Julius Ofner

österreichischer Politiker und Rechtsphilosoph

Julius Ofner (* 20. August 1845 in Horschenz, Böhmen; † 26. September 1924 in Wien) war ein österreichischer Jurist, Sozialpolitiker, Rechtsphilosoph, Mitglied des Abgeordnetenhauses des Wiener Reichsrats und ein bedeutender Vertreter des Liberalismus in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie.

Julius Ofner vor der Reichsratswahl 1907
Das Grab von Julius Ofner auf dem alten jüdischen Friedhof des Wiener Zentralfriedhofs
Denkmal von Carl Wollek für Julius Ofner in der Taborstraße, bei Nr. 26

Julius Ofner war der Sohn eines jüdischen Kaufmannes und Landwirtes in Böhmen, studierte ab 1863 Rechtswissenschaft an der Universität Prag, anschließend ab 1865 an der Universität Wien. Während seines Studiums wurde er 1865 Mitglied der Fidelitas Wien im Burschenbunds-Convent. 1869 zum Dr. jur. promoviert, arbeitete er seit 1877 als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien. 1896 wurde Ofner als Mitglied der linksliberalen Freisinnigen Demokraten in den Niederösterreichischen Landtag gewählt.[1] In den 1890er-Jahren war er Mitglied der Wiener Fabier Gesellschaft, als deren geistiges Oberhaupt er betrachtet wurde.[2]

1901 bis 1918 war Ofner Reichsratsabgeordneter, war zunächst lange fraktionslos und gehörte ab 1913 dem Klub der deutschen Demokraten, seit 1917 der Deutsch-Freiheitlichen Vereinigung an, wobei er diese kleinen Fraktionen auch als Obmann leitete. Diese Fraktion war eine linksliberale und radikaldemokratische Gruppierung, welche sich aus der Sozialpolitischen Partei entwickelt hatte[3] und sich auf die Ideale der französischen Revolution berief. Auch distanzierte sie sich vom Antisemitismus und Nationalismus der Deutschnationalen.[4]

Ofner war wesentlich beteiligt an der Novellierung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, an der Entwicklung des Arbeitsrechts (unter anderem dem Verbot der Kinderarbeit, Sonntagsruhebestimmungen, Zulassung von Frauen zu bestimmten Berufen, Fürsorge für entlassene Sträflinge) sowie an der Reform des Strafgesetzes.[1] Diese Reformen, die nach ihm inoffiziell auch die Bezeichnung „Lex Ofner“ trugen, betrafen unter anderem die Erhöhung der Schadensgrenze bei Eigentumsdelikten oder die Einführung der bedingten Verurteilung. 1913 wurde er auf Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion an das Reichsgericht berufen.[5] Bei der Reform des Eherechts zog er sich die Gegnerschaft konservativer katholischer Kreise zu.[6]

1918/19 war er Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung. 1919 gründete er die Demokratische Partei, die in den ersten Wahlen aber eine Splitterpartei wurde. Ofner war Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Wien und wurde 1919 ständiger Referent am Verfassungsgerichtshof.[5]

Rechtsphilosophie

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In seinen rechtsphilosophischen Schriften erblickte Ofner den Zweck des Rechts in der Sicherung der Entwicklung des Individuums.[1] Er prägte in Österreich den Begriff „Recht auf Arbeit.“[7] Er sah das Recht in enger Wechselbeziehung zu den sozialen Verhältnissen, weshalb es fortlaufend an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen sei. Die Rechtswissenschaft habe die Aufgabe gestaltend an der Schöpfung „sozialen Rechts“ mitzuwirken.[5][8] In diesem Zusammenhang hat er 1894 in seiner Schrift Studien sozialer Jurisprudenz als Erster den Begriff Sozialstaat verwendet und geprägt, wobei er diesen unbedingt zusammenhängend mit Demokratie und Rechtsstaat begriff.[9]

