Philipp von Hessen (Politiker)

deutscher Adliger und Politiker (NSDAP), Sohn von Prinz Friedrich Karl von Hessen-Rumpenheim

Philipp von Hessen (* 6. November 1896 in Schloss Rumpenheim bei Offenbach; † 25. Oktober 1980 in Rom) war ein Prinz aus der Linie Hessen-Kassel des Hauses Hessen und als nationalsozialistischer Politiker Oberpräsident der preußischen Provinz Hessen-Nassau. Da seine beiden älteren Brüder im Ersten Weltkrieg gefallen waren, wurde er nach dem Tod seines Vaters 1940 Chef der Linie Hessen-Kassel und nannte sich der Tradition der Familie gemäß Landgraf von Hessen.[1][2]

Philipp von Hessen
 
Philipp und Mafalda bei ihrer Hochzeit am 23. September 1925 in Racconigi

Jugend und Ausbildung

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Philipp von Hessen wurde als dritter Sohn des Prinzen Friedrich Karl von Hessen-Kassel und Hessen-Rumpenheim und der Prinzessin Margarethe von Preußen geboren. Seine Urgroßmutter mütterlicherseits war Königin Victoria von Großbritannien, seine Mutter war die jüngste Schwester des Kaisers Wilhelm II. Er besuchte zunächst das Goethe-Gymnasium in Frankfurt am Main und anschließend das Helmholtz-Gymnasium Potsdam. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger und Leutnant im Großherzoglichen Leib-Dragoner-Regiment.[3]

Als sein Vater Friedrich Karl 1918 gewählter König von Finnland wurde, bestimmte dieser nicht seinen ältesten lebenden Sohn Philipp, sondern dessen jüngeren Zwillingsbruder Wolfgang (1896–1989) zum Kronprinzen von Finnland. Philipp sollte dagegen die Geschäfte der Familie in der hessischen Heimat weiterführen.

Nach dem Ende des Krieges begann er ein Studium der Kunstgeschichte, zunächst in Berlin, später in Rom. Dort soll er auch als Architekt gewirkt haben.[3] Er traf 1921 in Rom den zehn Jahre älteren britischen Dichter Siegfried Sassoon;[4] die beiden hatten etwa ein Jahr lang eine Liebesbeziehung.[5]

Philipp heiratete am 23. September 1925 Prinzessin Mafalda von Savoyen, eine Tochter des Königs Viktor Emanuel III. von Italien. Das Ehepaar lebte in Italien und hatte vier Kinder.

Gerüchte über Philipps sexuelle Neigungen kursierten in nationalsozialistischen Kreisen. Karl Wolff, General der Waffen-SS äußerte in seinem Entnazifizierungsverfahren, dass der Prinz „als homosexuell gegolten“ habe.[6]

Nationalsozialistischer Politiker

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Philipp von Hessen bei einem Reichstreffen des Reichsbundes Volkstum und Heimat in Kassel 1933 als zweiter von rechts in der ersten Reihe

Schon vor Errichtung des NS-Staates war Prinz Philipp aktiver Nationalsozialist. Er war bereits zum 1. Oktober 1930 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 418.991)[7] und 1931 auch in die SA eingetreten, in der er am 9. November 1938 Obergruppenführer wurde.[8] Mit seinen Mitgliedschaften sorgte er u. a. dafür, die NSDAP auch in adligen Kreisen „salonfähig“ zu machen. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde er 1933 von seinem langjährigen Freund[3] Hermann Göring zum Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau ernannt. Gleichzeitig war er der Obersten SA-Führung zugeteilt.

Als Schwiegersohn des italienischen Königs nutzten ihn die Nationalsozialisten zur Vermittlung von Kontakten zu Benito Mussolini, der anfangs zurückhaltend gegenüber dem NS-Regime war. In den 1930er-Jahren übernahm er verschiedene diplomatische Missionen nach Italien, vorbei an offiziellen diplomatischen Kanälen. Am 25. August 1939 informierte er in Hitlers Auftrag Mussolini über den bevorstehenden Überfall auf Polen.[9]

Ab 30. Januar 1939 war Philipp Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.[10]

Mit Hitler verbanden ihn gemeinsame Kunst- und Architekturinteressen. Er vermittelte den Kauf zahlreicher wichtiger Kunstwerke für das große Museum, das Hitler in Linz plante. Die Reichskanzlei richtete ihm zu diesem Zweck ein Sonderkonto bei der Deutschen Botschaft in Rom ein, über das Prinz Philipp frei verfügen konnte. In den Jahren 1940/41 nahmen die deutschen Kunsteinkäufe in Italien daraufhin derart zu, dass die faschistische Regierung den Verkauf von Kunstschätzen an Ausländer im September 1941 untersagte.[11] Im Jahr 1941 kühlten die Beziehungen zwischen Philipp und Hitler ab. Philipp und seine Ehefrau kamen als Sonderhäftlinge in KZ-Haft, als sein Schwiegervater Mussolini im Juli 1943 verhaften ließ. Mafalda starb 1944 nach einem Luftangriff auf das KZ Buchenwald. Philipp verbrachte den Rest des Krieges in verschiedenen Lagern, darunter Flossenbürg und Dachau, und wurde 1945 von der Wehrmacht befreit.[8] Wegen seiner prominenten Rolle im nationalsozialistischen Regime kam er danach in alliierte Haft, aus der er 1947 entlassen wurde.

Nachkriegszeit

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Nach seiner Freilassung wohnte er wechselweise in Schloss Fasanerie in Eichenzell, wo sich auch die Antikensammlung der Familie befindet, und in Italien. Der kinderlose Ludwig von Hessen und bei Rhein adoptierte 1960 Philipps Sohn Moritz, so dass sich nach Ludwigs Tod 1968 die beiden seit 1567 getrennten Hauptlinien des Hauses Hessen, Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, wieder zum 'Haus Hessen' vereinigten.

