Reiherwerder

Halbinsel in Berlin-Tegel

Reiherwerder ist eine ehemalige Insel und heutige Halbinsel des Tegeler Sees im Ortsteil Tegel des Berliner Bezirks Reinickendorf. Die 12,37 Hektar umfassende Halbinsel liegt am Rand des Tegeler Forstes am Nordwestufer des Tegeler Sees. Ihr Nordufer bildet den Abschluss der Bucht Großer Malchsee, östlich im See vorgelagert befindet sich die Insel Hasselwerder. Reiherwerder ragt rund 300 Meter in südlicher Richtung in den Tegeler See hinein.

Karte des Tegeler Sees von 1842, Reiherwerder liegt am nordwestlichen Ufer des Sees.

Auf der öffentlich nicht zugänglichen und weitgehend als Gartendenkmal geschützten Halbinsel liegt die Borsig-Villa, die heute als Gästehaus des deutschen Außenministeriums genutzt wird. Reiherwerder ist zudem archäologischer Fundort von Gräbern und Relikten aus der Bronzezeit und der slawischen Zeit.

Heutige Nutzung durch das Auswärtige Amt

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Die gesamte Halbinsel ist für die Öffentlichkeit unzugänglich. Das Gelände wird, gemeinsam mit angrenzenden Teilen des Tegeler Forstes und des Uferbereichs des Großen Malchsees, von der Akademie Auswärtiger Dienst des Auswärtigen Amts genutzt, in der seit Anfang 2006 die Angehörigen des mittleren, gehobenen und höheren Auswärtigen Dienstes ausgebildet werden. Zum Areal gehört die Borsig-Villa, das ehemalige Landhaus der Berliner Unternehmerfamilie Borsig. Die Villa aus dem Jahr 1913 dient heute als Gästehaus des deutschen Außenministeriums.[1]

Neben der zentralen, landschlossartigen Borsig-Villa (Baubeginn 1908) befinden sich auf dem Reiherwerder folgende Gebäude: die ursprüngliche Villa der Industriellenfamilie Borsig (auch Kleine oder Alte Villa, 1906, nach Entwürfen von August Blunck, heute denkmalgerecht renoviert und als Bürohaus genutzt); Maschinenhaus (um 1906, diente auch als Wohnung für die Gärtnerfamilie, Anbau abgebrochen, Rest saniert, heute als Haus „Ippendorf“ Prüfungsraum für die Studenten); Garagenhaus (historisches Wohnhaus mit Garagenanbau aus den 1960er-Jahren, renoviert und ausgebaut, Haus „Australien“); Wirtschafts- und Torgebäude (nach 1908). An Neubauten kamen hinzu: 1975 bis 1977 ein Seminar- und Übernachtungshaus der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE); seit 2003 mehrere Übernachtungshäuser (Studentenappartements) und ein Seminargebäude (Colleg).[2]

Gartendenkmal Villengarten des Landhauses Borsig

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Blick auf das Westufer Reiherwerders und die Gartenfront der Borsig-Villa. Die zwischenliegende Bucht des Tegeler Sees trägt keinen gesonderten Namen.

Mit dem Villengarten des Landhauses Borsig steht ein großer Teil der Halbinsel als Gartendenkmal unter Schutz.[3] Der Landschaftspark wurde 1913 im Auftrag Ernst von Borsigs von der Firma „Körner & Brodersen“ des städtischen Gartenbaudirektors Albert Brodersen und dessen Schwager Gustav Körner angelegt. Den Entwurf erstellte laut Denkmaldatenbank vermutlich Jürgens (in der Datenbank mit Fragezeichen versehen), bei dem es sich wahrscheinlich um den Gartenarchitekten Rudolph P. C. Jürgens (1850–1930) handelte, der sich um 1900 mit der Anlage des Gutsparks Böckel einen Namen gemacht hatte. Zuvor, 1888, hatte Jürgens bereits die Außenanlagen der Villa Hammerschmidt in Bonn und des benachbarten Palais Schaumburg gestaltet.[4] In der architektonischen Konzeption zur Aus- und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amts beschreibt das Architekturbüro ELW Weitz & Sting den Landschaftsgarten wie folgt:

