Verschlossene Auster

Negativpreis für Auskunftsverweigerer in Politik und Wirtschaft

Die Verschlossene Auster ist ein von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e.V. verliehener Negativpreis „für Auskunftsverweigerer in Politik und Wirtschaft“. Der seit 2002 verliehene Preis, eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner aus reinem Schiefer[1], soll bei den Empfängern einen offeneren Umgang mit Presse und Medien bewirken.

Preisträger

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  • 2002: Otto Schily für die Blockade des Informationsfreiheitsgesetzes und die Ablehnung von Interviews[2]
  • 2003: Aldi-Gruppe für juristische Schritte gegen kritische Berichterstattung und missliebig ausfallende Produkttests[3]
  • 2004: Albrecht Schmidt, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank (stellvertretend für „fast alle DAX-Unternehmen“) für Einschränkungen der Pressefreiheit bei Hauptversammlungen[4]
  • 2005: Gerhard Mayer-Vorfelder für restriktive DFB-Informationspolitik (Bundestrainersuche, Schiedsrichteraffäre) und juristische Schritte gegen Satire[5]
  • 2006: Hartmut Mehdorn, der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, für Anzeigenentzug der Deutschen Bahn AG nach kritischer Berichterstattung, ferner restriktives Erteilen von Drehgenehmigungen, Verweigerung von Stellungnahmen bei heiklen Themen, und (später aufgegebene) Blockade einer Ausstellung über die historische Rolle der Bahn bei der Deportation jüdischer Kinder nach Auschwitz[6]
  • 2007: Wladimir Putin, der damalige Präsident Russlands für die anhaltende Behinderung der freien Presse in Russland[7]
  • 2008: Internationales Olympisches Komitee, das „seit vielen Jahren Korruption und Interessenkonflikte bei der Vergabe der Spiele“ dulde und mit seiner „Informationspolitik das Gegenteil von fair play“ betreibe[8]
  • 2009: Bundesverband deutscher Banken, da dieser „in der Banken- und Finanzkrise nicht auf Seiten von Transparenz und Aufklärung“ sei. Weiterhin heißt es „Sie [der Bankenverband und seine Mitglieder] weigern sich, ihre Fehler einzugestehen, Versäumnisse zu erklären und Verantwortung zu übernehmen.“[9][10]
    Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Manfred Weber nahm den Preis persönlich entgegen. Er räumte ein, es gebe „viele Fälle, in denen Banken unglücklich, unzureichend oder gar nicht kommuniziert“ hätten, wies aber den pauschalen Vorwurf an die Banken als falsch zurück, sie hätten Aufklärung verhindert und Informationen zurückgehalten.[11]
  • 2010: Römisch-katholische Kirche, die „den Anspruch der Öffentlichkeit auf vollständige Informationen“ nicht respektiere und „damit eigenen Wertepostulaten nach Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit“ widerspreche. „Die katholische Kirche habe nur selten Bereitschaft zur Aufklärung gezeigt und stattdessen recherchierende Journalisten behindert.“[12][13]
    Der Sprecher der Bischofskonferenz Matthias Kopp nahm den Preis stellvertretend entgegen und gab zu, dass es in der kirchlichen Kommunikationsarbeit Verbesserungsbedarf gebe. Er resümierte „Ja, wir haben als katholische Kirche die größte Krise seit 1945. Ja, wir haben uns zu lange vor die Täter gestellt und nicht auf die Opfer geschaut. Ja, wir haben Kommunikationsfehler gemacht.“[14]
  • 2011: die Energiekonzerne RWE, EnBW, Vattenfall und E.ON. Die Unternehmen hätten bezüglich der Atompolitik „beschönigt, beeinflusst und verheimlicht“ sowie „exzessiven Lobbyismus“ betrieben.[15] Guido Knott (E.ON) wies Vorwürfe der Jury in einer Gegenrede zurück. Die Vergabe sei nicht journalistisch, sondern rein politisch motiviert gewesen und der Verein habe insoweit alle seine Vergabekriterien über Bord geworfen.[16]
  • 2012: Der Weltfußballverband FIFA, der Versuche von Journalisten abblocke, „über Korruption und Ungereimtheiten bei der Postenvergabe zu recherchieren“, und sich gegen die Offenlegung von Gerichtsbeschlüssen wehre.[17][18]
