Synode von Trebur

ostfränkische Reichssynode

Die Synode von Trebur (manchmal auch Konzil von Trebur; alte Schreibweise Tribur) war eine ostfränkische Reichssynode, die im Mai 895 stattfand.

Die Synode fand in Trebur (historisch auch: Tribur) statt, wo sich eine Königspfalz befand. Die Synode tagte in der dortigen Kirche, wahrscheinlich einem Vorgängerbau der heutigen Laurentiuskirche. In diesem Zusammenhang wird die Kirche in Trebur erstmals erwähnt. Geleitet wurde die Synode von Erzbischof Hatto I. von Mainz.[1] Die Synode begann am 5. Mai 895 und dauerte mehrere Tage.[2] Kaiser Arnolf war spätestens Anfang Mai in Trebur angekommen: Eine am 8. Mai von ihm dort ausgestellte Urkunde ist erhalten.[3] Dass er gleichzeitig dort eine Reichsversammlung leitete,[4] entstammt der Einleitung der Versio Diessensis-Coloniensis[Anm. 1], widerspricht aber der Angabe in den Fuldaer Annalen, dass er sich nach Abschluss der Synode nach Worms begab, wo er eine Reichsversammlung abhielt. Vermutlich sollte im Nachhinein das Geschehen auf der Synode überhöht werden, um ihre Ergebnisse gewichtiger erscheinen zu lassen.[5] Im Verlauf der Synode versicherten sich die Bischöfe der weltlichen Unterstützung durch den Kaiser und dieser der kirchlichen Unterstützung seiner Herrschaft.[6]

Die Ergebnisse der Synode sind ganz wesentlich von den unsystematisch zur Beratung eingebrachten Einzelfällen bestimmt. Ein (Reform-)Programm lag ihr nicht zugrunde, die Synode von Trebur 895 war – trotz der großen Zahl der Beteiligten – keine Reformsynode.[7]

Beschlossene Kanones

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Die Synode verabschiedete eine Reihe von Kanones. Nachfolgend aufgeführt ist die „Lang-Version“ mit allen 58 Kanones der Vulgata-Fassung, auch wenn inzwischen für einen Teil nachgewiesen werden kann, dass sie in Trebur nicht Beratungsgegenstand waren, sondern durch spätere redaktionelle Bearbeitungen hineingelangten.

