Mircea Cărtărescu

rumänischer Schriftsteller

Mircea Cărtărescu, Aussprache ˈmirt͡ʃe̯a kərtəˈresku, (* 1. Juni 1956 in Bukarest) ist ein rumänischer Schriftsteller.

Mircea Cărtărescu (2024)
Mircea Cărtărescu (2003)

Mircea Cărtărescu stammt aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs in Bukarest auf. Nach einem Philologiestudium und mehrjähriger Tätigkeit als Gymnasiallehrer arbeitete er als Lektor für rumänische Sprache und Literatur an der Universität Bukarest.

In den 1980er-Jahren bewegte sich Cărtărescu in Rumänien in Literaturkreisen und einer Gruppe Bukarester Schriftsteller, deren Bedeutung für ihn grundlegend war: „Eigentlich war die Wirklichkeit eine Parallelwelt der Literaturkreise, denn die waren für uns die Normalität.“

Im Jahr 1989 reiste er nach Westeuropa und Amerika und erlebte dabei einen „Kulturschock“. Über dieses und andere wichtige Themen seiner Biografie und seines literarischen Selbstverständnisses gab er 2012 ausführlich Auskunft in einem langen Gespräch, das in der Literaturzeitschrift Sinn und Form erschien.[1]

In den Jahren 1994/95 lebte er ein Jahr lang in Amsterdam. Die Eindrücke dieser Zeit verarbeitete er in seinem Roman Der Körper. Cărtărescus Frau stammt aus einer Pfingstlerfamilie.[2]

Seine schriftstellerische Vorliebe galt bis 1989 ausschließlich der Poesie. Seit 1978 erschienen von ihm Gedicht- und Erzählbände. Der Gedichtband Faruri, vitrine, fotografii („Scheinwerfer, Schaufenster, Lichtbilder“) brachte ihm 1980 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes. In den folgenden zwanzig Jahren veröffentlichte Cărtărescu Poeme de amor („Liebesgedichte“), Totul („Das Ganze“), Levantul („Levante“), Dragostea („Die Liebe“), Dublu CD („Doppelte CD“) und 50 Sonete („50 Sonette“). Er selbst hält das nicht übersetzte – und, wie er sagt, unübersetzbare – Versepos Levantul für sein „bestes Buch“.[3]

Über das, was Poesie für ihn bedeutet, über seine Hinwendung von der Lyrik zur Prosa, über seine zentralen Werke Orbitor und das Poem Levantul („Levante“), über das „Balkanische“ in seinen Werken gab er 2012 in dem erwähnten Gespräch in Sinn und Form ausführlich Auskunft.[4] Über das Spezifische der rumänischen Postmoderne, über die er promoviert hatte, sagte er: „Wir entdeckten die Postmoderne im Vergleich zum Westen ziemlich spät, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Meine Generation benutzte den Terminus, um einen Bruch mit der europäischen Dichtungstradition zu markieren und eine neue Tradition zu schaffen, die ihren Ausgangspunkt in der amerikanischen Literatur hatte. Aber wir verwendeten ihn in erster Linie ideologisch im Sinne einer literaturpolitischen Konfrontation und erst in zweiter Linie ästhetisch oder theoretisch“.

Nach langjähriger publizistischer Mitarbeit bei den wichtigsten Literaturzeitschriften Rumäniens leistete Cărtărescu 1999 auch als Literaturkritiker einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Erneuerungswege der (rumänischen) Literatur: Seine Dissertation Postmodernismul românesc („Der rumänische Postmodernismus“) ist eine Analyse der rumänischen Gegenwartsliteratur aus der Sicht der Postmoderne.[5]

Der 2007 auf Deutsch erschienene Roman Die Wissenden ist der erste Teil einer Trilogie, die im Original den Titel Orbitor trägt. Deren dritter Teil erschien im Herbst 2007 in Rumänien.[6] Die Eindrücke seiner Amsterdamer Zeit verarbeitete er in seinem Roman Der Körper. Das Haus der Kulturen der Welt zeichnete Cărtărescu im Jahr 2012 für diesen Roman mit dem Internationalen Literaturpreis aus. Mit Der Körper sei dem Autor ein fulminanter Roman und sprachlich elektrisierendes Kunstwerk von seltener Intensität und Leuchtkraft gelungen. Die Selbsterkundung des Icherzählers Mircea werde zur Welterkundung und breite ein literarisch vernetztes Denken aus, das kleinste und größte Elemente der Existenz zusammenführe, das Denken und Sprechen in neuronaler Metaphorik mit dem Kosmos verwebe, urteilte die Jury.[7]

Ebenfalls bei Suhrkamp erschienen 2008 seine Kurzerzählungen „Warum wir die Frauen lieben“, die Übersetzung des rumänischen Bestsellers von 2005 (De ce iubim femeile, Humanitas).

