Nora Bossong
Nora Bossong (* 9. Januar 1982 in Bremen) ist eine deutsche Schriftstellerin.
Leben
BearbeitenNora Bossongs Vater Horst Bossong arbeitete als Sozialwissenschaftler für den Hamburger Senat und als Hochschullehrer in Essen. Sie wuchs in Bremen und Hamburg auf[1] und lebt in Berlin.
Bossong studierte Literatur am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig sowie Kulturwissenschaft, Philosophie und Komparatistik an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und der Universität La Sapienza in Rom. Ihr Studium schloss sie mit einer Magisterarbeit zur „Inszenierung des Bösen“ im Werk des Filmregisseurs David Lynch ab.[1] Im Wintersemester 2018/19 arbeitete sie als Dozentin für Poetik an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. 2018 unterstützte sie das Bündnis Unteilbar.[1] 2001 war sie Stipendiatin des ersten Literatur Labors Wolfenbüttel.
Bossong war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und von 2017 bis 2019 Beisitzerin in dessen Präsidium.[1] Seit 2022 ist sie Mitgründerin des PEN Berlin. Seit April 2021 ist sie zugewähltes Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).[2] Im Dezember 2021 wurde sie als ordentliches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz aufgenommen.[3]
Werk
BearbeitenNora Bossong begann schon als Kind zu schreiben.[1] Sie verfasst Lyrik und Prosa, die einzeln, in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden. 2006 debütierte sie mit dem Roman Gegend. Ihr 2015 vorgelegter Roman 36,9° behandelt den italienischen Politiker Antonio Gramsci. 2019 recherchierte sie in Paris für einen Roman über die Gelbwesten. Nachdem ihr Computer mit den Materialien gestohlen worden war, brach sie das Projekt ab.[4]
2019 gelangte ihr Roman Schutzzone auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Die Jury lobte die Geschichte einer UN-Mitarbeiterin aus Genf, die zwischen der Aufarbeitung des Völkermords in Burundi und der Begegnung mit einem alten Jugendfreund hin- und hergerissen ist, als „virtuosen Roman“.[5]
Bossong wurde für ihr literarisches Werk mehrfach ausgezeichnet. 2020 erhielt sie neben dem Thomas-Mann-Preis den renommierten Joseph-Breitbach-Preis. Dessen Jury lobte ihre Romane Webers Protokoll, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 36,9° und Schutzzone, in denen sie „aus genauer Metierkenntnis“ Psychogramme von Menschen entwickle, „die als Individuen unsere Anteilnahme gewinnen, als prototypische Leistungsträger den Schrecken vermehren“. Bossong sei „eine Poetin, die ihre eminenten Möglichkeiten zur Versprachlichung von Welt als Verpflichtung nimmt, sich den großen Themen zu stellen“.[6] Ihr Werk sei zwar hochgradig politisch, sie moralisiere aber nicht. Sie widme sich den Irrungen und Wirrungen eines eurozentrischen Jahrhunderts, die Protagonisten ihrer Romane seien unterschiedliche Frauen und Männer – vom Diplomaten über einen Textilfabrikanten mit seiner Tochter bis hin zu einer UN-Mitarbeiterin.[7]
Rezeption
BearbeitenDie Hauptfigur in Nora Gomringers Erzählung Recherche, mit der Gomringer den Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 gewann, trägt den Namen Nora Bossong und ist Schriftstellerin.[8]
Anno Schreier komponierte 2017 einen Liederzyklus Fünf Lieder nach Gedichten von Nora Bossong auf Texte aus dem Band Reglose Jagd.[9]
Veröffentlichungen
Bearbeiten- Gegend. Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-627-00136-2.
- Reglose Jagd. Gedichte. Edition Postskriptum im Verlag zu Klampen, Springe 2007, ISBN 3-933156-88-2.
- Standort. Audio-CD. Münchner-Frühling-Verlag, München 2009.
- Webers Protokoll. Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2009, ISBN 3-627-00159-1.[10]
- Sommer vor den Mauern. Gedichte. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2011, ISBN 3-446-23629-5.
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Roman. Hanser, München 2012, ISBN 978-3-446-23975-3.
- 36,9°. Roman. Hanser, München 2015, ISBN 978-3-446-24898-4.
- Rotlicht. Reportage. Hanser, München 2017, ISBN 978-3-446-25457-2.
- Kreuzzug mit Hund. Gedichte. Suhrkamp, Berlin 2018, ISBN 978-3-518-42818-4.[11]
- Schutzzone. Roman. Suhrkamp, Berlin 2019, ISBN 978-3-518-42882-5.[12]
- Auch morgen. Politische Texte. Suhrkamp, Berlin 2021, ISBN 978-3-518-12773-5.
- Die Geschmeidigen: Meine Generation und der neue Ernst des Lebens. Ullstein, Berlin 2022, ISBN 978-3-550-20200-1.
- Reichskanzlerplatz. Suhrkamp, Berlin 2024, ISBN 978-3-518-43190-0.
Literatur
Bearbeiten- Hauke Kuhlmann: Die Idylle in der Lyrik der Gegenwart. Nora Bossongs Sommer vor den Mauern. In: Jan Gerstner und Christian Riedel (Hrsg.): Idyllen in Literatur und Medien der Gegenwart. Aisthesis, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8498-1279-9.
- Theo Breuer: Zwanzig Tage – Zwanzig Romane : Ein Buchspiel. In: Matrix. Zeitschrift für Literatur und Kunst, 58. Ausgabe, Pop Verlag, Ludwigsburg 2019, S. 7–167.