Vorwort (Capitulatio und Praefatio)
01 Gemeinsames Gebet für die Eintracht des Klerus und des Volkes
02 Untersuchung bezüglich eines bestimmten Priesters, der exkommuniziert wurde.
03 Die Antwort des Königs und die allgemeine Verurteilung der Exkommunizierten
04 Von der Verletzung und Beleidigung der Priester
05 Welche Art von Buße muss derjenige auf sich nehmen, der einen Priester vorsätzlich tötet?
06 Von dem, der mit gezogenem Schwert den Hof der Kirche betrat
07 Von denen, die Dinge der Kirche rauben
08 Von denen, die ein von den Bischöfen verhängtes Verbot missachten
09 Vorrang des bischöflichen gegenüber einem weltlichen Gericht
10 Dass ein Bischof nur von zwölf Bischöfen abgesetzt werden darf, ein Priester nur von sechs, ein Diakon nur von dreien
11 Wenn ein Geistlicher einen Mord begeht, darf er von einem weltlichen Gericht nicht vorgeladen werden
12 Abgesehen von den Regelterminen an Ostern und Pfingsten soll nur in Notfällen getauft werden.
13 Vom Zehnt
14 Von den Zehnten alter und neu geweihter Kirchen
15 Von der Bestattung der Toten bei einer Kirche / Verkauf einer Grabstelle[8]
16 Dass niemand aus der Bestattung der Toten Gewinn erzielen soll[9]
17 Dass kein Laie in der Kirche begraben werden soll
18 Von den Gefäßen, mit denen die heiligen Geheimnisse hergestellt werden.
19 Weder Wein allein noch Wasser allein sollen im Kelch angeboten werden.
20 Von Straftaten gegen Kleriker
21 Vom Rechtsstreit zwischen Priester und Laien: Während dem Laien ein Eid als Beweis auferlegt wird, genügt beim Priester dessen Wort.
22 Ein freier Mann darf mit einem Reinigungseid einen Beweis antreten. Wenn jedoch die Gegenseite mehr Eidhelfer aufbringt, muss er entweder die Buße bezahlen oder sich dem Gottesurteil des „heißen Eisens“ unterwerfen.[10]
23 Von denen, die eine Nonne heiraten
24 Über eine Jungfrau, die 12 Jahre lang ohne Zustimmung ihres Herren, unter dessen Herrschaft sie gestanden hatte, ins Kloster eingetreten war
25 Von Witwen, die in ein Kloster eintreten
26 Von den Mönchen, die aus dem Kloster flohen oder sich der klösterlichen Disziplin entzogen
27 Von Geistlichen, die einmal in den Klerus berufen wurden
28 Dass kein Bischof einem anderen einen Pfarrer abwerben soll
29 Kein Bischof darf einen Sklaven weihen, bevor er seine völlige Freiheit erlangt hat.
30 Über denjenigen, der einen falschen Brief vom Heiligen Stuhl vorlegt
31 Von Dieben und Räubern, die bei ihrer Tat ums Leben kommen
32 Wenn mehrere Miterben Ansprüche auf die Besetzung einer Stelle an einer Eigenkirche erheben
33 Über körperliche Gebrechen bei geweihten Personen
34 Über den, der im Kampf gegen die Heiden versehentlich dessen christliche Gefangene tötet
35 Kein Graf und kein Richter darf an Feiertagen, Sonntagen, Fastentagen oder Fastenzeiten eine Gerichtsversammlung abhalten
36 Wenn zwei Brüder gleichzeitig einen Baum fällen und einer von ihnen durch einen herabfallenden Ast getötet wurde
37 Über eine Frau, deren Kind aufgrund ihrer Fahrlässigkeit versehentlich stirbt
38 Wenn ein Freier eine Unfreie heiratet wird sie frei und das soll gestattet sein
39 Wenn ein Mann die Angehörige eines anderen Stammes heiratet (konkret ging es um einen Franken und eine Sächsin[11]), ist das eine rechtmäßig geschlossene – und damit unauflösbare – Ehe. Der Mann wollte mit der Argumentation, dass die Ehe ausschließlich nach dem Stammesrecht der Frau geschlossen wurde, feststellen, dass eine rechtsgültige Ehe nicht zustande gekommen sei.[12]
40 Von der Tat, dass ein Mann zu Lebzeiten eines anderen dessen Frau vergewaltigte und darüber hinaus durch einen Eid bestätigte, dass er sie nach dessen Tod zur Ehefrau nehmen werde.
41 Betrifft den Fall, dass ein Mann eine Frau heiratet und nicht in der Lage ist, mit ihr den Beischlaf zu vollziehen, und sein Bruder sie heimlich vergewaltigt.
42 Wenn jemand von einem Gau oder Bistum zu einem anderen wechselt und Inzest mit einer Nichte oder Cousine begeht, darf ihn deren Bischof zur Buße zwingen.[13]
43 Wenn eine Person mit jemandem Ehebruch begeht und deren Sohn oder Bruder sie ohne Vorsatz verletzt
44 Wenn ein Mann Ehebruch begeht und sein Bruder die Frau heiratet, ohne es zu wissen
45 Wenn ein Mann mit zwei Schwestern sexuell verkehrt
46 Wenn die Frau die Ehe bricht und der Ehemann aus diesem Grund versucht, sie zu umzubringen, soll das Kirchenasyl sie schützen.[14]
47 Ein Mann kann nach dem Tod des Taufpaten seines Sohnes die Witwe des Taufpaten heiraten.
48 Wenn jemand die Tochter seiner Taufpatin heiratet, soll das gestattet sein.[15][Anm. 2]
49 Von denen, die durch Ehebruch Kinder gezeugt haben
50 Wer jemanden durch Täuschung vom rechten Glauben ab- oder dazu bringt, dass dieser ihn verliert, muss auf zwei Arten bestraft werden
51 Was den Fall betrifft, dass ein Mann mit der Frau eines anderen Ehebruch begeht, während er mit ihr zusammenlebt
52 Von Todschlag, der nicht im Affekt geschieht
53 Was den Fall betrifft, wenn ein Mann seinen Sohn ohne Vorsatz tötet
54 Von denen, die vorsätzlich einen Todschlag begehen (diese und die folgenden Vorschriften betreffen die Buße für einen vorsätzlichen Todschlag, die in mehreren Stufen über sieben Jahre abzuleisten war.)[Anm. 3]
55 Von der 40-tägigen Buße (1. Stufe)
56 Nach den 40 Bußtagen des ersten Jahres (2. Stufe)
57 Buße des zweiten und dritten Jahres (3. Stufe)
58 Buße des vierten, fünften, sechsten und siebten Jahres (4. Stufe)

