Otto Rasch

deutscher SS-Brigadeführer und Befehlshaber der Einsatzgruppe C, Kriegsverbrecher

Emil Otto Rasch (* 7. Dezember 1891 in Friedrichsruh; † 1. November 1948 in Wehrstedt[1]) war ein deutscher Jurist, SS-Führer und Kriegsverbrecher. Er machte als Nationalsozialist nach der Machtübernahme der NSDAP unter Adolf Hitler in Gestapo und SS Karriere, zuletzt im Rang eines SS-Brigadeführers und Generalmajors der Polizei. Als Befehlshaber der Einsatzgruppe C verantwortete er die Ermordung von 80.000 Menschen. Dazu gehörte auch das Massaker von Babyn Jar. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt.

Otto Rasch beim Einsatzgruppen-Prozess

Nach dem Ersten Weltkrieg, den er als Angehöriger der kaiserlichen Marine erlebte, studierte Rasch Rechtswissenschaften, Politische Ökonomie und Philosophie. Er promovierte in den Fächern Politische Ökonomie und Rechtswissenschaften. Seinen ersten Doktortitel (Dr. rer. pol.) erhielt er 1922 an der Universität Leipzig für die Arbeit Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik in England in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Für eine Arbeit unter dem Titel Die verfassungsrechtliche Stellung des Preußischen Landtagspräsidenten bekam er 1924 seinen zweiten Doktortitel (Dr. jur.).[2]

Nach der Revolution 1918 schloss Rasch sich der Marine-Brigade von Loewenfeld an und wurde Mitglied im antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund.[3]

Karriere

Bearbeiten

Als Rechtsanwalt praktizierte er zehn Jahre in Leipzig. In dieser Zeit war er als Justitiar für mehrere Unternehmen tätig.

Zum 1. Oktober 1931 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 620.976).[4]

Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde Rasch ab dem 1. Juli 1933 als Bürgermeister in Radeberg und ab Juni 1935 Oberbürgermeister in Wittenberg eingesetzt.[5] In der NSDAP betätigte sich Rasch als Kreisredner, Kreisgruppenführer der Jägerschaft und als Obmann des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes.[6]

Seine Zeit als Oberbürgermeister in Wittenberg wurde nicht verlängert, weil fragwürdige Kosten beim Bau seiner Dienstvilla auftauchten. Darin wird vermutlich die Ursache zu sehen sein, dass Rasch seine kommunalpolitische Karriere nicht weiter fortsetzte und eine hauptberufliche Dienstkarriere in den Reihen des Sicherheitsdienstes aufnahm, für den er bereits seit 1933 tätig war.[4]

1937 wurde Rasch Leiter der Gestapo in Frankfurt am Main,[6] Nach dem Anschluss Österreichs war er von März bis Mai 1938 Sicherheitsdirektor für Oberösterreich in Linz.[7]

Nach der Zerschlagung des verbliebenen Rests der Tschechoslowakei amtierte Rasch ab März 1939 für fünf Wochen als SD-Chef in Prag[7] (SS-Nummer 107.100) und war ab November 1939 Inspekteur (Chef) des SD und der Sicherheitspolizei (Sipo) in Königsberg.[6]

Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg

Bearbeiten

Am 31. August 1939 leitete Rasch den Überfall auf das Forsthaus Pitschen, der parallel zum Überfall auf den Sender Gleiwitz stattfand. Nach dem Überfall auf Polen war Rasch im Zusammenhang mit dem Unternehmen Tannenberg Führer der Einsatzgruppe z.b.V.[6]

Im Januar/Februar 1940 wurde von Rasch, im Einvernehmen mit Heydrich, das „Durchgangslager“ Soldau geschaffen, nach einer späteren Aussage Raschs „eigens zu dem Zweck, die notwendig werdenden Liquidationen unauffällig zu bewirken“. Rund 600 polnische und sowjetische Kriegsgefangene wurden dort ermordet.[8]

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war Rasch von Juni bis Oktober 1941 Chef der Einsatzgruppe C, die der Heeresgruppe Süd folgte. Seine Einsatzgruppe meldete bis zum 20. Oktober 1941 rund 80.000 „Sonderbehandelte“, womit Ermordete gemeint waren.

In seinen Verantwortungsbereich fällt das Massaker von Babyn Jar, wo Teile seiner Einsatzgruppe am 29. und 30. September 1941 33.771 Kiewer Juden ermordeten.

Nach seiner „Bewährung“ beim Massenmord kehrte Rasch nach Deutschland zurück, wechselte in die Wirtschaft und wurde in der Zeit von 1942 bis 1945 Direktor der Kontinentale Öl.

Nach 1945

Bearbeiten

Nach Kriegsende wurde Rasch verhaftet. Während des Einsatzgruppen-Prozesses, bei dem er von Hans Surholt verteidigt wurde, erkrankte er an der Parkinson-Krankheit und schied am 5. Februar 1948 wegen Krankheit aus dem Verfahren aus. Rasch starb am 1. November 1948.

Literatur

Bearbeiten
  • Otto Rasch. In: Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Band III: Q–Z. Piper, München/ Zürich 1995, ISBN 3-492-12120-9, S. 1181.
  • Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1.
  • Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Goldmann, München 1967, ISBN 3-572-01342-9.
  • Helmut Krausnick, Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. DVA, Stuttgart 1981, ISBN 3-421-01987-8.
  • Alwin Ramme: Der Sicherheitsdienst der SS. Zu seiner Funktion im faschistischen Machtapparat und im Besatzungsregime des sogenannten Generalgouvernements (= Militärhistorische Studien 12 Neue Folge). Deutscher Militärverlag, Berlin 1970, S. 269 f. (Kurzbiografie)
  • Jürgen Runzheimer: Die Grenzzwischenfälle am Abend vor dem Angriff auf Polen. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml (Hrsg.): Sommer 1939. Die Großmächte und der europäische Krieg. Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01917-7, S. 107–147.
  • Alfred Spieß, Heiner Lichtenstein: Das Unternehmen Tannenberg. Limes, München 1979, ISBN 3-8090-2157-1.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Todesort nach Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 480.
  2. Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1, S. 120.
  3. Andreas Kossert: Ostpreußen. Geschichte und Mythos. Pantheon, München 2007, ISBN 978-3-570-55020-5, S. 308.
  4. a b Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1, S. 129.
  5. Alexander Baumbach: Otto Rasch: Von Wittenberg nach Babyn Jar. In: Mitteldeutsche Zeitung, 20. Januar 2012, abgerufen am 26. November 2023.
  6. a b c d Dieter Schenk: Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien. J. H. W. Dietz, Bonn 2007, ISBN 978-3-8012-5033-1, S. 85.
  7. a b Otto Rasch. In: Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Band III: Q–Z. Piper, München/ Zürich 1995, ISBN 3-492-12120-9, S. 1181.
  8. Zeitgenössischer Bericht Raschs über das KZ Soldau, verfasst im Juni 1943, archiviert in den Arolsen Archives, abgerufen am 12. August 2022