Osorkon IV.
Osorkon IV. war ein Pharao (König) im Alten Ägypten. Laut Jürgen von Beckerath, der ihn mit dem König „Osorcho“ der Überlieferung des Manetho verbindet, war er der zweite Pharao der (unterägyptischen) 23. Dynastie. Seine Regierungszeit wird um 732/30–722 v. Chr. angesetzt. Er war möglicherweise der Sohn und Nachfolger Scheschonqs V. und der Königin Tadi-Bastet. Andere Ägyptologen sehen Petubastis II. als möglichen Nachfolger Scheschonqs V.
Osorkon IV.[1] | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Thronname |
(Aa-cheper-Ra Setep-en-Amun) ˁ3-ḫpr-Rˁ Stp-n-Jmn Groß an Gestalt, ein Re, Erwählter des Amun | |||||||||||
Eigenname |
(Meri Amun Osorkon) Mrj Jmn Wsrkn Geliebt von Amun, Osorkon |
Osorkon IV. gilt manchen nur als „machtloser Schatten-Pharao“ in dem Gebiet von Tanis und Bubastis im Ostdelta. Ein 2011 identifizierter Beleg für Osorkon IV. aus Memphis (s. u.) deutet inzwischen jedoch darauf hin, dass er wenigstens zu Beginn seiner Regierungszeit auch dort anerkannt war. Nach Ausweis der Triumph-Stele des Pije[2] scheint er unter den von Libyern abstammenden Herrschern seiner Zeit nach Nimlot („Namert D“), dem „König“ von Hermopolis, der angesehenste gewesen zu sein.
Titulatur
BearbeitenDem Pharao Osorkon IV. glaubte man bis 2011 den Thronnamen „Groß an Gestalt, ein Re, Erwählter des Amun“ zuordnen zu können (s. Bild oben rechts). Neuere französische Ausgrabungen in Tanis unter der Leitung von Philippe Brissaud haben jedoch zwei durch Inschriften identifizierte Reliefblöcke eines Pharaos Osorkon(u) User-Maat-Re zutage gebracht, die in einem archaisierenden (altertümelnden) Stil – wohl nach dem Vorbild der memphitischen Reliefs des Djoser (3. Dynastie, um 2700 v. Chr.) – ausgeführt sind, der für die Endphase der Libyerzeit in Tanis typisch ist. Ähnliche Reliefs des Königs Gemnefchonsbak waren bereits von Pierre Montet in Tanis entdeckt worden. Die neu gefundenen Reliefblöcke legen nahe, dass der Thronname Osorkons IV. nicht „Groß an Gestalt, ein Re, Erwählter des Amun“ war, sondern User-Maat-Re, übersetzt: Ein Mächtiger nach Art der Maat des Re.[3] Der König Osorkon mit dem Thronnamen Groß an Gestalt, ein Re, Erwählter des Amun wird dagegen nun allgemein mit dem libyschstämmigen Herrscher Osorkon „dem Älteren“ (alias Osochor) aus der 21. Dynastie identifiziert, dessen Thronname bislang unbekannt war. Aufgrund des Thronnamens User-Maat-Re, der auf einer archaisierenden Königsstatuette aus Memphis erhalten ist, die aus glasnaher Ägyptischer Fayence besteht, kann Osorkon IV. nun auch ein Rundbild zugeordnet werden.
Herrschaft
BearbeitenOsorkon IV. hat wohl kurz vor der Eroberung Ägyptens durch Pije in Memphis den Thron bestiegen, worauf die Existenz seiner memphitischen Statuette hinweist. Er wurde aber von dort bald durch Tefnachte von Sais verdrängt. Zu Osorkons IV. Zeit haben mehrere Könige jeweils in Teilgebieten Ägyptens gleichzeitig geherrscht. Als Zeitgenossen sind belegt: König Auput II.[4], König Pef-tjau-em-awi-Bastet[5], König Nimlot (Namert D), Lokalherrscher von Hermopolis, die Könige Tefnachte und Bokchoris der 24. Dynastie im westlichen Nildelta und die Könige Pije beziehungsweise Schabaka aus der 25. Dynastie, ursprünglich aus Kusch bzw. Nubien.