„Der Landschaftspark wurde ursprünglich in konsequenter Fortführung der Architektur der Villa Borsig als neobarocke Anlage geplant. Im späteren Verlauf wurde dieses strenge Konzept zugunsten einer Einbindung einzelner geometrischer Gartenelemente in ein eher landschaftlich gestaltetes Gesamtensemble verändert. Solche einzelnen Gestaltelemente sind beispielsweise das Rosarium, das Gartenparterre im Süden der Villa Borsig oder die Lindenallee im Uferbereich der Villa. Die Verknüpfung der einzelnen Bereiche erfolgt durch ein fein abgestimmtes Wegenetz mit wechselnden Raumfolgen und durch geschickt angeordnete Sichtachsen. Ernst von Borsig legte eine umfangreiche Sammlung exotischer Bäume und Pflanzen an, die Uferbereiche wurden durch Anpflanzungen von Röhricht und Seerosen in die Gartengestaltung einbezogen.“

Architekturbüro ELW Weitz & Sting, Architektonische Konzeption[2]

Von der Insel zur Halbinsel

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Sehr wahrscheinlich gab es sogar zwei Inseln: den Großen Reiherwerder und den Kleinen Reiherwerder. Für die Herausbildung der Halbinsel aus diesen beiden Inseln wird in der Literatur mehrfach und auch in der architektonischen Konzeption zur Aus- und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amts der Anfang des 20. Jahrhunderts genannt.[2][5] Danach habe Ernst Borsig, nachdem er den Reiherwerder von der Familie von Humboldt erworben hatte, ab 1903 das trennende sumpfige Bruchland durch umfangreiche Aufschüttungen trockenlegen und damit die Inseln mit dem Festland verbinden lassen.[6][7] Dass das Bruchland trockengelegt wurde, muss allerdings nicht unbedingt heißen, dass der Große und der Kleine Reiherwerder ihren Inselcharakter erst mit diesen Maßnahmen verloren haben. Denn Karten aus den Jahren 1780,[8] 1830[9] und die obige Karte von 1842 zeigen den Reiherwerder bereits als ein kompaktes, mit dem Festland verbundenes Land.

Archäologischer Fundort Reiherwerder

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Blick über die Bucht Großer Malchsee auf das Ostufer Reiherwerders

Bei den Erdarbeiten zur Trockenlegung der Sümpfe, dem Aushub für die Gebäude und den Villengarten wurden zahlreiche archäologische Funde gemacht.

Funde aus der Bronzezeit

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1910/1913 berichtete die Prähistorische Zeitschrift in mehreren Beiträgen über die Funde auf dem Reiherwerder. Dazu zählten rund einhundert Flachgräber und Gruben mit Hockerbestattung, ein Tonrad, Tongefäße, Salbenfläschchen, Steinäxte, Feuerschlageisen und Tierknochen. Die Funde, die sehr wahrscheinlich von den Semnonen stammen, wurden überwiegend auf die Spätphase der Frühen (2000–1600 v. Chr.), die Mittlere (1600–1300 v. Chr.) und die Späte Bronzezeit (1300–800 v. Chr.) datiert. Mit dem Tegeler Fließ gehört der Reiherwerder damit zu den Orten mit Zeugnissen der frühesten Besiedlung im Bezirk Reinickendorf.[10]

Das Märkische Museum verfügt über ein Foto eines der Hockergräber mit der Angabe „Ältere Bronzezeit, 1750ante/1200ante“.[11]

