Nikolaus von Straßburg

dominikanischer Theologe

Nikolaus von Straßburg (auch Nicolaus de Argentina) OP († nach 1331) war ein dominikanischer Theologe, Lesemeister und Prediger.

Nikolaus war von 1315 bis 1320 Philosophiedozent am Konvent des Dominikanerordens. 1322 studierte er in Paris und ist von Sommer 1323 bis 1325 Theologiedozent am Kölner Studium generale der Dominikaner.[1] Er predigte u. a. 1323–25 in Freiburg in Brüder- und Schwesterkonventen der Dominikaner in und bei Freiburg (St. Agnes in Freiburg, Adelhausen bei Freiburg) und 1324 auf dem Provinzkapitel der Dominikaner in Löwen.[2]

Am 1. August 1325 wurde er Generalvikar (Vikar des Ordensgenerals) und Visitator für die deutsche Ordensprovinz („Teutonia“). Nikolaus leitete 1325–26 ein ordensinternes Verfahren gegen Eckhart von Hochheim – möglicherweise, um einem erzbischöflichen Verfahren durch Heinrich von Virneburg gegen Eckhart wegen Häresievorwürfen zuvorzukommen.[3] Dieses Verfahren wurde mit einem Freispruch für Eckhart und der Verurteilung seiner beiden Denunzianten entschieden. Die beiden Ordensbrüder strengten aber im Sommer 1326 ein erzbischöfliches Verfahren gegen Eckhart an. Wegen seines Vorgehens gegen einen der beiden, Wilhelm von Nidecke, wurde Anfang 1327 auch gegen Nikolaus als vorgeblicher Behinderer der Inquisition (impeditor inquisitionis) ein Prozess geführt. Das Kölner geistliche Gericht verurteilte ihn. Nikolaus appellierte (wie Eckhart) an den Papst und reiste dazu nach Avignon.[4] Offenbar wurde das Urteil durch den Papst dispensiert und Nikolaus noch 1327 als Provinzialdefinitor der Teutonia auf das Generalkapitel zu Perpignan gesandt. Dagegen erhob am 18. September 1328 der Ordensgeneral der Franziskaner, Michael von Cesena, bei der päpstlichen Kurie Einspruch und denunzierte Nikolaus als Begünstiger der Häresie.[5] Am 13. April 1331 ersuchte Papst Johannes XXII. um Revision des Kölner Urteils gegen Nikolaus umwillen des Ansehens des Dominikanerordens.[6]

  • Deutsche Predigten (min. 13 überliefert)[7]
    • Franz Pfeiffer: Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts, Leipzig 1845, Bd. 1, S. 261–305 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  • Summae philosophiae (wohl zw. 1315–1321)[8]
    • Summa, liber I. Herausgegeben von Ruedi Imbach. Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi (CPTMA) 5,1, Meiner, Hamburg 2009. ISBN 978-3-7873-1750-9.
    • Summa, Summa, liber II, tract. 1–2. Herausgegeben von Gianfranco Pellegrino. Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi (CPTMA) 5,2(1), Meiner, Hamburg 2009. ISBN 978-3-7873-1751-6.
    • Summa, Summa, liber II, tract. 3–7. Herausgegeben von Gianfranco Pellegrino. Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi (CPTMA) 5,2(2), Meiner, Hamburg 2009. ISBN 978-3-7873-1752-3.
    • Summa, Summa, liber II, tract. 8–14. Herausgegeben von Tiziana Suarez-Nani. Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi (CPTMA) 5,2(3), Meiner, Hamburg 2009. ISBN 978-3-7873-0968-9.
    • Summa, Summa, liber III. Herausgegeben von Ruedi Imbach. Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi (CPTMA) 5,3, Meiner, Hamburg 2011. ISBN 978-3-7873-1753-0.
  • Traktate
    • De adventu Christi et Antichristi et finde mundi, gewidmet zunächst 1323 dem Trierer Erzbischof Balduim, dann 1326 dem Papst Johannes XXII; im ersten und dritten Teil eine Bearbeitung zweier Traktate von Johannes von Paris[9]
    • Flores de gestis beate Mariae Virginis[10]
    • De beato evangelista Johanne
    • evtl. Redaktion von Pharetra fidei, eine kontroverstheologische Traktatkompilation in Dialogform mit antijüdischer Polemik[11]
    • Hillenbrand 1968 plädiert zudem für eine Zuschreibung einiger deutscher Traktate an Nikolaus, was in der weiteren Forschung eher bezweifelt wird.

