Julius Heinrich Dessauer

deutscher jüdischer Lehrer und Autor

Julius Heinrich Dessauer (geboren 1804 in Ansbach[2]; gestorben 4. oder 5. Juli 1872[3]) war ein deutscher jüdischer Religionslehrer und Autor.

Julius Heinrich Dessauer (1804–1872)[1]

Julius Heinrich Dessauer wurde als Sohn von Löw Aron Dessauer aus Ansbach geboren, sein Onkel war der Kaufmann Löw David Steiner.[4] Sein Großvater war Aron Dessauer, damaliger Vorstand der jüdischen Gemeinde Ansbach und markgräflicher Hofagent (Kaufmann).[5]

Im Jahr 1829 bewarb er sich erfolglos um die Stelle eines Lehrers an der jüdischen Schule in Sugenheim.[6] Im Februar 1829 fiel die Wahlentscheidung der jüdischen Gemeinde von Baiersdorf bei Erlangen zur Einrichtung einer jüdischen Religions- und Elementarschule mit Anstellung von Julius Heinrich Dessauer als Religions- und Elementarlehrer. Die offizielle Einsetzung erfolgte durch den Stadtpfarrer und Inspektor der Schule zu Baiersdorf Karl Georg Friedrich Goes (1757–1836), der dabei eine Rede hielt.[7]

Am 23. Dezember 1837 wurde Julius Heinrich Dessauer an der Universität Erlangen, ohne dort studiert zu haben, zum Dr. phil. promoviert.[8]

Im Jahr 1853 wanderte Julius Heinrich Dessauer nach Amerika aus, wie zuvor bereits seine älteren Söhne. Er fuhr am 22. April 1853 mit seiner Frau und den beiden jüngeren Kindern von Bremen mit dem Dampfer Hermann in die USA.[9] Er ließ sich dort in Cincinnati nieder.[10] 1855 wurde er Lehrer für Hebräisch und Deutsch am Talmud Yelodim Institute, der dem Plum Street Temple angeschlossenen religiösen Schule, in Cincinnati. 1862 gab er diese Stelle auf und eröffnete mit einem seiner Söhne ein Geschäft. Einige Jahre später zog er sich ins Privatleben zurück.

Am 4. Juli 1872 verließ er New York mit dem Schiff, um nach Deutschland zurückzukehren, wo er sich in Würzburg niederlassen wollte. Am 5. Juli wurde er als vermisst gemeldet und nicht mehr gefunden.[11]

Schriften

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  • Unterricht in der mosaischen Religion für die Jugend. Campe, Nürnberg 1833 (Digitalisat).[12]
  • תהלת אל, oder, Sammlung deutscher und hebräischer Gebete für Schule und Haus. T. Bläsing, Erlangen 1833; 1836 (Digitalisat).
  • Leschon rabbanan oder, Gedrängtes, vollständiges aramäisch-chaldäisch-deutsches Handwörterbuch, als Hilfsmittel zur Erlernung des Thalmuds, der Thargumim und Midraschim, nach dem Aruch, Mussaphia, Buxtorf und Landau, mit einem Anhange. Palm und Enke, Erlangen 1838 (Digitalisat); 1849 (Digitalisat) („Der philosophischen Fakultät der Königlichen Universität Erlangen ehrfurchtsvoll gewidmet“).
  • Vollständige Paradigmen der regelmässigen und unregelmässigen Zeitwörter, der männlichen und weiblichen Nennwörter, nebst einer Tabelle über die Personal und Possessivpronomen der chaldäischen Sprache. Eine Beilage zum Leschon Rabbanan oder aramäisch=chaldäisch=deutsches Handwörterbuch. Palm und Enke, Erlangen 1838 (Digitalisat).
  • (Hrsg.): דרך לאמונה (Derech leemunda) oder Sammlung lehrreicher Geschichten u. Erzählungen zur Erweckung echter Religiosität und Sittlichkeit, zunächst für die israelitische Jugend. Ein Lesebuch für Schule und Haus. Palm, Erlangen 1841 (Digitalisat).[13]
  • Methodisches, nach lückenlosen Stufen geordnetes und möglichst vollständiges Lehr- und Lesebuch für israelitische Religions- und deutsche Schulen und Privatlehranstalten, zugleich auch als erster Theil des "Derech leemuna" (Religionslehre in Beispielen). Palm, Erlangen 1844 (Digitalisat).
  • Tausend und eine Viertelstunde, enthaltend tartarische Originalerzählungen, vorgetragen von dem Arzte Ben Eridnin zur Unterhaltung des blinden Königs Schems-Eddin. Herausgegeben von Julius Heinrich Dessauer. 2 Teile, Palm, Erlangen 1844–45 (Digitalisat Teil 1, Teil 2).
  • mit Simon Krämer[14]: Allgemeines deutsche Gebetbuch für die Hausandacht der Israeliten. Enthält 140 Morgen-, Abend- und Festgebete auf alle Tage, Lagen und Verhältnisse des Lebens. Ernst, Quedlinburg 1845.
  • Geschichte der Israeliten mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte derselben: von Alexander dem Großen bis auf die neuere Zeit. Palm, Erlangen 1846 (Digitalisat)[15]; neue Ausgabe (= unveränderter Nachdruck) Schletter, Breslau 1870 (Digitalisat).