Im Bereich des „Familienrechts“ liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Bereich des außerehelichen Geschlechtsverkehrs und hier insbesondere auf Fällen von Inzest. Die kirchenrechtlichen Regelungen zur Eheschließung standen dagegen schon so weit fest, dass sie als selbstverständlich vorausgesetzt wurden. Regelungen zur Eheschließung traf die Synode von Trebur deshalb nicht.[16] Die Regelungen zu Inzest und Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe stellten für die Bischöfe dagegen eine Möglichkeit dar, ihre Macht und ihren Einfluss in der Sphäre der Laien auszuweiten.[17]

König Arnolf soll – aber das gibt im Wesentlichen nur die Versio Vulgata wieder – zugestimmt haben, dass die kirchenrechtliche Sanktion der Exkommunikation auf weltlicher Seite automatisch ein Verfahren vor einem königlichen Gericht zur Folge hatte und – falls der zum Gericht Geladene nicht erscheine – automatisch eine Acht nach sich ziehe.[18] Die Versio Vulgata überhöht das reale Geschehen in Trebur aber erheblich, indem sie das beschriebene Zeremoniell und den eigenen Sprachduktus ins Erhabene und Feierliche verschiebt. Insofern ist zweifelhaft, ob hier Tatsachen berichtet werden oder ein überhöhter Idealzustand die Bedeutung der Synode nachträglich aufwerten sollte.[19] Ohne solche Überlegungen zu berücksichtigen, kommt die Edition der Synode in Monumenta Germaniae Historica zu der Wertung, dass die Synode von Trebur eines der eindrucksvollsten und wirkmächtigsten Konzilien der Karolingerzeit gewesen sei.[20]

Überlieferung

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Das Ergebnis der Synode ist in drei Fassungen überliefert, eine mit

  • 31 Kanones, die Versio Diessensis-Coloniensis[21]
  • 35 Kanones, die Versio Catalaunensis[22]
  • 58 Kapiteln, die Versio Vulgata[Anm. 4][23]

Während es von der Versio Catalaunensis mittelalterliche Abschriften gibt, kann die Versio Diessensis-Coloniensis nur aus späteren Zitaten in anderen Schriften erschlossen werden. Da diese Zitate oft die Kapitelzählung der Ausgangsversion mit angeben, ist bekannt dass diese mindestens 33 Kanones enthielt.[24]

Nach neuerer Meinung ist die Versio Catalaunensis eine Ergebnisniederschrift der Beratungen in Trebur, die anschließend zu einer offiziellen Fassung von 31 Kapiteln, der Versio Diessensis-Coloniensis, zusammengefasst wurde.[25] Andere sehen die Versio Diessensis-Coloniensis näher am „originalen“ Beratungsergebnis der Synode als die Versio Catalaunensis und die beiden anderen Versionen als jeweils erweiterte Ausarbeitungen.[26] Die Versio Catalaunensis weist zudem die Besonderheit auf, dass sie als einzige in den Begründungen an einigen Stellen auf Kapitularien – also weltliches Recht – verweist.[27]

Einigkeit besteht heute darüber, dass die Versio Vulgata Ergebnis einer späteren Redaktion ist, die im bairischen Raum, wahrscheinlich in Freising, entstand.[28] Dabei wurden gegenüber dem ursprünglichen Beratungsergebnis von Trebur zusätzliche Kanones eingefügt.[29] Die Versio Vulgata ist mit inhaltlich sehr ähnlichen Texten in vier Codices überliefert, die im 10. und 11. Jahrhundert in Freising niedergeschrieben wurden.[30] Der Erstdruck der Versio Vulgata erfolgte 1525 in Mainz.[31] Vorlage war ein heute verlorenes Manuskript, dass sich damals im Besitz von Sebastian Sprenz, Bischof von Brixen, befand.

Rezeption

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Die älteste erhaltene Rezeption der Synodenbeschlüsse ist nahezu zeitgenössisch: Regino von Prüm übernimmt sie umfangreich in sein 906 niedergeschriebenes Sendhandbuch.[32] Weitere Autoren, die die Kanones der Synode von Trebur wiedergeben, sind das Liber decretorum des Bischofs Burchard von Worms, das Decretum und die Panormia des Ivo von Chartres sowie Gratian.[33]

Weitere Beratungsgegenstände

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Ein weiterer Beratungspunkt der Synode war die Rückgliederung des Bistums Bremen in die Kirchenprovinz Köln, die Erzbischof Hermann I. von Köln schon seit langer Zeit betrieb.[34]

Teilnehmer

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Die Zahl und die Namen der Teilnehmer an der Synode weichen je nach Quelle etwas voneinander ab:

  • Die Versio Diessensis-Coloniensis[35] und Regino von Prüm nennen 26 Bischöfe und eine nicht genannte Zahl von Äbten.[36]
  • Die anderen Quellen[37] nennen 22 Teilnehmer.