    Die Laudatio hielt der Sportmanager und frühere FIFA-Mitarbeiter Roland Rino Büchel, der für die Schweizerische Volkspartei (SVP) Mitglied des Schweizer Nationalrates ist. Das System von Löhnen, Aufwandsentschädigungen und Boni bei der FIFA sei „völlig intransparent“, doch kritische Medienanfragen zu dem Thema seien nicht beantwortet worden, sagte Büchel. Der Europarat sei Ende April in 124 Punkten zu einem „vernichtenden Urteil“ über die Fußballweltorganisation gekommen und habe daran erinnert, dass Autonomie für die Interessen des Sports da sei, „nicht für die Interessen von skrupellosen Individuen“.[19] Der Auftritt Büchels bei der Preisverleihung stieß auf Kritik, weil er in der Vergangenheit Wahlkampagnen mit ausländerfeindlichen Motiven geführt hatte.[20]
  • 2013: Hans-Peter Friedrich wurde 2013 zum Preisträger erkoren, weil das Bundesinnenministerium eine restriktive Einstellung dem Auskunftsanspruch von Journalisten gegenüber einnehme und das Informationsfreiheitsgesetz nicht anwenden wolle. Des Weiteren hatte Friedrich versucht, die Veröffentlichung der Zielvereinbarungen für die deutschen Olympiateilnehmer 2012 zu verhindern.[21]
  • 2014: Der ADAC erhielt den Preis für das Verhalten nach den Enthüllungen über Manipulationen beim Autopreis Gelber Engel und den Umgang mit kritischen Medienanfragen.[22][23]
  • 2015: Heckler & Koch erhielt den Preis, nachdem im Rahmen der G36-Affäre Vertreter des Unternehmens beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) vorstellig wurden, um ihn zur Unterbindung kritischer Berichterstattung zu bewegen. Der Rüstungsbauer lehnte die Einladung zu einer Gegenrede ab.
  • 2016: Facebook für den intransparenten Umgang mit (der Löschung von) Hass-Kommentaren.[24]
  • 2017: Drei Verlage der Regenbogenpresse: die Funke Mediengruppe (für die Magazine Die Aktuelle, Das Goldene Blatt, Frau aktuell), die Hubert Burda Media Holding (für die Freizeit Revue) und die Bauer Media Group (für Das Neue Blatt, Freizeitwoche, Neue Post, das neue), auch stellvertretend für die übrigen Verlage der Branche. Sie „untergraben […] das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Medien: Mit irreführenden Schlagzeilen, falschen oder erfundenen Texten, fehlender Nachfrage bei den Betroffenen, Manipulationen von Fotos und nicht selten der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Die Bereitschaft zur freiwilligen Korrektur von falscher Berichterstattung fehlt häufig.“[25]
  • 2018: „Stellvertretend für alle Lokalpolitiker, die unliebsame Berichterstattung als Majestätsbeleidigung missverstehen und jeglichen Respekt vor der Arbeit der Journalisten vermissen lassen“ für den dem schwäbisch/baden-württembergischen Burladingen vorstehenden amtierenden Bürgermeister Harry Ebert: Nach eigener Aussage zu wenig beeindruckt, teilte er mit, dass er aufgrund vorgesehenen Rasenmähens den Preis nicht selbst in Hamburg entgegennehmen könne und wolle und verglich sich dabei mit dem amtierenden Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin, der 2007 den Preis ebenfalls nicht persönlich entgegengenommen hatte.[26][27]
  • 2019: Bayerische Staatsregierung: „Die Staatsregierung, getragen von einer Koalition aus CSU und Freien Wählern, blockiert weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert.“[28]
  • 2021: Die Hohenzollern für den „Umgang von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Journalisten und Wissenschaftlern“.[29]
  • 2022: Tesla, Inc. für „intransparentes Verhalten gegenüber Medien und Öffentlichkeit“. Tesla behindere die Berichterstattung durch eine selektive Auswahl von Berichterstattern und das Nichtbeantworten von Presseanfragen.[30]
  • 2023: Holger Friedrich für seinen „erschreckenden und zerstörerischen Umgang mit dem journalistischen Informantenschutz“ gegenüber Julian Reichelt[31]
  • 2024: Volker Wissing und sein Bundesverkehrsministerium „für seinen problematischen Umgang mit Recherchen des Handelsblatt-Reporters Daniel Delhaes zu Interessenkonflikten in seinem Ministerium“.[32]
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Einzelnachweise

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  1. Foto in: Kritikpreis des „Netzwerk Recherche“. „Verschlossene Auster“ geht an die Katholische Kirche. (Memento vom 12. Juli 2010 im Internet Archive) vom 10. Juli 2010; abgerufen am 11. Juli 2010
  2. „Verschlossene Auster“ 2002 für Bundesinnenminister Otto Schily. netzwerk recherche e.V., 2002, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  3. Verschlossene Auster 2003 für den Info-Blocker Aldi. netzwerk recherche e.V., 25. Mai 2003, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  4. Verschlossene Auster 2004 für den Info-Blocker HypoVereinsbank. netzwerk recherche e.V., 5. Juni 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  5. Verschlossene Auster 2005 für den Info-Blocker Gerhard Mayer-Vorfelder. netzwerk recherche e.V., 4. Juni 2005, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  6. Verschlossene Auster 2006 für Bahnchef Mehdorn. netzwerk recherche e.V., 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  7. Verschlossene Auster 2007 für Wladimir Putin. Russischer Präsident erhält Kritik-Preis des Netzwerk Recherche. netzwerk recherche e.V., 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  8. Verschlossene Auster an das Internationale Olympische Komitee (IOC). netzwerk recherche e.V., 14. Juni 2008, abgerufen am 28. November 2015.
  9. Verschlossene Auster 2009 an den Bundesverband deutscher Banken. Negativ-Preis geht an den Bundesverband deutscher Banken (BdB) – stellvertretend für seine 220 Mitglieder. netzwerk recherche e.V., 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  10. Simone Schellhammer: Zwischen Morgen und Grauen. Journalisten beschäftigen sich auf dem Jahreskongress von „Netzwerk Recherche“ mit der Medienkrise. DER TAGESSPIEGEL, 8. Juni 2009, abgerufen am 13. Oktober 2012.
  11. Wenn private Banken „tricksen, tarnen und täuschen“. (Memento vom 10. Juni 2009 im Internet Archive) Tagesschau, 6. Juni 2009
  12. „Verschlossene Auster“ geht an die Katholische Kirche. Bischofskonferenz nimmt die Auszeichnung für die Informationsblockaden der Kirche entgegen. netzwerk recherche e.V., 10. Juli 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. September 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  13. Kritikpreis des „Netzwerk Recherche“. „Verschlossene Auster“ geht an die Katholische Kirche. (Memento vom 12. Juli 2010 im Internet Archive) 10. Juli 2010
  14. Kritikpreis für katholische Kirche. "Verschlossene Auster" verliehen. n-tv, 10. Juli 2010, abgerufen am 13. Oktober 2012.
  15. „Verschlossene Auster“ geht an RWE, EnBW, Vattenfall und EON. Die vier großen Atomkonzerne nehmen den Preis als "Informationsblockierer des Jahres" entgegen. netzwerk recherche e.V., 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.netzwerkrecherche.de
  16. Gegenrede von Dr. Guido Knott, EON. netzwerk recherche e.V., 2. Juli 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.netzwerkrecherche.de
  17. Verschlossene Auster 2012 geht an die FIFA. netzwerk recherche e.V., 1. Juni 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. September 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.
  18. "Verschlossene Auster" für die FIFA. NDR.de, 1. Juni 2012, abgerufen am 13. Oktober 2012.
  19. FIFA erhält Negativpreis Verschlossene Auster (Memento vom 27. Mai 2015 im Internet Archive) In: epd von 2012
  20. Patrick Gensing: Verschlossene Auster: SVP-Nationalrat hält Laudatio. publikative.org, 3. Juni 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Oktober 2012; abgerufen am 13. Oktober 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.publikative.org
  21. Verschlossene Auster 2013 für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Memento des Originals vom 18. Juni 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.netzwerkrecherche.de
  22. spiegelonline
  23. Hamburger Abendblatt: Reporter rügen ADAC als „Informationsblockierer des Jahres“
  24. Negativpreis "Verschlossene Auster" an Facebook. In: orf.at. 9. Juli 2016, abgerufen am 15. März 2024.
  25. Verschlossene Auster 2017 für die Regenbogenpresse. netzwerkrecherche.org, 20. Juni 2017
  26. Stuttgarter Nachrichten, Stuttgart, Germany: „Verschlossene Auster“ geht nach Burladingen: Bürgermeister Ebert erhält Negativ-Preis der Journalisten. In: stuttgarter-nachrichten.de. (stuttgarter-nachrichten.de [abgerufen am 30. Juni 2018]).
  27. Badische Zeitung: Bürgermeister Ebert erhält Negativ-Journalistenpreis - Baden-Württemberg - Badische Zeitung. (badische-zeitung.de [abgerufen am 30. Juni 2018]).
  28. Negativpreis von Journalisten. „Verschlossene Auster“ geht nach Bayern. tagesschau.de, 15. Juni 2019
  29. netzwerk recherche: Verschlossene Auster 2021 für die Hohenzollern. 2. Oktober 2021, abgerufen am 3. Oktober 2021 (deutsch).
  30. Verschlossene Auster 2022 für Tesla. netzwerkrecherche.org, 1. Oktober 2022
  31. Verschlossene Auster 2023 für den Verleger Holger Friedrich. Netzwerk Recherche, abgerufen am 12. November 2023.
  32. Netzwerk Recherche: Verschlossene Auster 2024 an Volker Wissing und das Bundesverkehrsministerium. 20. Juli 2024, abgerufen am 20. Juli 2024 (deutsch).