Sie ist mir lieb, die werte Magd ist ein Kirchenlied von Martin Luther. Gedruckt erschien es erstmals 1535 im Klugschen Gesangbuch und gehört damit zu den späteren Liedern Luthers. Die Überschrift lautet Ein Lied von der heiligen christlichen Kirche, aus dem 12. Kapitel der Offenb. Joh.

Form und Inhalt

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Das Lied hat drei Strophen, die einem ungewöhnlich kunstvollen Vers- und Reimschema folgen. Es ist formal von der spätmittelalterlichen Liebeslyrik der sog. Hoflieder beeinflusst.[1] Inhaltlich zeichnet es die Vision von der Apokalyptischen Frau aus dem 12. Kapitel der Johannesoffenbarung (Offb 12 EU) nach. Die zweite und dritte Strophe beschreiben, in enger Anlehnung an den Bibeltext, das Bild der Frau im Sternenkranz, die Geburt ihres Kindes, den Aufruhr des Drachen, die Entrückung des Kindes zu Gottes Thron und die Bewahrung der Frau auf der Erde. Bemerkenswert ist die erste Strophe. Sie ist eine Liebeserklärung an die werte Magd und ein Bekenntnis zu ihrer helfenden Treue.

Luthers Dichtung bietet der Interpretation dieselbe Schwierigkeit wie der ihr zugrunde liegende Bibeltext. Wer ist die werte Magd, die Frau, mit der Sonne bekleidet? Ist Maria gemeint? Oder ist es ein Bild für die Kirche? Luthers Lied nimmt manche Motive spätmittelalterlicher Mariendichtung auf. Seine Überschrift weist jedoch unmissverständlich in die andere Richtung. In der zweiten Phase der Reformation, als eine Annahme seiner Rechtfertigungslehre durch die Gesamtkirche ausgeschlossen war und sich evangelische Kirche zu konstituieren begann, wurden Wesen und Eigenschaften der Kirche für Luther mehr und mehr zum Thema. In Abgrenzung zu einem vermeintlich triumphalistischen Selbstverständnis der Papstkirche einerseits und jetzt auch zu einer alles Institutionelle ablehnenden Schwärmerei andererseits formuliert Luther anhand des biblischen Bildes eine Sicht von Kirche, die Schönheit und Kreuz zusammenschaut und Kirche in ihrer wesentlichen Zwischenstellung zwischen Weltzeit und Vollendung als unentbehrlich für den Glaubenden begreifen hilft.

Nachwirkung

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Luthers Lied ist von der evangelischen Frömmigkeit nur selten rezipiert worden und findet sich nur in wenigen Gesangbüchern (etwa im Lutherischen Kirchengesangbuch der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, Berlin 1988). Sprachlich und formal kann es sich jedoch mit seinen besten Schöpfungen messen. Marcel Reich-Ranicki nahm es in seinen Kanon lesenswerter deutschsprachiger Werke auf.

 
Sie ist mir lieb, die werte Magd, Originaltext, Nachdruck WA 35

Sie ist mir lieb, die werte Magd
und kann ihr nicht vergessen,
Lob, Ehr und Zucht von ihr man sagt,
sie hat mein Herz besessen.
Ich bin ihr hold,
und wenn ich sollt
groß Unglück han,
da liegt nicht an;
sie will mich des ergetzen
mit ihrer Lieb und Treu an mir,
die sie zu mir will setzen
und tun all mein Begier.

Sie trägt von Gold so rein ein Kron,
da leuchten inn zwölf Sterne,
ihr Kleid ist wie die Sonne schon,
das glänzet hell und ferne;
und auf dem Mon
ihr Füße stohn;
sie ist die Braut,
dem Herrn vertraut.
Ihr ist weh und muss gebären
ein schönes Kind, den edlen Sohn
und aller Welt ein Herren,
dem sie ist unterton.

Das tut dem alten Drachen Zorn
und will das Kind verschlingen,
sein Toben ist doch ganz verlorn,
es kann ihm nicht gelingen.
Das Kind ist doch
gen Himmel hoch
genommen hin
und lässet ihn
auf Erden fast sehr wüten.
Die Mutter muss gar sein allein;
doch will sie Gott behüten
und der recht Vater sein.

Literatur

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  • Wilhelm Lucke: Sie ist mir lieb die werte Magd. In: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Band 35, Weimar 1923, S. 254–257 (Textarchiv – Internet Archive).
  • Kurt Aland: Luther Deutsch. 2. Auflage 1966, Band 6, 284 f. und 361.
  • Markus Jenny: Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge. Vollständige Neuedition in Ergänzung zu Band 35 der Weimarer Ausgabe, AWA 4, Köln / Wien 1985, S. 111–113 u. S. 292–294.
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Commons: Sie ist mir lieb, die werte Magd – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. hoflied. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 10: H, I, J – (IV, 2. Abteilung). S. Hirzel, Leipzig 1877, Sp. 1691 (woerterbuchnetz.de).