Ehrungen

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Julius-Ofner-Hof, Wien

Ofner liegt in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 52 A, Reihe 1, Nummer 23).[10]

Der 1926/27 errichtete Julius-Ofner-Hof (Architekt Ernst Lichtblau) in Wien-Margareten wurde ihm gewidmet. Ein 1932 in der Taborstraße aufgestelltes, von Carl Wollek[11] gestaltetes Denkmal wurde von den Nationalsozialisten 1943 entfernt, aber 1948 provisorisch und 1954 endgültig wieder errichtet.[12] Die Ofner-Gasse in Wien-Leopoldstadt wurde 1925 nach ihm benannt.[13]

Die Demokratie verlangt grundsätzlich den Sozialstaat, einen Organismus, der dem Rechtsstaat ähnelt, sich aber nicht wie dieser darauf beschränkt, das Mein und Dein zu halten, während er dessen Bildung dem Spiel der Gewalt und des Zufalls überlässt, sondern die gerechte, auf Gleichheit Aller fußende Verteilung von Vorteilen und Lasten in ihrer Gesamtheit zum Gegenstand seiner Fürsorge nimmt.!“

Julius Ofner[14]

Schriften (Auswahl)

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  • Der Servitutenbegriff nach römischen und österreichischen Recht. Eine kritische Studie. Hölder, Wien 1884. Internet-Archive
  • Das Recht auf Arbeit. Wien 1885.
  • Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. 2 Bände, Hölder, Wien 1889; Nachdruck 1976, ISBN 3-920967-05-4.
  • Studien sozialer Jurisprudenz. Hölder, Wien 1894 (Internet-Archive).
  • Die Revision des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches. Wien 1907.
  • Walther Eckstein (Hrsg.): Recht und Gesellschaft. Gesammelte Vorträge und Aufsätze. Gerold, Wien 1931.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b c H. Knoepfmacher: Julius Ofner. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 7, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, ISBN 3-7001-0187-2, S. 217 f. (Direktlinks auf S. 217, S. 218).
  2. Alexander Emanuely: Das Beispiel Colbert. Fin de siècle und Republik oder die vergessenen Ursprünge der Zivilgesellschaft in Österreich. Ein dokumentarischer Essay. Theodor Kramer Gesellschaft, Wien 2020, ISBN 9783901602856, S. 167.
  3. Eva Holleis: Die Sozialpolitische Partei. Sozialliberale Bestrebungen in Wien um 1900. Wien 1978, ISBN 3486485318, S. 103.
  4. Alexander Emanuely: Das Beispiel Colbert. Wien 2020, S. 170f.
  5. a b c Andreas Thier: Ofner, Julius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 485 (Digitalisat).
  6. Biografie auf The Jewish Virtual Library.
  7. Helga Thoma: Mahner-Helfer-Patrioten. Porträts aus dem österreichischen Widerstand. Edition va bene, Wien/Klosterneuburg 2004, ISBN 3-85167-168-6, S. 70.
  8. Christian Bachhiesl: Der Fall Josef Streck. Ein Sträfling, sein Professor und die Erforschung der Persönlichkeit. Lit, Münster 2006, ISBN 3-8258-9579-3, S. 88.
  9. Alexander Emanuely: Das Beispiel Colbert. Wien 2020, S. 170.
  10. Tor 1 - jüdische Ehrengräber
  11. Alexander Emanuely: Das Beispiel Colbert. Wien 2020, S. 174.
  12. Dr. jur Julius Ofner (Memento vom 6. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) Biografie auf komotau.de
  13. Renate Seebauer: Kein Jahrhundert des Kindes. Kinderarbeit im Spannungsfeld von Schul- und Sozialgesetzgebung. Lit, Münster 2010, ISBN 978-3-643-50162-2, S. 124;
    Julius Ofner. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  14. Julius Ofner: Studien sozialer Jurisprudenz. Wien 1894, 76