Literatur

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  • Dagmar Gottschall: Nikolaus von Straßburg, Meister Eckhart und die cura monialium. In: Andrés Quero-Sánchez, Georg Steer (Hrsg.): Meister Eckharts Straßburger Jahrzehnt. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019539-4, S. 95–118 (Meister-Eckhart-Jahrbuch 2), (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Eugen Hillenbrand, Kurt Ruh: Nikolaus von Straßburg OP. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 6. Band 2. völlig neubearbeitete Auflage. 1987, ISBN 3-11-010754-6, Sp. 1153–1162.
  • Eugen Hillenbrand: Nikolaus von Straßburg. Religiöse Bewegung und dominikanische Theologie im 14. Jahrhundert. Albert, Freiburg (Breisgau) 1968 (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 21, ISSN 0532-2197), (Zugleich: Freiburg/Br., Univ., Diss., 1966).
  • Ruedi Imbach: Metaphysik, Theologie und Politik: Zur Diskussion zwischen Nikolaus von Strassburg und Dietrich von Freiberg über die Abtrennbarkeit der Akzidentien. In: Theologie und Philosophie. 61, 1986, ISSN 0040-5655, S. 359–395.
  • Ruedi Imbach, Ulrika Lindblad: Compilatio rudis ac puerilis. Hinweise und Materialien zu Nikolaus von Straßburg O. P. und seiner Summa. In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie. 32, 1985, ISSN 0016-0725, S. 155–233.
  • A. Jahn (Hrsg.): Lesefrüchte altdeutscher Theologie und Philosophie. = Theologie und Philosophie aus Heinrich Suso und Nicolaus von Straßburg. Jenni, Bern 1838.
  • Freimut Löser: Nikolaus von Straßburg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 275 f. (Digitalisat).
  • Peter-Johannes SchulerNikolaus von Straßburg. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 928–931.
  • Philipp Strauch: Nikolaus von Straßburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 628–630.
  • Loris Sturlese: Eckhart, Teodorico e Picardi nella „Summa philosophiae“ di Nicola de Strassburgo. In: Giornale Critico della Filosofia Italiana. 63, 1982, ISSN 0017-0089, S. 183–206.
  • Tiziana Suarez-Nani: Tempo ed essere nell’ autunno del medioevo. Il „De tempore“ di Nicola di Strasburgo e il dibattito sulla natura ed il senso del tempo agli inizi del XIV secolo. Grüner, Amsterdam 1989, ISBN 90-6032-298-3 (Bochumer Studien zur Philosophie 13).
  • Claus Wagner: Materie im Mittelalter. Edition und Untersuchungen zur Summa (II,1) des Nikolaus von Straßburg OP. Universitäts-Verlag, Freiburg 1986, ISBN 3-7278-0374-6 (Studia Friburgensia. NF 67), (Zugleich: Freiburg (Schweiz), Univ., Diss., 1985).
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Anmerkungen

