des Hofarztes war ihm schon 1608 angeboten worden.[2] Damals hatte er aber abgelehnt, da ihm seine medizinischen Kenntnisse noch nicht ausreichend schienen. An der Universität war er zuletzt ohne Besoldung beurlaubt. Er blieb auch nach Abdankung des Landgrafen Moritz 1627 in Kassel und diente dessen Nachfolger Wilhelm.

Er wurde von Joachim Tancke 1610 als ihm „günstigen Herrn“ und guter Freund bezeichnet[3] und war mit der Schwester von Johannes Daniel Mylius verheiratet.

Sein Laboratorium chymicum publicum an der Philipps-Universität Marburg wurde am 10. Juli 2015 von der GDCh mit Festvorträgen und einer Gedenktafel als »Historische Stätte der Chemie« gefeiert.[4]

Schriften

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Günther KersteinHartmann(i), Johannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 744 (Digitalisat).
  • Bruce T. Moran: Court Authority and Chemical Medicine: Moritz of Hessen, Johannes Hartmann and the origin of academic Chemiatria, Bulletin of the History of Medicine, Band 63, 1989, S. 225–246
  • Wilhelm Ganzenmüller: Das chemische Laboratorium der Universität Marburg im Jahre 1615. Angewandte Chemie 54(17/18), S. 215–217 (1941), ISSN 0044-8249 sowie unter demselben Titel, Medizinhistorisches Journal, Band 2, 1967, S. 68–77
  • S. Salloch: Das hessische Medizinalwesen unter den Landgrafen Wilhelm IV. und Moritz dem Gelehrten. Rolle und Wirken der fürstlichen Leibärzte. Dissertation. Marburg 2006 (PDF)
  • W.-D. Müller-Jahncke und C. Friedrich: Johannes Hartmann. Iatrochemiker im europäischen Kontext. Pharmazeutische Zeitung, 51./52. Ausgabe 2009, vom 17. Dezember 2009, S. 74 ff
  • Eintrag in Winfrid Pötsch, Annelore Fischer, Wolfgang Müller: Lexikon bedeutender Chemiker, Harri Deutsch 1989
  • Heiner Borggrefe: Das alchemistische Laboratorium Moritz des Gelehrten im Kasseler Lusthaus, in Gerhard Menk (Hrsg.), Landgraf Moritz der Gelehrte, Marburg 2000
  • Gesellschaft Deutscher Chemiker (Frankfurt/Main): Historische Stätten der Chemie: Johannes Hartmann und sein Marburger „Laboratorium chymicum publicum“. Marburg, am 10. Juli 2015. PDF, 1 MB
Bearbeiten

Einzelnachweise und Anmerkungen

Bearbeiten
  1. Wahrscheinlich die De optica von Friedrich Riesner
  2. Er war 1607 in Medizin promoviert worden und durfte damit praktizieren. Vorlesungen über Medizin hielt er schon seit 1603 (Pötsch u. a. Lexikon bedeutender Chemiker)
  3. Joachim Telle: Zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alchemia medica unter besondere Berücksichtigung von Joachim Tanck. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil (Hrsg.): Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 139–157, hier: S. 157.
  4. Würdigung des “Laboratorium chymicum publicum” der Philipps-Universität Marburg in Erinnerung an Johannes Hartmann als Historische Stätte der Chemie, Uni Marburg Veranstaltungen, abgerufen am 14. Juli 2015