Als Unterverwandlung bezeichnet man im Schach die Umwandlung eines Bauern auf der gegnerischen Grundreihe in eine geringerwertige Figur als die Dame – also in Turm, Läufer oder Springer.

Motivation und Vorkommen

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Umwandlungen in einen Springer kommen in praktischen Partien selten bis gelegentlich vor, um ein Schach zu bieten – meist kombiniert mit einer Gabel oder als Bestandteil einer Matt-Kombination. Dagegen sind ernsthafte Umwandlungen in Turm und insbesondere Läufer in einer normalen Partie äußerst selten; sie können dazu dienen, ein gegnerisches Patt zu vermeiden. Unterverwandlung ist ein beliebtes Motiv in der Schachkomposition. Hier kommt neben der Pattvermeidung auch die Motivation vor, eine Unterverwandlung für ein eigenes Patt als Remischance zu nutzen.

Eine Unterverwandlung kann auch im frühen Stadium der Partie als Eröffnungsfalle vorkommen (zu einer bekannten Variante siehe Albins Gegengambit).

Geschichte

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Weiß am Zug remisiert
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Nach 1. b8=B ist Weiß in jedem Fall patt, wohingegen jeder andere Zug bei vernünftigem Spiel von Schwarz zum Partieverlust führt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es statthaft, einen Bauern nach Erreichen der gegnerischen Grundreihe ohne Umwandlung auf dieser stehen zu lassen (und zwar bis zum Ende der Partie, so er nicht vorher geschlagen wurde). Die englische Bezeichnung für einen solchen Bauern war dummy pawn. Er wurde 1862 in den Gesetzen der Britischen Schachföderation festgeschrieben und einige der ersten Turniere wurden nach diesen Regeln gespielt, zuletzt Wien 1873. Trotzdem etablierte sich mangels Akzeptanz der Regel im deutschsprachigen Raum kein Konsens für eine deutsche Übersetzung. Die Leipziger Illustrirte Zeitung schrieb im Jahr 1878: „Der vor längeren Jahren in englischen Schachkreisen zur Sprache gebrachte ,dummy pawn‘ (stumme Bauer) ist im deutschen Schach nie zur Geltung gekommen. Jeder in das achte Feld rückende Bauer muß sofort in einen beliebigen Offizier verwandelt werden; als Bauer darf er nicht stehen bleiben.“[1] Die deutsche Übersetzung der Bücher von Tim Krabbé verwendet die Übersetzung Dummy-Bauer. Ein Dummy-Bauer dürfte in praktischen Partien kaum jemals notwendig gewesen sein. Allerdings gibt es einige Schachkompositionen mit diesem Thema. Im Jahre 1903 wurde diese Möglichkeit wieder abgeschafft.

Ein Dummy-Bauer konnte vor allem zur Erzwingung eines Selbstpatts dienlich sein, wie die nebenstehende Illustration zeigt.

Matt in 3 Zügen
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7                 7
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4                 4
3                 3
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Der amerikanische Rätselexperte Samuel Loyd komponierte einen Dreizüger (siehe Diagramm), in dem ein weißer Bauer einen schwarzen Turm auf der Grundreihe schlagen und sodann Bauer bleiben muss, da jede umgewandelte Figur schwarze Pattmanöver zuließe.

Nach dem Schlüsselzug 1. cxd8=B! ergeben sich folgende Varianten:
1. … Lf5+ 2. Txf5 Ke7 3. f8=D#
1. … Lc6+ 2. bxc6 Kxc6 3. b5#
1. … Lxc8 2. f8=D+ Kd7 3. De7#
Nicht zum Ziel führen 1. cxd8=L? Lf5+ 2. Kd4 Lxc8 und 1. cxd8=S? Lc6+ 2. Kd4 Lxa8.

Im Jahr 1972 bzw. 1974 wurde entdeckt, dass die wörtliche Formulierung der Rochaderegel es zuließ, nach einer Unterverwandlung in einen Turm auf der Königslinie statt auf der Grundreihe zu rochieren. Diese so genannte Pam-Krabbé-Rochade wurde in Form einer Scherzaufgabe veröffentlicht. Daraufhin wurde die Formulierung der Rochaderegel präzisiert.

Turnierpartien

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Unterverwandlungen sind in Partien extrem selten. Der niederländische Schachkuriositätensammler Tim Krabbé hat auf seiner Website ein paar Dutzend Unterverwandlungen in Partien seit 1863 zusammengetragen. Er berücksichtigte dabei nur tatsächlich sinnvolle Unterverwandlungen, also keine Scherzunterverwandlungen, wenn der Stein ohnehin geschlagen werden muss oder ohnehin Gewinnstellung erreicht ist. In einigen der Stellungen ist die Unterverwandlung der leichteste Weg und in anderen sogar notwendig.

