Das Pygidium bezeichnet bei manchen Gruppen der Insekten den verhärteten (sklerotisierten) Rückenschild (Tergit oder Tergum) des letzten frei sichtbaren Abdominalsegments. Die verschiedenen als Pygidium bezeichneten Strukturen sind bei den verschiedenen Insektenordnungen konvergent entstanden und nicht homolog, sie liegen zum Beispiel auf unterschiedlichen Segmenten. Auch bei anderen Tiergruppen gibt es solche, nicht homologen, als Pygidium bezeichneten Strukturen. Bei vielen Käfern und Hautflüglern liegen im Pygidium die Ausführgänge der Pygidialdrüsen.

 
Pygidium beim Waldmaikäfer Melolontha hippocastani

Bei den Käfern (Coleoptera) ist das Pygidium je nach Familie das Tergit der Hinterleibssegmente sieben oder acht.[1][2] Das Pygidium kann dabei von den Flügeldecken oder Elytren in Ruhelage bedeckt sein, oder diese sind am Ende verkürzt, so dass es frei liegt. Für einige Autoren ist nur ein frei liegendes ein echtes Pygidium[3]. Die übrigen, von den Elytren bedeckten Abdominaltergite sind oft desklerotisiert, weiß gefärbt und weichhäutig. Lassen die Flügeldecken zwei Tergite unbedeckt, wird der davor liegende oft als Propygidium bezeichnet. Das Pygidium der Käfer wird auch „Analschild“ oder „Afterdecke“ genannt.[4]

Die auf dem Pygidium mündenden Pygidialdrüsen sind bei zahlreichen Gruppen der Käfer vorhandene Wehrdrüsen, teilweise besitzen sie aber noch andere Funktionen. So können sie bei auf der Wasseroberfläche lebenden Käfern wie zum Beispiel Taumelkäfern[5] oder einigen Kurzflügelkäfern[6] ein Sekret abgeben, das die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzt und das Tier so vorwärts katapultiert. Sie werden bei den Kurzflügelkäfern aus Homologiegründen so genannt.

 
Der Stutzkäfer Kaszabister barrigai mit Pygidium und Propygidium

Hautflügler

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Bei den Hautflüglern ist das Pygidium das Tergit des siebten Hinterleibssegments. Wie bei den Käfern, besitzen auch einige Hautflügler Pygidialdrüsen, diese dienen zum Beispiel bei den Ameisen als Wehrdrüsen.[7] Bei den Bienen und anderen Aculeata ist oft auf dem Pygidium ein sogenanntes Pygidialfeld ausgebildet.[3] Dies ist eine etwa dreieckige, seitlich durch Kiele begrenzte Struktur, die zum Beispiel bei grabenden Arten Bedeutung beim Nestbau besitzen kann.

Ohrwürmer

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Bei den Ohrwürmern sitzt das Pygidium, je nach Art, auf den Hinterleibssegmenten acht, neun, zehn oder elf, oder aus zwei miteinander verschmolzenen Segmenten, beim Gemeinen Ohrwurm ist es zum Beispiel das elfte. Das Pygidium ragt bei vielen Arten nach hinten zwischen den Zangen (anatomisch: Cerci) vor.[8] Die sehr variable Form des Pygidiums dient bei Ohrwürmern häufig als Bestimmungsmerkmal. Bei vielen Arten ändert sich je nach Nymphenstadium auch die Form des Pygidiums.

Einzelnachweise

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  1. Rolf G. Beutel, Richard A. B. Leschen: Handbuch der Zoologie – Coleoptera, Beetles, Volume 1: Morphology and Systematics (Archostemata, Adephaga, Myxophaga, Polyphaga partim). 1. Auflage. de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-017130-9
  2. R. A. Crowson: The Biology of the Coleoptera. Academic Press, 2013, ISBN 978-1-4832-1760-4
  3. a b Gordon Gordh & David Headrick: A Dictionary of Entomology. CABI Publishing 2001, ISBN 978-0-85199-291-4
  4. Heinz Freude, Karl Wilhelm Harde, Gustav Adolf Lohse (Hrsg.): Die Käfer Mitteleuropas (= Käfer Mitteleuropas. Band 1: Einführung in die Käferkunde). 1. Auflage. Goecke & Evers, Krefeld 1965, ISBN 3-8274-0675-7.
  5. Kevina Vulinec (1987): Swimming in Whirligig Beetles (Coleoptera: Gyrinidae): A Possible Role of the Pygidial Gland Secretion. Coleopterists Bulletin Vol. 41, No. 2: 151–153.
  6. Katsuo Kaneshisa & Hisaaki Tsumuki (1996): Pygidial secretion of Stenus rove beetles (Coleoptera, Staphylinidae). Bulletin of the Research Institute for Bioresources Okayama University 4: 25–31.
  7. Bert Hölldobler & Hiltrud Engel (1978): Tergal and sternal glands in ants. Psyche vol. 85, no. 4: 285–330.
  8. Klaus Günther & Konrad Herter: Dermaptera (Ohrwürmer). Handbuch der Zoologie Bd. 11. Verlag Walter de Gruyter, 1974, ISBN 978-3-11-004933-6