Osorkon IV., Auput II., Pef-tjau-em-awi-Bastet und Nimlot sowie zahlreiche nachgeordnete Fürsten der Libyer in Ägypten unterwarfen sich dem Kuschiten Pije in der Folge von dessen siegreichem Feldzug nach Ägypten. Dies nahm Tefnachte von Sais, der Fürst des westlichen Deltas, zum Anlass, sich selbst zum Pharao zu erheben. Somit trat die 24. Dynastie in Erscheinung. Nach dem Buch „2. Könige 17,4“ der Bibel schickte wohl im Jahr 725 v. Chr. König Hoschea von Israel Boten „an So, den König von Ägypten“. Hoschea bat ihn um Hilfe gegen die Assyrer. Nach Kenneth A. Kitchen handelte es sich bei diesem „König von Ägypten“ um Osorkon IV. Denkbar, aber weniger wahrscheinlich ist, dass es heißen muss: „nach Sais[6], (an) den König von Ägypten“. Dann wäre Tefnachte gemeint. Zuletzt konnte allerdings gezeigt werden, dass es sich bei dem Namen „So“ um eine verlesene Form handelt, die auf ein althebräisches Sgr zurückgehen könnte, was in der Septuaginta mit Segor somit korrekt vorliegt.[7] Somit dürfte sicher Osorkon IV. als König So in 2. Könige 17, 4 angesprochen werden.
Die nach 2. Könige 17, 4 angeforderte Hilfe kam aber zu spät. König Sargon II. von Assyrien eroberte wohl 722 v. Chr. Samaria und schlug eine syrische Revolte nieder. Er unterwarf Palästina bis nach Gaza. Eine ägyptische Hilfstruppe[8] konnte den Fall von Gaza und seines Königs Hanun nicht verhindern. Sargon II. stieß gegen 716 v. Chr. bis an Wadi El-Arish auf der Landbrücke nach Palästina vor. Nach der Transkription der Keilschrift übersandte der Ägypterkönig namens Schilkannu[9] ihm 12 Pferde. 712 v. Chr. erhob sich Iamani, Fürst von Aschdod, gegen die Assyrer. Der Aufstand scheiterte jedoch und Iamani von Aschdod floh nach Ägypten. Er wurde daraufhin von dem kuschitischen Pharao Schabaka ausgeliefert, der inzwischen die Oberherrschaft in Ägypten angetreten hatte.
Belege
BearbeitenWichtigstes Zeugnis für Osorkon IV. sind seine Nennungen und seine Darstellung auf der sogenannten Triumph-Stele des Pije[10] Osorkon IV. wird hier unter den sich dem Pije bäuchlings unterwerfenden libyschen Dynasten des Delta-Gebiets an erster Stelle dargestellt und wurde wohl als Bedeutendster in dieser Gruppe von Herrschern angesehen. Früher wurden ein Reliefblock in Leiden, der einen König Osorkon als auf den Thron des Geb inthronisiert nennt, und ein Siegel in Leiden als Belege für Osorkon IV. gewertet. Darüber hinaus wurde ihm ein beschriftetes goldenes Kultobjekt, eine sogenannte Ägis (oder „Usech“) im Louvre zugewiesen. Im Lichte der von Brissaud gefundenen Reliefs aus Tanis (s. o.), kann von diesen Objekten jedoch nur noch die Ägis im Louvre für Osorkon IV. in Anspruch genommen werden, die auch den Namen der Königin Tadi-Bastet nennt, die entweder die Gemahlin oder die Mutter des Königs war. Das genannte Relief und das Siegel im Museum von Leiden gelten nun als Belege für Osorkon den Älteren.[11] Neu zu den Belegen hinzugekommen ist der bereits erwähnte Statuettentorso des Königs „Usermaatre“ (= Osorkon IV.), der im Londoner Petrie-Museum aufbewahrt wird.[12] Dieses Skulpturenfragment entspricht in Material (glasnahe Ägyptische Fayence bzw. „glassy faience“), Größe und Stil einer gleichartigen, ebenfalls in Memphis gefundenen Statuette, die nach ihrer Inschrift Scheschonq V. darstellt, der wahrscheinlich der Vorgänger Osorkons IV. war.
Literatur
Bearbeiten- Jocelyne Berlandini. Petits monuments royaux de la XXIe à la XXVe dynastie. In: Hommages à la mémoire de Serge Sauneron. Band I: Egypte pharaonique. Le Caire 1979, S. 89–114 (zur „Ägis“ Osorkons IV. und der Tadi-Bastet).