Springerumwandlungen sind häufiger anzutreffen, wobei die Partie zwischen László Szabó und Borislav Ivkov in Belgrad 1964 eine Besonderheit darstellt: Nach Ivkovs Umwandlung im 49. Zug befanden sich fünf Springer auf dem Brett. Ivkov gewann.[2]

Beispiele
Von Guretzky CornitzNeumann
Berlin 1863
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Schwarz gewann, den einzigen Gewinnweg sehend, mit 1. … a2+ 2. Kb2 bxc2 3. Kxa2 c1=T! und Weiß gab auf.

BabushkinPostnikow
Fernpartie, UdSSR 1969/70
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Eine der seltenen Unterverwandlungen in einen Springer ohne Schachgebot, die sich in praktischen Partien finden: 1. e8=S! und Schwarz kann das folgende Dauerschach auf c7 und b5 nicht verhindern.

NakamuraKramnik
Schacholympiade 2012, Istanbul[3]
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
  a b c d e f g h  

Nakamura gewann durch die Unterverwandlung 62. c8=S+! im 80. Zug. Das Schachgebot gewinnt ein wichtiges Tempo. Im Falle von 62. c8=D hätte Schwarz selbst eine Dame mit Schach erhalten (62. ... e1=D+). Schlägt jedoch Weiß gleich den Bauern (62. Kxe2), so kann Schwarz mit 63. ... f3+ 64. Kxf3 Lxc7 den weißen Freibauern erobern und so das Remis halten.

AnandCarlsen
Dubai 2023[4]
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
  a b c d e f g h  

Hätte Carlsen hier mit 67. ... c1=D? in eine Dame umgewandelt, so hätte Anand mit dem Damenopfer 68. De3+! Patt erzwingen können. Stattdessen zog Carlsen 67. ... c1=S+! und gewann nach wenigen Zügen, weil Weiß weder die Umwandlung des Bc4 verhindern, noch permanent Schach geben konnte.

Kompositionen

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Weiß am Zug gewinnt
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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1. e7–e8S+! mit Springergabel nebst anschließendem Mattsetzen mit Läufer und Springer. Die Umwandlung in eine Dame 1. e7–e8D? führt nach Dc7–f7+ zu Damentausch und zum Remis.

Matt in zwei Zügen
Charles Tomlinson, Amusements in Chess, 1845
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Nach sofortiger Umwandlung in eine Dame wäre Schwarz patt. 1. Kc6–d7 führt zu leichtem Gewinn, aber Matt erfolgt nicht vor dem 7. Zug. Die Unterverwandlung in einen Turm führt hingegen zu Zugzwang nebst Matt: 1. c8=T! Ka6 2. Ta8#

Weiß am Zug gewinnt
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Weiß gewinnt nur durch Unterverwandlung in einen Läufer auf c8:1. c8=L! Schwarz kann jetzt nur noch den Läufer ziehen; es ist jedoch gleichgültig, wohin er ihn bewegt: 1... L~ 2. Sd7 L~ 3. Lb7#. Dagegen würde eine Verwandlung zu Turm oder Dame ein sofortiges Patt bewirken, weil der schwarze König selbst nicht ziehen kann und sein Läufer auf b8 gefesselt ist. Eine Verwandlung zu einem Springer reicht – bei richtigem schwarzem Gegenspiel – für einen Sieg ebenfalls nicht aus. 1. cxb8? Kxb8 würde zu einer toten Stellung führen.

Weiß am Zug hält Remis
Hermann Ginninger, 1932
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Nur durch Unterverwandlung in einen Turm kann Weiß das eigene Patt herbeiführen und einer Niederlage entgehen: 1. a8=T! h2 2. Ta3! h1D 3. Ka4+ d3 4. b3. Schwarz kann das Patt nicht verhindern.

Weitere Beispiele von Unterverwandlungen finden sich in den Studien von Benkő, Saavedra, Vitali Halberstadt, Gorgijew und Selesnjow. Pogosjanz zeigte sogar eine beiderseitige Springerunterverwandlung. Eine achtfache (!) Springerunterverwandlung ist bei André Chéron zu finden.

Wird im Rahmen einer Schachkomposition ein Bauer in verschiedenen Varianten in alle möglichen Figuren umgewandelt, so spricht man von einer Allumwandlung.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Illustrierte Zeitung, 28. September 1878, S. 236
  2. Szabo–Ivkov bei chessgames.com
  3. Nakamura – Kramnik bei chessgames.com
  4. Anand – Carlsen bei chessgames.com