Maestà (Duccio)

doppelseitiges Altarbild von Duccio für den Hochaltar der Kathedrale von Siena, heute teilweise aufgeteilt oder verloren gegangen

Die Maestà des Hochaltares des Doms zu Siena (ital. Maestà del Duomo di Siena oder Maestà di Duccio) wurde zwischen 1308 und 1311 von Duccio di Buoninsegna für den Dom von Siena geschaffen und ersetzte ein älteres, kleineres Altarbild, die hochverehrte Madonna del voto von Dietisalvi di Speme. Das Tafelgemälde war ursprünglich ca. 5 m breit und 4,70 m hoch und hatte eine Vorder- und eine Rückseite mit mehr als vierzig Einzelbildern, von denen die meisten heute verteilt sind.[1] Die verbliebenen Teile befinden sich heute im Museo dell’Opera metropolitana del Duomo (Dommuseum von Siena).

Vorderseite
Die Maestà des Duccio
Die Maestà des Duccio
Rückseite

Vorderseite

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Die Vorderseite des Altarbildes zeigt zum Volk hin, ist auf Fernbetrachtung ausgelegt, und deshalb recht groß. Es zeigt traditionell die Ikone: Die thronende Madonna, die Stadtheilige Sienas, umgeben von ihrem himmlischen Hofstaat aus Heiligen und Engeln. Die Madonna hat große Ähnlichkeiten zu ihrer Vorgängerin, der Madonna del voto, was wohl das Wohlwollen des Volkes für das neue Werk sichern sollte. Ergänzt wird das Bild durch die vier Stadtheiligen Ansanus, Viktor, Savinus und Creszentius, welche vor der Madonna knien und stellvertretend Fürbitte für Sienas Bevölkerung einlegen. Die Maestà mit dem Kind ist bedeutungsperspektivisch dargestellt: Unnatürlich groß und in der Mitte des Bildes. 1771 trennte man Vorder- und Rückseite voneinander, und später kam es zu bedauerlichen Zerlegungen. Acht Predellentafeln wanderten ins Ausland, wo sie heute in verschiedenen Sammlungen und Museen bewahrt werden. Ein Feld der Predella ist verschollen. Die übrigen Teile – Maestà und die entsprechenden Szenen der Rückseite sowie sieben Predellenbilder – befinden sich heute im Dommuseum in Siena. Nur der Mittelteil der Frontseite, die Madonna im Kreis von Engeln und Heiligen, ist heute noch als Einheit erhalten. Die Vorstellung des ganzen Altars bedarf der Rekonstruktion fehlender Teile und der originalen Rahmung. Dabei stellt sich heraus, dass das Werk insgesamt fünf Bildzonen und einen architektonischen (gotischen) Umriss mit Giebeln, Fialen und Streben besaß.

Rückseite

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Die Rückseite ist auf den Chor ausgerichtet, auf Nahansicht ausgelegt, und war nur von Geistlichen einsehbar. Sie ersetzte den in dieser Position üblichen Christusaltar und zeigte in einem Ensemble kleinteiliger Tafeln die Passion Christi.

Engel der Altarbekrönung

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Von den ursprünglich zwölf Engeln der Altarbekrönung sind nur noch vier in unterschiedlichen Museen außerhalb Italiens erhalten, im Mount Holyoke College Art Museum, in South Hadley, Massachusetts, im Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, im Museum Stichting Huis Bergh, ’s-Heerenberg, Niederlande und ein Engel ehemals in der Sammlung Stoclet.

Ergänzungen

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Nach 1331 wurden vier Seitenaltäre errichtet, die den vier Stadtheiligen Ansanus, Viktor, Savinus und Crescentius, geweiht wurden. Die vier Altäre wurden in den folgenden 20 Jahren von damals bedeutenden Malern der Stadt gestaltet. Es wurde wohl schon damals ein Gesamtprogramm festgelegt, das einen Bezug zum Hochaltar mit der Maestà herstellte.