- Jürgen von Beckerath: Osorkon IV. = Herakles. In: Göttinger Miszellen. (GM) Band 139, Universität der Stadt Göttingen, Seminar für Ägyptologie und Koptologie, Göttingen 1994, ISSN 0344-385X, S. 7–8.
- Frédéric Payraudeau. Remarques sur l’identité du premier et du dernier Osorkon. In: Göttinger Miszellen. (GM) Band 178, Universität der Stadt Göttingen, Seminar für Ägyptologie und Koptologie, Göttingen 2000, S. 75–80.
- Thomas Schneider: Lexikon der Pharaonen. Albatros, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-96053-3, S. 186–187.
- Karl Jansen-Winkeln: The Chronology of the Third Intermediate Period: Dyns 22–24. In: Erik Hornung, Rolf Krauss, David A. Warburton (Hrsg.): Ancient Egyptian Chronology (= Handbook of Oriental studies. Section One. The Near and Middle East. Band 83). Brill, Leiden / Boston 2006, ISBN 978-90-04-11385-5, S. 234–264 (Online).
- Philippe Brissaud: Mission française des fouilles de Tanis: campagne d’automne 2010. In: Bulletin de la Societé Française des Fouilles de Tanis ( vom 18. Februar 2015 im Internet Archive) (BSFFT) Band 24, Paris 2010, S. 5–32.
- Helmut Brandl: Eine archaisierende Königsfigur der späten Libyerzeit. In: E. Bechtold, A. Gulyás, A. Hasznos (Hrsg.): From Illahun to Djeme. Papers Presented in Honour of Ulrich Luft (= British Archaeological Reports (BAR) international series (IS) Band 2311). Archaeopress, Oxford 2011, ISBN 978-1-4073-0894-4, S. 11–23.
- Aidan Dodson: The Coming of the Kushites and the Identity of Osorkon IV. In: Elena Pischikova et al. (Hrsg.): Thebes in the First Millennium BC. Cambridge Scholars publishing, Newcastle 2014, ISBN 978-1-4438-5404-7, S. 6–12.
- Christoffer Theis: Contributions to the Vocabulary of the Old Testament: The Connection of the Name סוֹא with Greek Σηγωρ in 2 Kings 17, 4. In: Biblica. Band 101, 2020, S. 107–113.
Einzelnachweise/ Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ weitestgehend Hieroglyphen und Umschrift nach Jürgen von Beckerath: Handbuch der ägyptischen Königsnamen (= Münchner Ägyptologische Studien. Band 49). 2., verbesserte und erweiterte Auflage, von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2591-6, S. 201.
- ↑ Die Triumphstele des Pije (747 – 716 v. Chr.) Auf: sennefer.at, abgerufen am 9. Oktober 2018.
- ↑ Übersetzung nach Winfried Barta (welche Publikation??)
- ↑ gehört keiner etablierten Dynastie an, belegt in Leontopolis und Imet im Ostdelta
- ↑ Erbe der oberägyptischen Nebenlinie der 22. Dynastie, in Herakleopolis
- ↑ die Hauptstadt des Fürstentums Westdelta
- ↑ Christoffer Theis: Contributions to the Vocabulary of the Old Testament: The Connection of the Name סוֹא with Greek Σηγωρ in 2 Kings 17, 4. In: Biblica. Band 101, 2020, S. 107–113.
- ↑ nach Kenneth A. Kitchen (welche Publikation ??) von Osorkon IV. ?
- ↑ = Osorkon IV.?
- ↑ Triumph-Stele des Pije. Auf: sennefer.at; abgerufen am 24. Februar 2015.
- ↑ Osorchor, 21. Dynastie
- ↑ University College London (UCL) Inventarnummer 13128.
Weblinks
Bearbeiten- Alexander Schütze: Osorkon IV.. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff., abgerufen am 26. Mai 2012.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Petubastis II. oder Scheschonq V.? | Pharao von Unterägypten 23. Dynastie | Psammus |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Osorkon IV. |
KURZBESCHREIBUNG | Pharao im Alten Ägypten |
GEBURTSDATUM | 8. Jahrhundert v. Chr. |
STERBEDATUM | 8. Jahrhundert v. Chr. |