Zu Ernest Wichners Cărtărescu-Übersetzungen meinte Ronald Pohl (Der Standard) anlässlich des Erscheinens von Melancolia, sie seien „stets federnd und wunderbar ausgehört“.[8] Laut Pohl handle sich bei Melancolia jedoch nicht um einen Erzählband (wie angegeben), sondern um einen verwegenen Kindheitsroman,[8] um Traumimagination.

In Theodoros (2024) erzählt Cărtărescu die fiktive Geschichte des Aufstiegs eines einfachen Mannes zum Kaiser von Äthiopien: Das Werk kombiniert historische Fakten mit mythischen und fantastischen Elementen, wobei die Handlung im 19. Jahrhundert beginnt und sich durch verschiedenste Welten und Zeiten bewegt; Theodoros erlebt dabei zahlreiche Abenteuer, von der Mitgliedschaft in einer Räuberbande bis hin zur Herrschaft über Äthiopien, wo er als blutrünstiger Despot endet, wobei Cărtărescu reale historische Ereignisse mit surrealen Erzählsträngen verwebt, die oftmals ins Kosmologische und Allegorische abdriften.[9]

Cărtărescu ist heute auch im Westen anerkannt als einer der bedeutendsten Vertreter des rumänischen Postmodernismus.

Werke (Auswahl)

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Orbitor-Trilogie:

Auszeichnungen, Ehrungen

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Literatur

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Commons: Mircea Cărtărescu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Anke Pfeifer: Gespräch mit Mircea Cărtărescu. Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer. Sinn und Form 3/2012, S. 383–394.
  2. FAZ Nr. 144, 23. Juni 2012, S. Z6.
  3. „Die Welt ist die wirkliche Poesie“, Interview mit Mircea Cartarescu, Cargo #4 Inhaltsübersicht (Memento des Originals vom 18. September 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cargo-film.de, 2009, S. 42
  4. Anke Pfeifer: Gespräch mit Mircea Cărtărescu. Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer. Sinn und Form 3/2012, S. 383–394.
  5. Dictionarul Scriitorilor Români, Ed. Fundatiei Culturale Române, Bucuresti, 1995, vol.1, S. 527–530
  6. Literaturbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 20. November 2007
  7. Haus der Welt der Kulturen, abgerufen am 23. Mai 2012.
  8. a b Mircea Cărtărescus „Melancolia“: Nicht alle Häute im Schrank. Abgerufen am 4. Dezember 2022 (österreichisches Deutsch).
  9. Thomas Hummitzsch: Roman „Theodoros“ von Mircea Cărtărescu: Die grausame Schönheit der Welt. In: Der Freitag. ISSN 0945-2095 (freitag.de [abgerufen am 9. Oktober 2024]).
  10. zeit.de vom 17. Dezember 2019 / Burkhard Müller: Rezension
  11. Rezension zu Mircea Cărtărescus Roman Theodoros. 5. Oktober 2024, abgerufen am 12. Oktober 2024.
  12. Auszeichnungen: Spycher: Literaturpreis Leuk an Mircea Cărtărescu und Michael Roes. In: boersenblatt.net. web.archive.org, 24. Juni 2013, archiviert vom Original am 2. Mai 2014; abgerufen am 25. November 2019.
  13. Mircea Cărtărescu wurde in Florenz geehrt, boersenblatt.net, 15. Juni 2016, abgerufen am 15. Juni 2016
  14. Mircea Cartarescu erhält Thomas-Mann-Preis 2018 (Memento vom 13. Februar 2018 im Internet Archive)
  15. Premio Formentor für Mircea Cartarescu, boersenblatt.net, erschienen und abgerufen am 10. April 2018
  16. https://events.latimes.com/festivalofbooks/bookprizes/history/?sc_eh=cc293d683076ed541
  17. Evelyn O’Rourke: Romanian author Mircea Cărtărescu wins Dublin Literary Award, rte.ie, veröffentlicht und abgerufen am 23. Mai 2024.