Eine Besonderheit der Altäre stellt die Beiseiterückung der Heiligen dar, die nicht mehr, wie üblich, in der Mitte dargestellt wurden. Stattdessen wurde jeweils eine Szene aus dem Leben der Muttergottes (in Leserichtung von links nach rechts) dargestellt, die Heiligen wurden zu ihrer Dexter-Seite, also zu ihrer Rechten, dargestellt. Der alte Retabeltypus, der immer die heilige Person im Zentrum darstellte, wurde durch ein narratives Altargemälde ersetzt – eine kunsthistorische Revolution.

Die Vier Altäre in Leserichtung

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  1. Die Verkündigung von Simone Martini (1333) – Altar des hl. Ansanus
  2. Darbringung im Tempel von Ambrogio Lorenzetti (1342) – Altar des hl. Crescentius
  3. Geburt Mariens von Pietro Lorenzetti (1342) – Altar des hl. Savinus
  4. Anbetung der Hirten von Bartolomeo Bulgarini (1351) – Altar des hl. Viktor

Die Verweisfunktion durch Schrägansicht bei der Geburt Mariens von Pietro Lorenzettí

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Das Ungewöhnliche an Lorenzettis Gemälde ist die Umdeutung der drei architektonischen Kompartimente des Altars in zwei Räume: Das linke zeigt den Vorraum des Tempels, wo Joachim die Nachricht von der Geburt seiner Tochter erhält, das Mittlere und das Rechte zeigen die Geburtsstube. Der Fluchtpunkt des Gemäldes befindet sich nach rechts versetzt statt auf der Mittelvertikalen des Gemäldes, was den Betrachter in das Mittelschiff des Doms verortet. Es ist, als sähe man von dort aus in die zwei simulierten Innenräume. Diese Schrägansicht hat offenbar eine Verweisfunktion: Sie ordnet den Seitenaltar der Maestà unter, vor der man vom Betrachterstandpunkt aus stehen würde.

Auch Bartolomeo Bulgarini, der nach dem Pesttod seiner Vorgänger 1251 den letzten Altar schuf, orientierte er sich an Pietro Lorenzettis Vorbild der perspektivischen Darstellung.

Das Rundfenster

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Das große Rundfenster im Chor von 1287 ist über dem Retabel sichtbar. Im Rundfenster ist Mariä Aufnahme in den Himmel, darüber die Marienkrönung, darunter der Marientod in den Ecken die Evangelisten mit ihren Attributen. Das Fenster enthält bei näherer Betrachtung kaum sichtbare Schriftzüge, die darauf schließen lassen, dass das Fenster nicht nur für den irdischen Betrachter gedacht ist (der die Schrift vom Kirchenboden aus nicht erkennen kann). In Bezug auf die Maestà führt das Fenster die Erzählung des Marienlebens weiter aus.

Blickrichtungen

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1. Chronologisch-narrativ:

Unter Einbeziehung der Seitenaltäre sind die Gemälde als Erzählung des Marienlebens zu verstehen. Die Seitenaltäre zeigen in horizontaler Blickrichtung Stationen ihres Lebens, während die Maestà die Menschwerdung Christi darstellt.

2. Symbolisch-transzendental:

Unter Einbezug des Rundfensters zur Maestà wird Marias Leben nach dem Tod in vertikaler Blickrichtung erzählt: Tod, Himmelfahrt, Krönung, Befehligung der Heerscharen im Himmel.

3. Perspektivisch:

Die verschobenen Fluchtpunkte der Seitenaltare zur Maestà hin und der imaginierte Betrachterstandpunkt, also die Verortung des Betrachters lenken den Blick immer wieder zur Maestà: Alles ordnet sich ihr unter.

  • Hans Belting: Das Werk im Kontext in: Hans Belting u. a. (Hrsg.): Kunstgeschichte – eine Einführung. Berlin, 2003. (S. 235–243 zur Maestà)
  • Diana Norman: Siena and the Virgin: Art and politics in a late medieval city state, New Haven, 1999.
  • Giulietta Chelazzi Dini u. a.: Sienesische Malerei. Köln 1997

Einzelnachweise

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  1. Five Colleges and Historic Deerfield Museum Consortium
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Commons: Maestà (Duccio) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien