Schachtkraftwerk

Wasserkraftanlage unter der Flußsohle

Ein Schachtkraftwerk ist ein Laufwasserkraftwerk, bei dem ein Teilstrom vor dem Stauwehr in einen senkrechten Schacht abströmt und dort eine Turbine mit Generator antreibt. Diese Konstruktion verhindert strömungstechnisch, dass Fische in die laufende Turbine gelangen und dort zerschlagen werden sowie der Flusslauf durch das im Fluss mitgeführte Geschiebe aus Steinen und Treibholz am Turbineneinlauf gestört wird.[1]

Konstruktion und Funktion

Bearbeiten

Vor dem Stauwehr im Flusslauf befindet sich ein senkrechter Schacht, in dem der größte Teil des Wassers abströmt und dort eine Turbine mit Generator antreibt. Eine geringe Wassermenge strömt weiterhin über das Wehr.

Der obere Rand des Schachtes befindet sich auf dem Niveau des Flussbodens vor dem Stauwehr und ist mit einem feinen, horizontalen Rechen abgedeckt, ein Metallgitter zum Schutz der Fische gegen ein Einströmen. Diese Anordnung gewährleistet auch, dass das vom Fluss mitgeführte Geschiebe ungehindert über das Wehr abfließen kann.[2][3]

Die komplett unter Wasser befindliche Turbinen-Generatoreinheit besteht aus einer getriebelosen Verbindung von Generator und Laufrad und wird von einer wartungs- und verschleißfreien Dichtung versiegelt. Durch die wenigen bewegten Teile ist das Aggregat besonders wartungsarm.[4] Aufgrund dieser Eigenschaft wurde das Unternehmen, das dieses Aggregat (mit der Bezeichnung DIVE-Turbine) entwickelte, 2009 mit dem Bayerischen Umweltpreis ausgezeichnet.[5]

An die Turbinen-Generatoreinheit schließt sich ein Diffusor an, aus dem das Wasser aus der Turbine wieder abfließt.

Nur ein am Ufer stehendes Transformator-Häuschen weist auf die Energiequelle hin. Die heute in der Planung befindlichen Schachtkraftwerke haben Fallhöhen von 1,2 und 2,5 Metern.

Es ist möglich, mehrere Schächte nebeneinander anzuordnen.

Leistungsangaben

Bearbeiten

An der Loisach bei Großweil ist ein Schachtkraftwerk im Zweischachtdesign mit einer Fallhöhe von 2,5 m, einem Kraftwerksabfluss von 22 m³/s und einer Leistung von 420 kW im Juli 2020 in Betrieb gegangen und es deckt den Strombedarf von Großweil komplett ab.[6]

Der Wirkungsgrad des Schachtkraftwerks wird mit 86 % angegeben, der eines konventionellen Wasserkraftwerks liegt bei 70 bis 80 Prozent.[7]

Ökologische Verträglichkeit

Bearbeiten

Maßnahmen zum Schutz der Fische gegen ein Einströmen zur Turbine sind die zum Flusslauf angeordnete horizontale Rechenfläche, die niedrige Einströmgeschwindigkeit am Rechen, die durch einen großen Einlaufquerschnitt des Schachtes erreicht wird, und das feine Rechengitter. In den durchgeführten Versuchen der TU-München (Wasserbau und Wasserwirtschaft) wurden keine Fische durch die Strömung an den Rechen gedrückt. Die Fische konnten sich frei bewegen und es traten keine Schädigungen auf.[3][8] Jedoch ergaben umfangreichere Studien, dass je nach Fischart doch Schädigungen auftreten.[9]

Fische können durch Öffnungen am Wehr flussabwärts gelangen. Flussaufwärts können sie über eine Fischtreppe das Wehr umgehen.

Turbine und Generator emittieren keinen Schall, weil sie unter Wasser arbeiten.

Einsatzbereiche

Bearbeiten

Schachtkraftwerke sind bis zu kleinen Fallhöhen (> 1 Meter) und auch in kleinen Fließgewässern einsetzbar. Sie eignen sich für dezentrale Anlagen, insbesondere auch in Entwicklungsländern. Wegen der einfachen Konstruktion sind die Erstellungs- und Unterhaltskosten (bei geringem Wartungsaufwand) verglichen mit anderen Bauarten gering.[1]

Der Benutzer Flominator wünscht sich an dieser Stelle ein Bild vom Ort mit diesen Koordinaten.