- Karl Tetzlaff: Eine protestantische Katholikin. Zur Hoffnung zurückkehren: religiöse Perspektiven bei Nora Bossong, in: zeitzeichen 2024, Heft 8.
Auszeichnungen
Bearbeiten- 2001: Preisträgerin beim Treffen Junger Autoren
- 2001: Stipendiatin des Literatur Labor Wolfenbüttel
- 2001: Bremer Autorenstipendium
- 2003: Klagenfurter Literaturkurs
- 2004: Leipziger Literaturstipendium
- 2005: Prosawerk-Stipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung
- 2007: Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis
- 2007: Berliner Senatsstipendium
- 2008: New York-Stipendium im Deutschen Haus
- 2010: Stipendium des Heinrich-Heine-Hauses der Stadt Lüneburg
- 2011: Kunstpreis Berlin (Literatur) der Akademie der Künste Berlin
- 2012: Peter-Huchel-Preis für Sommer vor den Mauern
- 2016: Roswitha-Preis
- 2019: Kranichsteiner Literaturpreis
- 2020: Wilhelm-Lehmann-Preis für Schutzzone[13]
- 2020: Thomas-Mann-Preis
- 2020: Joseph-Breitbach-Preis[14]
- 2024: Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis[15]
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Nora Bossong im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Nora Bossong bei Perlentaucher
- Kurzbiographie und Angaben zum Werk von Nora Bossong bei Literaturport
- Anna Bilger: Balancieren durch die Zwischenräume der Metaphern, Porträt bei Deutschlandradio Kultur, 26. Juni 2007
- Auszug aus "Webers Protokoll" auf Literaturport.de (von der Autorin eingelesen)
- Deutschlandfunk Kulturfragen. Debatten und Dokumente vom 7. Oktober 2018: Demonstration #unteilbar. Europas Errungenschaften stehen auf der Kippe
- „Porträt: Nora Bossong“ ( vom 19. Mai 2014 im Internet Archive) Goethe-Institut China
- WDR 3 (Westdeutscher Rundfunk) Mosaik Samstagsgespräch vom 19. Juni 2021
- „Für mich ist das eine peinliche Selbstheroisierung“: Warum Nora Bossong Annalena Baerbocks Mutter-Image ablehnt. In: Der Tagesspiegel Onlineportal. 6. Mai 2022, abgerufen am 7. Mai 2022.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e Nora Bossong. In: Internationales Biographisches Archiv 32/2019 vom 6. August 2019, ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 17/2020 (abgerufen via Munzinger-Archiv).
- ↑ Insgesamt 45 Einzelpersönlichkeiten gewählt. ZdK-Wahl abgeschlossen: Das sind die neuen Mitglieder des Komitees. In: katholisch.de, 29. April 2021 online
- ↑ Prof. Dr. Uğur Şahin und Prof. Dr. Özlem Türeci sind zwei von 13 neuen Mitgliedern in der Akademie : Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz. Abgerufen am 14. Januar 2022.
- ↑ Handtasche weg – und die bürgerliche Existenz auch. Abgerufen am 11. August 2019.
- ↑ Schutzzone. In: deutscher-buchpreis.de (abgerufen am 23. August 2019).
- ↑ Nora Bossong erhält den Joseph-Breitenbach-Presi 2020. In: joseph-breitbach.de, 14. Juli 2020 (PDF-Datei, abgerufen am 18. Juli 2020).
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Weiterer Literaturpreis für Nora Bossong. Abgerufen am 2. August 2020.
- ↑ Nora Gomringer: Nora Gomringer: „Recherche“. FAZ, 5. Juli 2015, abgerufen am 31. August 2015.
- ↑ Website des Komponisten. – Konzertkritik zur Uraufführung: Sybill Mahlke: Nachtigallen und Neckerei. In: Der Tagesspiegel, 28. März 2018: „Alltagsträume geraten bei Bossong in eine eigene, fesselnde poetische Beleuchtung. Die Vertonung ist gefällige Stimmungsmusik.“ – Audio-Download: Mezzosopranistin Amira Elmadfa mit Liedern von Anno Schreier, swr.de, 12. Januar 2021.
- ↑ Generalkonsul Horst Weber, siehe Johannes Hürter (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 5: T–Z, Nachträge. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst (Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger). Schöningh, Paderborn u. a. 2014, ISBN 978-3-506-71844-0, S. 188 f.
- ↑ André Hatting: „Der Geist erstickt mit Graubrot“ - Gedichtband "Kreuzzug mit Hund" ist teilweise erstaunlich, Rezension in Die Zeit vom 28. Januar 2019, abgerufen am 13. Oktober 2019.
- ↑ Nora Bossong im Gespräch mit Ute Welty: „Frieden als notwendige Utopie“, abgerufen am 13. Oktober 2019.
- ↑ Nora Bossong prämiert. In: boersenblatt.net. 24. Februar 2020, abgerufen am 24. Februar 2020.
- ↑ Nora Bossong erhält den Joseph-Breitbach-Preis 2020, buchmarkt.de, erschienen und abgerufen am 14. Juli 2020.
- ↑ Verleihung des Elisabeth-Langgässer-Literaturpreises an Nora Bossong am Samstag, 24. Februar Mitteilung vom 14. Februar 2024
Personendaten | |
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NAME | Bossong, Nora |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 9. Januar 1982 |
GEBURTSORT | Bremen |