Funde aus der slawischen Zeit

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Auch die Slawen, die nach der Wanderung der Elbgermanen nach Schwaben im späten 6. und 7. Jahrhundert in den vermutlich weitgehend siedlungsleeren Raum östlich der Elbe nachrückten, hinterließen Spuren auf dem Reiherwerder. Der bedeutendste Fund war ein 82 cm langes fränkisches Eisenschwert aus dem 10. Jahrhundert, das wahrscheinlich einem slawischen Adligen gehört hatte. Nach Vermutung des Historikers Eberhard Bohm könnte das Schwert im Kampf erobert worden sein, denn Karl der Große hatte die Ausfuhr von Waffen aus dem Fränkischen Reich nach Osten verboten.[12] Slawische Zeugnisse auch auf den Seeinseln Lindwerder und Scharfenberg belegen, dass Reiherwerder zu der slawischen Siedlungskammer der Heveller gehörte, die auf der ehemaligen Havelinsel unter dem Spandauer Burgwall ihren Mittelpunkt hatte.[13]

Literatur

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Commons: Reiherwerder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Süddeutsche Zeitung, Online-Ausgabe vom 4. März 2010 (Memento des Originals vom 17. Mai 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sueddeutsche.de
  2. a b c Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Architekturbüro ELW Weitz & Sting: Aus- und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amts + Gästehaus des Bundesministers des Auswärtigen. Erläuterung der architektonischen Konzeption. Berlin, ohne Datumsangabe.@1@2Vorlage:Toter Link/www.bbr.bund.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Eintrag in der Landesdenkmalliste: Villengarten des Landhauses Borsig
  4. Europäisches Gartennetzwerk – EGHN, Wege zur Gartenkunst in Europa: Rudolph P. C. Jürgens (Memento des Originals vom 7. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wege-zur-gartenkunst.de
  5. Nachrichten über deutsche Altertumsfunde (Ergänzungsblätter zu: Zeitschrift für Ethnologie). Hrsg.: Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Verlag A. Asher & Co., Band 42, Berlin 1910, S. 598 f.
  6. Gartenflora, Zeitschrift für Garten und Blumenkunde. Hrsg.: Verein zur Beförderung des Gartenbaues im Preußischen Staate, Nr. 64, 1915, S. 251
  7. Berlin.de: Serenade am See (Memento des Originals vom 27. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlin.de
  8. Technische Universität Berlin, Architekturmuseum: NN, Pläne von Berlin und Umgebung: Spandau. Inv: IGG 2927. Die Karte stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1780, siehe handschriftlichen Eintrag der Jahreszahl rechts unten.
  9. Technische Universität Berlin, Architekturmuseum: NN, Pläne von Berlin und Umgebung: Charlottenburg, Spandau. Inv: IGG 2926. Die Karte stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1830, siehe handschriftlichen Eintrag der Jahreszahl rechts unten.
  10. H. Busse: Gruben mit Hockerbestattung und Flachgräber auf dem großen Reiherwerder im Tegeler See, Kr. Nieder-Barnim. In: Prähistorische Zeitschrift Nr. 2, 1910, S. 66–78. Siehe ferner: Autoren-/Schlagwortregister des Jahres 1913 mit diversen Angaben zum Reiherwerder.
  11. Das Bild mit einem Skelett in Hockerstellung ist im Internet abrufbar: Bildindex der Kunst und Architektur: Hockergrab Reiherwerder, ältere Bronzezeit, 1750ante/1200ante.
  12. Eberhard Bohm: Spandau in slawischer Zeit. In: Slawenburg, Landesfestung, Industriezentrum. Untersuchungen zur Geschichte von Stadt und Bezirk Spandau. Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Colloquium-Verlag, Berlin 1983, S. 30 ISBN 3-7678-0593-6. (auf S. 31 ist das Schwert abgebildet.)
  13. Eberhard Bohm: Die Frühgeschichte des Berliner Raumes (6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 12. Jahrhundert n. Chr.). In: Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin: Geschichte Berlins. 1. Band, Verlag C.H. Beck, München 1987, S. 69ff, 98 ISBN 3-406-31591-7.

Koordinaten: 52° 35′ 14″ N, 13° 15′ 37″ O