Motiv: Walchensee, Versuchsanlage im Oskar von Miller-Institut (Obernach 59 1/3)

Falls du dabei helfen möchtest, erklärt die Anleitung, wie das geht.
BW

In Deutschland wurde bislang von der TU-München – Wasserbau und Wasserwirtschaft eine Versuchsanlage im bayrischen Obernach errichtet, die 2013 mit 50 Kilowatt elektrischer Leistung den Betrieb aufnahm.

Ein erster Prototyp wurde an der Loisach in der Gemeinde Großweil geplant und Ende 2014 genehmigt.[10]

Der Bund Naturschutz und der Landesfischereiverband reichten eine Klage mit Bezug auf die FFH und die Alpenkonvention beim Bayerischen Verwaltungsgericht ein. Der Rechtsstreit wurde mit einem Kompromiss unter Einhaltung verschärfter Umwelt- und Fischschutzauflagen beigelegt.[11] Im Juli 2020 ist dieses Kraftwerk ans Netz gegangen.[12]

Im Dezember 2016 wurde zudem der Bau eines Schachtkraftwerks an der Iller bei Dietenheim genehmigt. Insgesamt sollen acht solcher Kraftwerke an der Iller errichtet werden.[13]

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Brigitte Röthlein: Patentierter Prototyp – Dieses Flusskraftwerk sieht und hört man kaum. In: Die Welt. 11. September 2015, abgerufen am 23. August 2022.
  2. Wasserkraftkonzept Schachtkraftwerk. In: tum.de. Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München, abgerufen am 25. August 2022.
    Albert Sepp, Franz Geiger, Peter Rutschmann: Schachtkraftwerk – Konzept und Funktionskontrollen. (pdf; 1,3 MB) In: tum.de. 24. Mai 2016, abgerufen am 25. August 2022.
  3. a b Peter Rutschmann: Die Rolle der Wasserkraft als erneuerbare Energie und deren Innovationspotentiale. (pdf; 6,7 MB) München, AGAW Symposium, Wasserkraft für Europa, ERA Conference Centre, Trier, 15./16. September 2011, 21. September 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 25. August 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/linhart.ch
    Peter Rutschmann: Die Rolle der Wasserkraft als erneuerbare Energie und deren Innovationspotentiale. (pdf; 6,7 MB) München, AGAW Symposium, Wasserkraft für Europa, ERA Conference Centre, Trier, 15./16. September 2011, 21. September 2011, abgerufen am 25. August 2022.
  4. DIVE-Turbine – Die kompakte für unter Wasser. (pdf; 236 kB) In: zek Wasserkraft. Dezember 2008, S. 25, archiviert vom Original am 4. Juli 2010; abgerufen am 25. August 2022.
  5. Unternehmen: DIVE Turbinen GmbH & Co. KG. In: dive-turbine.de. 25. Juli 2017, abgerufen am 25. August 2022.
  6. Ulrich Marsch: Erstes Schachtwasserkraftwerk am Netz. In: idw-online. 20. Juli 2020, abgerufen am 26. August 2022.
  7. Nathanael Meyer: Die Energie der Zukunft: So funktioniert das Wasserkraftwerk 2.0. In: Focus Online. 29. April 2015, abgerufen am 26. August 2022.
    Nathanael Meyer: Die Energie der Zukunft: So funktioniert das Wasserkraftwerk 2.0. (mp4-Video; 16 MB; 1:03 Minuten) In: Focus Online. 29. April 2015, abgerufen am 26. August 2022.
  8. Stephanie Geiger: Wasserkraft ganz neu gedacht. In: Welt am Sonntag. 11. Dezember 2011, abgerufen am 26. August 2022.
  9. Doch nicht fischschonend? Forschung zu neuen Wasserkraftwerken. 9. Juli 2022, abgerufen am 26. April 2023.
  10. Schachtkraftwerk: Das umweltfreundliche Wasserkraftwerk. In: ARD alpha. 20. Juli 2021, abgerufen am 26. August 2022.
    Christian Sebald: Kraftwerk an der Loisach – Alarm im Fischparadies. In: sueddeutsche.de. 29. April 2015, abgerufen am 4. November 2015.
  11. Tanja Brinkmann: Schachtkraftwerk Großweil: Deutliche Verzögerung. In: merkur.de. 28. April 2015, abgerufen am 4. November 2015.
    Andreas Seiler: Freie Bahn für Wasserkraft in Großweil. In: merkur.de. 7. Februar 2016, abgerufen am 11. April 2016.
  12. Klaus Becker: Erstes Schachtkraftwerk am Netz. In: tum.de. 20. Juli 2020, abgerufen am 28. Juli 2020.
  13. Gerichtsentscheid bestätigt Zulassung des Schachtkraftwerks an der iller. In: iller-schachtkraftwerke.de. 15. September 2017, abgerufen am 22. Januar 2017.