Satz vom primitiven Element

mathematischer Satz

Der Satz vom primitiven Element ist ein mathematischer Satz aus der Algebra, der hinreichende Bedingungen dafür angibt, dass eine Körpererweiterung eine einfache Körpererweiterung ist. Sind Körper, dann wird die Körpererweiterung einfach genannt, wenn sie durch Adjunktion eines einzelnen Elements erzeugt werden kann. Ein solches, im Allgemeinen nicht eindeutig bestimmtes Element mit , wird primitives Element genannt. Der Satz vom primitiven Element wurde von Galois vollständig bewiesen und findet sich in einer Publikation[1] von Abel aus dem Jahre 1829, auf die sich Évariste Galois in seinem Mémoire sur les conditions [...] (neben Arbeiten von Lagrange und Gauß) gestützt hat.[2]

Es gibt zwei Sätze, die als Satz vom primitiven Element bezeichnet werden, wobei der zweite Satz eine Folgerung aus dem ersten ist.[3][4]

  • Eine Körpererweiterung   ist einfach, wenn   von der Form   mit einem über   algebraischen Element   und über   separablen Elementen   ist.
  • Jede endliche separable Körpererweiterung ist einfach.

Bedeutung

Bearbeiten

Insbesondere sind endliche Galois-Erweiterungen von dieser Form und daher einfach. Ist   eine solche Erweiterung, so ist ein Element der Galoisgruppe, das heißt ein  -Automorphismus   von  , bereits eindeutig durch den Wert   bestimmt. Mit Hilfe eines primitiven Elementes kann auch die Galoisgruppe eines Polynoms bzw. einer Körpererweiterung bestimmt werden. Darin liegt die Bedeutung dieses Satzes für die Galoistheorie.[5]

Beispiele

Bearbeiten
  •   ist eine Körpererweiterung über  . Ein mögliches primitives Element   ist
 ,
denn mit
 ,   und  
ergibt sich, dass t Nullstelle des Polynoms   und damit algebraisch über   ist.
Außerdem erhält man die Gleichungen:
  und  .
Damit lassen sich   und   durch Polynome mit der Variablen t ersetzen:
  und  .
Also ist
 
und {1, t, t2, t3} eine Basis von   als Vektorraum über  . Eine andere mögliche Basis ist { }, d. h.
  .
Es handelt sich also um eine algebraische Körpererweiterung vom Grad vier.
  • Das Polynom   hat die Nullstellen   und hat somit   als Zerfällungskörper. Wie oben gezeigt, ist   ein primitives Element und die vier Nullstellen können somit als Polynome p1, p2, p3, p4 mit der Variablen t1 dargestellt werden:
 ,
 ,
 ,
 ,
Das primitive Element t1 ist – wie oben berechnet – Nullstelle des über   irreduziblen Polynoms  . Die anderen Nullstellen dieses Polynoms erhält man durch zweimaliges Wurzelziehen – zusammen mit der Beziehung  :
 .
Ersetzt man nun in den Polynomen p1, ... p4 die Variable t1 durch t2, t3 oder t4, so ergeben sich wiederum die Nullstellen x1, x2, x3, x4 des Ausgangspolynoms, allerdings in einer anderen Reihenfolge. Diese Permutationen der Nullstellen entsprechen jeweils einer Operation eines Elementes der Galoisgruppe auf diesen Nullstellen.[6]
Einsetzen von t1 liefert die Identität, die übrigen Beziehungen ergeben sich durch Nachrechnen:
 ,
 ,
 ,
 .
{ } ist die Galoisgruppe als Permutationsgruppe der Nullstellen, als Gruppe der Körperautomorphismen ergibt sie sich wie folgt:
Unter   werden   und   vertauscht werden, entsprechendes gilt bei   für   und  . Unter   ändert sich bei beiden Wurzeln das Vorzeichen. Die Elemente der Galoisgruppe als Körperautomorphismen sind somit:
 ,
 ,
 ,
 .
Man sieht, dass unter   neben dem Grundkörper   der Körper   elementweise fest bleibt. Bei   und   sind die Fixkörper   bzw.  .
Weil das Ausgangspolynom   nicht irreduzibel über   ist, operiert die Galoisgruppe nicht transitiv auf der Menge der Nullstellen dieses Polynoms: es gibt zum Beispiel kein Element der Galoisgruppe, das die Nullstelle   auf die Nullstelle   abbildet.
  • Die algebraisch Konjugierten des primitiven Elementes  , also die Nullstellen
 ,   und  ,
sind ebenfalls primitive Elemente, d. h. es gilt:
 .[7]
Bearbeiten
Wikiversity: Ein Beweis des Satzes – Kursmaterialien

Literatur

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Niels Henrik Abel: Mémoire sur une classe particulière d'equations résolubles algébriquement, J. reine angew. Math. Band 4 (1829), Seiten 131–156
  2. Helmut Koch: Einführung in die klassische Mathematik I, Springer-Verlag, ISBN 3-540-16665-3, Seiten 64 f.: Kapitel 7.4 Das Galoissche Mémoire zur Gleichungstheorie und Kap. 7.5: Der Satz vom primitiven Element
  3. Christian Karpfinger, Kurt Meyberg: Algebra. Gruppen – Ringe – Körper. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8274-2018-3, S. 259–260
  4. Kurt Meyberg, Algebra II, Carl Hanser Verlag (1976), ISBN 3-446-12172-2, Satz 6.9.17
  5. Kurt Meyberg, Algebra II, Carl Hanser Verlag (1976), ISBN 3-446-12172-2, Kapitel 7.2: Bestimmung einiger Galois-Gruppen
  6. Nieper-Wißkirchen: Galoissche Theorie. Universität Augsburg, S. 126, Proposition 4.8., PDF (Memento vom 15. Juli 2019 im Internet Archive)
  7. Nieper-Wißkirchen: Galoissche Theorie. Universität Augsburg 2013, S. 119, Proposition 4.4., PDF (Memento vom 15. Juli 2019 im Internet Archive)