Totenrotel
Die Totenrotel war eine schriftliche Todesbotschaft von einer Klostergemeinschaft zur anderen. Eine Rotel war eine Pergamentrolle, die um einen hölzernen Stab aufgewickelt wurde. Seit der Verdrängung durch den Codex waren derartige Dokumente fast ausschließlich im liturgischen Bereich in Verwendung. Die Totenrotel war eine solche Rolle, die einmal jährlich oder beim Tod eines Mönchs (seit dem 11. Jahrhundert meist nur noch für Würdenträger) hergestellt und von einem Boten, dem rotularius oder roligerus, von Kloster zu Kloster getragen wurde. In den meisten Fällen scheint diese Aufgabe ein Laienbruder versehen zu haben.
Klöster pflegen seit dem 9. Jahrhundert ein Netzwerk der Gebetsverbrüderungen, vornehmlich in Benediktinerorden und seinen Zweigen sowie unter Kanonikerstiften geübt. In späterer Zeit begrenzt sich das Versenden der Totenrotel auf Mittel- und Westeuropa, besonders Nordfrankreich, England, Belgien, Bayern und Österreich. Insgesamt sind rund 300 mittelalterliche Totenroteln erhalten, das Zehnfache ist aus der Frühen Neuzeit erhalten.
Die Totenroteln des Mittelalters kursierten oft jahrelang. Enthielten sie zuerst nur eine Vita des Verstorbenen in der eigentlichen Todesmitteilung oder encyclica, entstanden durch Anheftung beidseitig beschriebener Pergamente an jeder Station, so genannter tituli, mit der Zeit lange (und schwere) Rollen: Die Totenrotel des Abtes Vitalis von Savigny († 1122) beispielsweise erreichte im Laufe von zwei Jahren, in denen sie durch englische und französische Klöster getragen wurde, eine Länge von etwa 10 Metern.[1] Exemplare von 30 Metern Länge sind der Forschung bekannt.
Vorläufer der Totenroteln waren die Mortuarien oder breves genannten Totenlisten, die zwischen zwei Einrichtungen gewechselt wurden. Nachdem die Roteln selbst nicht mehr versendet wurden, blieb die Bezeichnung „Rottel“ für Nekrologe in Codexformat in Gebrauch.
Bekannte Totenrotelsammlungen
Bearbeiten- Die Totenrotelsammlung des Klosters Ensdorf (1716–1789) mit 1497 Totenroteln[2]
- Die Sammlung der Stiftsbibliothek Admont enthält 11 Roteln aus dem 15. Jahrhundert (1442–1496).[3]
- Im Archiv der Erzabtei St. Peter in Salzburg umfasst die umfangreiche Rotelsammlung 55 Foliobände.[4]
- In der Benediktinerabtei Michaelbeuern sind 35 Folianten von Roteln erhalten.
- Die Totenrotelsammlung des Klosters St. Emmeram (Regensburg) mit 2570 Totenroteln in 10 Foliobänden (1730–1795)[5]
Literatur
Bearbeiten- Totenrotel. In: Peter W. Hartmann: Das große Kunstlexikon. GR Vertriebsagentur, Salzburg 1996, ISBN 3-9500612-0-7.
- Jean Dufour: Totenroteln. In: Lexikon des Mittelalters. Band 8, Stuttgart 2000, S. 897f.
- Ulrich Arco-Zinneberg: Gebetsverbrüderung und Totenrotel. In: Karl Brunner (Hrsg.): Seitenstetten. Kunst und Mönchtum an der Wiege Österreichs. Stift Seitenstetten 1988, ISBN 3-900-464-731-0.
- Gerald Hirtner: Netzwerk der Tugendhaften. Neuzeitliche Totenroteln als historische Quelle (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige. 48. Ergänzungsband) Sankt Ottilien 2014.
- Manfred Knedlik: Die Totenrotelsammlung der Benediktinerabtei Ensdorf in der Staatlichen Bibliothek Amberg. In: Provinzialbibliothek Amberg (Hg.), Sitz der Weisheit. 200 Jahre Provinzialbibliothek Amberg / Staatliche Bibliothek Amberg, Kallmünz 2005, S. 135–145.
- Bernhard Lübbers: Die Totenrotelsammlung des Klosters St. Emmeram in der Staatlichen Bibliothek Regensburg. Zu einer wenig beachteten Quelle für die Lebenswirklichkeit in frühneuzeitlichen Frauenkonventen. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 154 (2014) S. 35–55.
- Bernhard Lübbers: Die Totenrotelsammlung der Staatlichen Bibliothek Regensburg. Eine Quelle für viele Fragestellungen.In: Ludger Syré (Hrsg.): Ressourcen für die Forschung: Spezialsammlungen in Regionalbibliotheken. Klostermann, Frankfurt a. M. 2018 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderbände; 123), ISBN 978-3-465-04362-1, S. 279–293.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Werner Robl: Eine Elegie aus der Hand Heloïsas auf der Totenrotel des Vitalis von Savigny? In: abaelard.de, 2001. Abgerufen am 9. November 2008.
- ↑ Bayerische Landesbibliothek: Totenrotelsammlung des Klosters Ensdorf
- ↑ Paul Baethcke: Die Roteln von Admont. In: Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung. Jahrgang 1905. Thienemannsche Hofbuchhandlung, Gotha 1905, S. 1–42; 94–108 (Verbesserungen). (online) ( vom 1. Februar 2014 im Internet Archive)
- ↑ Hans-Joachim Genge: Totenroteln aus dem Regensburger Schottenkloster St. Jakob im Archiv der Erzabtei St. Peter zu Salzburg. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Bd. 135 (1995), S. 133–159, ISSN 0342-2518
- ↑ https://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/totenroteln-emmeram