Literatur

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  • Nachruf in: The Israelite (Cincinnati) 9. August 1872, S. 9 (Digitalisat).
  • Claudia T. Prestel: Jüdisches Schul- und Erziehungwesen im frühen 19. Jahrhundert zwischen Anpassung und Eigenständigkeit – am Beispiel Bayerns. In: Ingrid Lohmann, Wolfram Weisse (Hrsg.): Dialog zwischen den Kulturen. Erziehungshistorische und religionspädagogische Gesichtspunkte interkultureller Bildung. Waxmann, Münster 1994, ISBN 3-89325-224-X, S. 65–66 (Zitate aus seinen Schriften; Google Books).
  • Barbara Eberhardt, Hans-Christof Haas: Baiersdorf. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern. Band 2: Mittelfranken. Fink, Lindenberg im Allgäu 2010, S. 87–108, hier S. 92–94 („Die Einrichtung der jüdischen Schule und ihr erster Lehrer Julius Heinrich Dessauer“).
  • Annegret Völpel, Ran HaCohen, Dieter Richter, Hans-Heino Ewers: Deutsch-jüdische Kinder- und Jugendliteratur von der Haskala bis 1945. Die deutsch- und hebräischsprachigen Schriften des deutschsprachigen Raums. Ein bibliographisches Handbuch in zwei Bänden. J. B. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-03639-1, S. 280–281 (google.de). (Bibliographie).

Anmerkungen

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  1. Nach Julius Heinrich Dessauer: Geschichte der Israeliten mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte derselben: von Alexander dem Großen bis auf die neuere Zeit. Palm, Erlangen 1846, Frontispiz (Digitalisat).
  2. Barbara Eberhardt, Hans-Christof Haas: Baiersdorf. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern. Band 2: Mittelfranken. Fink, Lindenberg im Allgäu 2010, S. 93; nach Verzeichnis der Erlanger Promotionen 1743–1885. Teil 1. Erlangen 2009, ISBN 978-3-941871-00-7, S. 155 Nr. 667 wurde er 1805 geboren (dort als Quelle handschriftlicher Lebenslauf angegeben).
  3. Bei VIAF die nachweislich falschen Lebensdaten 1818 bis 1882.
  4. Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern. Band 2: Mittelfranken. Fink, Lindenberg im Allgäu 2010, S. 66.
  5. Julius Heinrich Dessauer: Geschichte der Israeliten mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte derselben: von Alexander dem Großen bis auf die neuere Zeit. Palm, Erlangen 1846, S. 522 (Digitalisat).
  6. Jüdisches Leben in Bayern. Jg. 29, Nr. 124, 2014, S. 32 (Digitalisat).
  7. Der Wirkungskreis des Jugendlehrers nach seiner ehrenvollen und für ihn angenehmen Seite dargestellt bei der Einsetzung des israelitischen Religons- und Elementarlehreres Julius Heinrich Desserauer von Karl Georg Friedrich Goes, Stadtpfarrer und Inspector der Schulen zu Baiersdorf im Reg. Kr. Erlangen. In Kommission bei Carl Heyder, 1829; besprochen Allgemeine Schulzeitung. 16. Februar 1830, Sp. 160 (Digitalisat).
  8. Titel der Dissertation: Über den Verfall der hebräischen Sprache. 10 Seiten, handschriftlich, vorhanden im Universitätsarchiv Erlangen. Verzeichnis der Erlanger Promotionen 1743–1885. Teil 1. Erlangen 2009, ISBN 978-3-941871-00-7, S. 155 Nr. 667 (Digitalisat). Nach Die Bayer`sche Landbötin. Nr. 20, 15. Februar 1838, S. 164 (Google Books) wurde er am 15. Dezember 1837 für sein 1838 gedrucktes Buch Leschon rabbanan oder, Gedrängtes, vollständiges aramäisch-chaldäisch-deutsches Handwörterbuch promoviert.
  9. Allgemeine Zeitung des Judentums 17, 1853, Nr. 17, 21. März 1853, S. 154 (Digitalisat); Barbara Eberhardt, Hans-Christof Haas: Baiersdorf. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern. Band 2: Mittelfranken. Fink, Lindenberg im Allgäu 2010, S. 93.
  10. Selected Writings of Isaac M. Wise. Cincinnati 1900, S. 341 (Digitalisat).
  11. Nachruf in: The Israelite 9. August 1872, S. 9.
  12. Ganze Kapitel daraus sind wörtlich ohne Quellenangabe abgeschrieben aus Abraham Alexander Wolff: Die Lehre der Israelitischen Religion, bearbeitet für Stadt- und Landschulen. Mainz 1825, siehe Ben-Chananja. Wochenblatt für jüdische Theologie. Jg. 5, Nr. 16, 18. April 1862, S. 140 (Digitalisat).
  13. Dazu: Annegret Völpel, Zohar Shavit: Deutsch-jüdische Kinder- und Jugendliteratur. Ein literaturgeschichtlicher Grundriß. J. B. Metzler, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-476-05253-7, S. 111. 170 (google.de).
  14. Falk Wiesemann: Simon Krämer (1808–1887), ein jüdischer Dorfschullehrer in Mittelfranken. In: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe. K. G. Saur, München 1988, S. 121–128.
  15. Ausführliche und höchst negative Rezension von Selig Cassel, Zeitschrift für die religiösen Interessen des Judenthums. 3, 1846, S. 35–40. 72–80. 156–160 mit Nachweis von Plagiaten; Antwort von Dessauer ebenda S. 479–484 (Digitalisat).
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