Phrenitis (von altgriechisch φρενῖτις „Hirnentzündung“) ist eine medizinische Diagnose aus der Antike und dem Mittelalter. Eine übliche Definition lautete lateinisch Delirium continuum cum febre – Anhaltendes Delir mit Fieber. Für Delir oder Wahnsinn wurde auch der Begriff Phrenesie[1] (von griechisch φρενητικός „frenetisch“[2]) verwendet.

Ein Pferd mit Phrenitis, Nutztierhaltung & Tiermedizin & Pferd & Krankheit, Georg Simon Winter von Adlersflügel.

Entwicklung des Krankheitsbildes

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Die Krankheit war unter anderem durch die Symptome Fieber, Schüttelfrost (Zittern), Krämpfe, Irrereden (delirante Zustände, „Hirnwut“), Angst und Erbrechen gekennzeichnet[3] und verlief meistens tödlich. Die Ursache der von Hippokrates von Kos häufig genannten Erkrankung wurde in einer Entzündung des Zwerchfells (griechisch φρήν phren, „Zwerchfell“, „Geist, Seele, Verstand“) gesehen.[4] Das Zwerchfell galt als Ort des Entstehens von Gedanken. Da es sich den Symptomen nach um eine Geisteskrankheit handelt, änderte sich die Auffassung vom Sitz der Krankheit, und Galenos gab in der Schrift De symptomatum causis das Gehirn und seine Häute als Sitz der Krankheit an.[5] Über byzantinische und arabische Texte wurde der Begriff ins Mittelalter getragen. Die Aufteilung der Geisteskrankheiten in Manie, Melancholie und Phrenitis wurde übernommen und zahlreiche Ärzte befassten sich mit dem Thema. Die Phrenitis trat dabei allerdings gegenüber den beiden anderen Erkrankungen in den Hintergrund.[6] Michael Ettmüller grenzte die Phrenitis gegen Verwirrtheitszustände und Melancholie ab und verstand unter ihr eine Hirnentzündung begleitet von Fieber.[7]
Die Ausbildung der Psychiatrie als medizinische Fachdisziplin im 19. Jahrhundert führte zu einer ganz anderen Einteilung psychischer Störungen. Die Phrenitis lässt sich wegen des Symptoms 'Fieber' hier allerdings schwer einordnen. Eher passt sie zur Meningitis mit u. a. den Symptomen 'Fieber', 'Bewusstseinsstörungen', 'Krämpfe'. Im gegenwärtig gültigen Klassifikationssystem der Krankheiten ICD-10 wird die Phrenitis nicht erwähnt.

Phrenitis in der Antike

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De medicina

Nachdem die Krankheit im Corpus Hippocraticum beschrieben worden war (bei Hippokrates verbunden mit dem Bild eines Kranken, der plötzlich den Verstand verliert, aufgeregt, verwirrt ist, Wahnvorstellungen hat, grundlos redet, schreit usw.[8]), gehörte sie zum festen Bestand der antiken Krankheitsvorstellung, und ihre Behandlung wurde von zahlreichen Medizinschriftstellern dargelegt. Aulus Cornelius Celsus grenzte sie in seiner Enzyklopädie De medicina als akut und mit Fieber von der fieberfreien tristitia, die von der schwarzen Galle herrührt, ab[9]. Caelius Aurelianus definierte die Phrenitis als akute Geistesverwirrung mit akutem Fieber. Er geht auf die Behandlung dieser Krankheit durch Diokles von Karystos, Asklepiades von Bithynien und andere ein, woraus man ersehen kann, welche Bedeutung sie hatte[10]. Die Behandlung entspricht den üblichen Mitteln der Methodiker: Aderlass, Diätvorschriften, Ölabreibungen, im Bedarfsfall auch ruhig halten und fesseln.

Literatur

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  • Antje Bornemann: Das Krankheitsbild der Phrenitis in der Medizin des arabischen Mittelalters, Bonn 1988.
  • S. Kornfeld: Geschichte der Psychiatrie im Handbuch der Geschichte der Medizin begründet von Theodor Puschmann, Hildesheim-New York 1971.
  • Karl-Heinz Leven: Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005.
  • Georg Sticker: Hippokrates: Der Volkskrankheiten erstes und drittes Buch (um das Jahr 434–430 v. Chr.). Aus dem Griechischen übersetzt, eingeleitet und erläutert. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1923 (= Klassiker der Medizin. Band 29); unveränderter Nachdruck: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1968, S. 117 (zur Hirnwut, φρενῖτις, mit oder ohne Fieber, als Zeichen einer Gehirnerkrankung).
  • Chiara Thumiger: Phrenitis and the pathology of the mind in western medical thought (fifth century BCE to twentieth century CE). Cambridge University Press, Cambridge 2023.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Wouter S. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. Hrsg. von Sophie J. van den Berg, N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 212 (Frenesie).
  2. Gundolf Keil: Wut, Zorn, Haß. Ein semantischer Essai zu drei Ausprägungen psychischer Affektstörung. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 183–192, hier: S. 184.
  3. Werner Leibbrand, Annemarie Wettley: Der Wahnsinn. Geschichte der abendländischen Psychopathologie. Alber, Freiburg im Breisgau und München 1961 (= Orbis Academicus, II, 12), S. 35–37.
  4. Karl-Heinz Leven: Antike Medizin. Ein Lexikon. S. 700.
  5. Antje Bornemann: Das Krankheitsbild der Phrenitis.... S. 10
  6. S. Kornfeld: Geschichte der Psychiatrie. S. 602–609
  7. Michael Ettmüller: Übersicht über ärztliche Massnahmen, Buch 2, Abschnitt VI, Kapitel 2
  8. Georg Sticker: Hippokrates: Der Volkskrankheiten erstes und drittes Buch (um das Jahr 434–430 v. Chr.). Aus dem Griechischen übersetzt, eingeleitet und erläutert. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1923 (= Klassiker der Medizin. Band 29); unveränderter Nachdruck: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1968, S. 101 (zitiert).
  9. Aulus Cornelius Celsus: De medicina, Buch III, 18
  10. Caelius Aureelianus: De morbis acutis et chronicis, Celerum passionum, Buch I, Kapitel 1