Vorfahren

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Wilhelm von Hessen (1787–1867)
 
 
 
 
Friedrich Wilhelm von Hessen (1820–1884)
 
 
 
 
 
Louise Charlotte von Dänemark (1789–1864)
 
 
 
Friedrich Karl von Hessen (1868–1940)
 
 
 
 
 
 
Carl von Preußen (1801–1883)
 
 
 
Anna von Preußen (1836–1918)
 
 
 
 
 
Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877)
 
 
 
Philipp von Hessen
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kaiser Wilhelm I. (1797–1888)
 
 
 
Kaiser Friedrich III. (1831–1888)
 
 
 
 
 
Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811–1890)
 
 
 
Margarethe von Preußen (1872–1954)
 
 
 
 
 
 
 
 
Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861)
 
 
 
Victoria von Großbritannien (1840–1901)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Victoria Königin von Großbritannien (1819–1901)
 
 

Nachkommen

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⚭ 1964 Tatiana Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg
⚭ 1988 Elisabeth Bonker
  • Elisabeth Margarete (* 1940)
⚭ 1962 Friedrich Carl Graf von Oppersdorff (1925–1985)

Literatur

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  • Heinrich Prinz von Hessen: Der kristallene Lüster. Meine deutsch-italienische Jugend 1927–1947. Piper, München/ Zürich 1994. ISBN 3-492-03639-2.
  • Anders Huldén: Finnlands deutsches Königsabenteuer 1918. Traute Warnke Verlag, Reinbek 1997, ISBN 3-9801591-9-1.
  • Thomas Klein: Leitende Beamte der allgemeinen Verwaltung in der preußischen Provinz Hessen-Nassau und in Waldeck 1867 bis 1945 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte. Bd. 70). Hessische Historische Kommission Darmstadt, Historische Kommission für Hessen, Darmstadt/ Marburg 1988, ISBN 3-88443-159-5, S. 142.
  • Jobst Knigge: Prinz Philipp von Hessen. Hitlers Sonderbotschafter für Italien. Humboldt-Universität, Berlin 2009 (edoc.hu-berlin.de, PDF; 486 kB)
  • Ovidio Lagos: Principessa Mafalda. Historia de dos tragedias. Editorial El Ateneo, Buenos Aires 2009.
  • Jonathan Petropoulos: Royals and the Reich. The Princes von Hessen in Nazi Germany. Oxford University Press, 2006, ISBN 0-19-920377-6.
  • Jürgen Trimborn: Arno Breker. Aufbau Digital, 2018, ISBN 978-3-8412-1578-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Genealogie

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Commons: Philipp von Hessen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eckhart G. Franz: Das Haus Hessen. Eine europäische Familie. Kohlhammer, Stuttgart 2005, S. 199 ff. ISBN 3-17-018919-0.
  2. Seit 1919 sind in Deutschland durch die Abschaffung der Standesvorrechte des Adels keine früheren Erstgeburtstitel Bestandteil des bürgerlich-rechtlichen Namens. Gemäß einer Auskunft des Familienarchivs der Hessischen Hausstiftung verhält es sich in der Namensfrage wie folgt: „wenn Sie nach dem Familiennamen fragen, so lautet er für alle Mitglieder des Hauses Hessen seit 1920 ,Prinz und Landgraf von Hessen‘“. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat diesen Namen am 22. Dezember 1956 bestätigt. „Landgraf“ ist hier also Namensbestandteil des bürgerlich-rechtlichen Namens und kein überholter Primogeniturtitel. Und doch wird er gewissermaßen so gehandhabt: dadurch, dass alle anderen Familienmitglieder im öffentlichen Auftreten ihren Namen auf „Prinz/essin von Hessen“ verkürzen und nur der Chef des Hauses seinen Namen auf „Landgraf von Hessen“ verkürzt.
  3. a b c Hans Philippi: Landgraf Philipp von Hessen †. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 1980/81, Marburg 1982, ISSN 0342-3107, S. 9–15.
  4. Jean Moorcroft Wilson: Siegfried Sassoon: The Journey From the Trenches, 1918-1967. Duckworth-Verlag 2003, S. 145.
  5. Jobst Knigge: Prinz Philipp von Hessen. Hitlers Sonderbotschafter für Italien. (PDF; 474 kB), Humboldt-Universität, Berlin 2009, S. 11.
  6. Jobst Knigge: Prinz Philipp von Hessen. Hitlers Sonderbotschafter für Italien. (PDF; 474 kB), Humboldt-Universität, Berlin 2009, S. 11–13.
  7. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/15410730
  8. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2., aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, S. 250. ISBN 3-596-16048-0.
  9. Hans Woller: Vom Mythos der Moderation. Mussolini und die Münchener Konferenz 1938. In: Jürgen Zarusky, Martin Zückert (Hrsg.): Das Münchener Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive. Oldenbourg Verlag, München 2013, ISBN 978-3-486-70417-4, S. 214 (books.google.de)
  10. Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934–1944. (= Studien der Geschichte der Auszeichnungen. Bd. 4). Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2004, S. 71. ISBN 3-931533-50-6.
  11. Malte König: Kooperation als Machtkampf. Das faschistische Achsenbündnis Berlin-Rom im Krieg 1940/41. sh-Verlag, Köln 2007, S. 259–266. ISBN 978-3-89498-175-4.
VorgängerAmtNachfolger
Friedrich KarlOberhaupt des Hauses Hessen
1940–1980
Moritz