Namentlich erfasst werden können[38]:

Literatur

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  • Georg Phillips: Die grosse Synode von Tribur. Dargestellt mit Benutzung von Wiener, Münchener und Salzburger Handschriften = Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-Historische Klasse: Sitzungsberichte ; 49,11. Gerold, Wien 1865, S. 713–784 (Digitalisat).
  • Rudolf Pokorny: Die drei Versionen der Triburer Synodalakten von 895. Eine Neubewertung. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 48, 1992, S. 429–511 (Digitalisat)
  • Karl Ubl: Bischöfe und Laien auf dem Konzil von Tribur 895. Zur Politisierung der Ehe in der Karolingerzeit. In: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 70, 2014, S. 143–161.
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Anmerkungen

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  1. Siehe unten Abschnitt „Überlieferung“.
  2. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die drei vorangegangenen Kanones ein nachträglicher Einschub und waren nicht Teil der Beschlüsse in Trebur (Ubl, S. 153).
  3. Die im Einzelnen zu erbringenden Bußleistungen beschreibt Phillips, S. 14.
  4. Die Bezeichnung bezieht sich nicht auf eine umfangreiche Verbreitung im Mittelalter, sondern darauf, dass sie als einzige schon im 16. Jahrhundert gedruckt wurde und damit bis ins 19. Jahrhundert die einzig bekannte Fassung war (Ubl, S. 148).

Einzelnachweise

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  1. Philipps, S. 6.
  2. Vgl. Pokorny, S. 486, Anm. 164.
  3. Philipps, S. 6.
  4. Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters: Synode in Trebur 895 (Weblinks); Philipps, S. 7.
  5. Pokorny, S. 488f.
  6. Philipps, S. 8.
  7. Pokorny, S. 488.
  8. Vgl. Pokorny, S. 473.
  9. Vgl. Pokorny, S. 473.
  10. Phillips, S. 11.
  11. Vgl. Pokorny, S. 477f.
  12. Vgl. Pokorny, S. 478.
  13. Vgl. dazu; Ubl, S. 157f.
  14. Vgl. Ubl, S. 152f.
  15. Zu diesem Kanon und dem vorangegangenen ausführlich: Ubl, S. 149–152.
  16. Ubl, S. 158.
  17. Ubl, S. 160f.
  18. Pokorny, S. 487.
  19. Pokorny, S. 488.
  20. Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 319.
  21. Pokorny, S. 442–449.
  22. Châlons 32; Pokorny, S. 438–442.
  23. Pokorny, S. 432–438.
  24. Pokorny, S. 442f.
  25. Pokorny, S. 481–483.
  26. Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 322; Ubl, S. 147.
  27. Ubl, S. 156.
  28. Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 319.
  29. Ubl, S. 153.
  30. Pokorny, S. 432f.
  31. Johannes Cochläus (Hg.): Acta et decreta concilii Triburiensis ex bibliotheca Brixiniensi, in vetustissimo codice, nuper deprompta, ac fideliter excripta. Mainz 1525.
  32. Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 319.
  33. Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 330f.
  34. Vgl. Pokorny, S. 486, Anm. 164.
  35. Pokorny, S. 443.
  36. Digitalisat Friedrich Kurze (Hg.): Reginonis abbatis Prumiensis chronicon cum continuatione Treverensi. Hahn, Hannover 1890, S. 143.
  37. Phillips, S. 3.
  38. Soweit nicht anders angegeben, entspricht diese Liste den in der Versio Vulgata Genannten (Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 369).
  39. Nur in der Versio Catalaunensis (Châlons 32) genannt (Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 371).
  40. Nur in der Versio Catalaunensis (Châlons 32) genannt (Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 371).
  41. Nur in der Versio Catalaunensis (Châlons 32) genannt (Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 371).
  42. Nur in der Versio Diessensis-Coloniensis genannt (Hartmann / Schröder / Schmitz, S. 380).

Koordinaten: 49° 55′ 23″ N, 8° 24′ 42″ O