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  1. Nikolaus wird in der Beauftragung durch Johannes XXII. als Visitator der Teutonia vom 1. August 1325 als „olim lector(em) in conventu Coloniensi“ bezeichnet. Das Dokument ist publiziert bei Heinrich Denifle: Der Plagiator Nikolaus von Strassburg. In: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 4 (1888), 312–329, hier 314–316 und dort 314. Vgl. zu den diesbezüglichen biographischen Hypothesen Winfried Trusen: Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen. Paderborn u. a. 1988, S. 46; 63; Walter Senner: Johannes von Sterngassen und sein Sentenzenkommentar, Teil I. Akademie Verlag, Berlin 1995, ISBN 3050025794, S. 134 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche); Walter Senner: Meister Eckhart in Köln. In: Klaus Jacobi (Hrsg.): Meister Eckhart. Lebensstationen – Redesituationen. Akademie Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-05-004809-3, S. 207–237, hier 207ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche); Löser 1999. In den Dokumenten zum Prozess gegen Eckhart von Hochheim wird Nikolaus aber noch als „lector fratrum ordinis Predicatorum domus Coloniensis“ angeführt. Vgl. Senner 1995, 133; Gabriel Löhr: Zur Geschichte der Kölner Dominikanerschule im 14. Jahrhundert, in: Divus Thomas 23 (1945), S. 57–84; Imbach / Lindblad 1985, 166f. Beim Appell an den Papst von 1327 nennt sich Nikolaus u. a. „lector fratrum Predicatorum domus Coloniensis“, vgl. Senner 1995, 134. Vgl. unter den älteren Darstellungen noch Ch. Schmidt: Le Dominicain Nicolas de Strasbourg, in: Revue d’Alsace 47 (N.S. 10) (1896), S. 145–155.314–339.
  2. Dort wird er als „lesemeister von Koln“ bezeichnet, vgl. Pfeiffer 1845, I, 261,1f; Senner 1995, 133; Imbach / Lindblad 1985, 160f. Zur gehaltenen Predigt ausführlich Christoph Burger: Gottes Gnadenangebot und der Erziehungsauftrag der christlichen Kirche im Konflikt. Die Predigt über den Goldenen Berg des Nikolaus von Straßburg, in: Gudrun Litz / Heidrun Munzert, Roland Liebenberg (Hrsg.): Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag, Leiden u. a. 2005. (Studies in the history of christian traditions 124), S. 65–79 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. So eine Vermutung von Kurt Ruh: Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker. München 1985, S. 69.
  4. Vgl. Senner, 134; Imbach / Lindblad 1985, 167–169; Trusen 1988, 109–112.
  5. Nikolaus wird in den Akten bezeichnet als „fautor et defensor maximus fratris Aycardi et haeresium suarum“. Vgl. Michael von Cesena: Appellatio maior, in: Acta Echardiana, Meister Eckhart: Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Kohlhammer, Stuttgart, Die lateinischen Werke (LW), Band 5: Magistri Echardi opera Parisiensia. Tractatus super oratione dominica. Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis. Acta Echardiana, hrsg. Bernhard Geyer, Loris Sturlese u. a., 2006, ISBN 3-17-001086-7, S. 595.
  6. Vgl. Imbach / Lindblad 1985, 164f; Gottschall 2008, 99.
  7. Angaben zu sonstigen Nikolaus zugeschriebenen Predigten und anderen Texten in älteren Ausgaben bei Philipp Strauch: Nikolaus von Straßburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 628–630. Weiteres zu Überlieferung, Datierung und Sprachversion bei Reinhold Nebert: Untersuchungen über die Entstehungszeit und den Dialekt der Predigten des Nikolaus von Strassburg, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 33 (1901), S. 456–485; Ders.: Die Heidelberger Handschrift 641 und die St. Florianer Handschrift XI 284 der Predigten des Nicolaus von Strassburg, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 34 (1902), S. 13–45. Zur mystischen Theologie des Nikolaus siehe noch Paul-Gundolf Gieraths: Reichtum des Lebens. Die deutsche Dominikanermystik des 14. Jahrhunderts (Für Glauben und Leben 6), Düsseldorf 1956.
  8. Imbach / Lindblad 1985, 177–180; Senner 1995, 115; Hillenbrand 1987, 1155.
  9. Vgl. dazu Heinrich Denifle: Der Plagiator Nikolaus von Strassburg, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 4 (1888), 312–329.
  10. Vgl. Hillenbrand 1968, 34.79.
  11. Vgl. Carmen Cardelle de Hartmann: Lateinische Dialoge 1200–1400. Literaturhistorische Studie und Repertorium, Brill, Leiden 2007, S. 388–392 (R26) (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).