Wilhelm Paulsen
Wilhelm Paulsen (* 27. September 1875 in Norderbrarup; † 27. März 1943 in Berlin) war ein deutscher Pädagoge. Er zählte zur Spitze der Reformpädagogik in der Weimarer Republik.
Leben
BearbeitenPaulsen wirkte als Reformpädagoge und war Mitglied im 1919 neu gegründeten Bund Entschiedener Schulreformer. Er gilt besonders in seiner Zeit als Berliner Oberstadtschulrat ab 1921 als Entwickler der „Lebensgemeinschaftsschulen“. An diesen Schulen sollte durch den Wegfall von strengen Lehrplänen und dem Gegensatz zwischen wissendem Lehrenden und unwissenden Schüler/-innen ein Lernklima geschaffen werden, welches die Vermittlung von aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen und diesen angepassten Lerninhalten „vom Kinde aus“ ermöglichte. Am 7. April 1920 wurde er der erste Schulleiter der in eine Versuchsschule umgewandelten Mädchenschule Tieloh-Süd. Zugleich war er Schriftleiter und Redakteur der Hamburger Lehrerzeitung Pädagogische Reform. Nach nur zehn Monaten als Leiter dieser Schule verließ er Hamburg und war ab 1921 Oberstadtschulrat in Berlin. In dieser Funktion entwickelte er schul- und bildungspolitische Entwürfe, die „auf eine radikale innere und äußere Reform des Berliner Schulwesens hinaus[liefen] (die nicht zuletzt auch das Ende der höheren Schule als einer Domäne des Bürgertums bedeutete)“. Neue Schule in diesem Kontext meinte „nicht mehr nur den Gegensatz zur sogenannten ‚alten Schule‘, wie ihn Vertreter der verschiedenen reformpädagogischen Strömungen längst entwickelt hatten; für Paulsen und Karsen war sie immer zugleich Ausdruck der werdenden, das heißt im Wandel zum Sozialismus begriffenen Gesellschaft“.[1] Für Fritz Karsen bildeten diese Vorstellungen die Grundlage für seine 1921 begonnene Arbeit am Kaiser-Friedrich-Realgymnasium in Berlin-Neukölln, aus dem später die Karl-Marx-Schule hervorging. Auch die Entstehung der 1922 gegründeten Schulfarm Insel Scharfenberg, von Wilhelm Blume initiiert und geleitet, ist ohne die deutliche Unterstützung und Einflussnahme Wilhelm Paulsens nicht denkbar.
1924 musste Paulsen aus politischen Gründen zurücktreten. 1929 erhielt er einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Braunschweig, der mit dem Sonderauftrag verbunden war, einen Entwurf für den Ausbau des braunschweigischen Landesschulwesens auszuarbeiten. Paulsen publizierte die theoretische Begründung seines Reformplans, doch verhinderte der frühe politische Einfluss der Nationalsozialisten in Braunschweig eine praktische Durchführung dieser Pläne.
Werke
Bearbeiten- Ausführliche Bibliographie in: Dietmar Haubfleisch: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 40), Frankfurt [u. a.] 2001. ISBN 3-631-34724-3 Inhaltsverzeichnis und Vorwort des Herausgebers der Reihe "Studien zur Bildungsreform"
Monographien
Bearbeiten- Die Überwindung der Schule. Begründung und Darstellung der Gemeinschaftsschule, Leipzig 1926; Auszug in franz. Übers. wieder in: Paulsen, Wilhelm: L’Ecole Solidariste. Traduction et Préface de Adolphe Ferrière, Bruxelles 1931, S. 25–34. (Digitalisat der UB Paderborn)
- Das neue Schul- und Bildungsprogramm. Grundsätze und Richtlinien für den Ausbau des Schulwesens. Osterwieck 1930. (Digitalisat der UB Paderborn)
- Der Neuaufbau unseres Schulwesens. Im Auftrag des Geschäftsführenden Ausschusses des Preußischen Lehrervereins, Osterwieck 1931. (Digitalisat der UB Paderborn)
- Lösung der heutigen Bildungskrise. Stimmen aus der Öffentlichkeit, Aufbaupläne in Berlin, Berlin [u. a.] 1933. (Digitalisat der UB Paderborn (2. Aufl.))
Aufsätze
Bearbeiten- Leitsätze zum inneren und äußeren Aufbau unseres Schulwesens, in: Pädagogische Reform, Jg. 44 (1920), Nr. 50 (vom 15.12.), S. 335f.; um das Vorwort gekürzt wieder in: Deutsches Philologen-Blatt, Jg. 29 (1921), [Nr. 11 vom 23.03.], S. 136f.; wieder in: Der Elternbeirat. Halbmonatsschrift für Eltern, Lehrer und Behörden, Jg. 2 (1921), S. 311–314; wieder in: Engel, Ernst: Die Gemeinschaftsschulen (Hamburg und Berlin). Ein Bild aus der Gegenwartspädagogik (=Versuchsschulen und Schulversuche, 1), Prag [u. a.] 1922, S. 32–34; wieder in: Foertsch, Karl: Der Kampf um Paulsen. Eine kritische Beleuchtung der neuen Schule, Berlin 1922, S. 24–26; ebenso in: Karsen, Fritz: Die Entstehung der Berliner Gemeinschaftsschulen, in: Die neuen Schulen in Deutschland, hrsg. von Fritz Karsen. Mit einem Vorwort von Wilhelm Paulsen, Langensalza 1924, S. 160–181, hier S. 162–164; ebenso wieder in: Ferrière, Adolphe: Schule der Selbstbetätigung oder Tatschule. Dt. Übers. nach der 3. veränd. Aufl. (=Pädagogik des Auslands, 1), Weimar 1928, S. 274–276.
- Schulengemeinschaft, in: Pädagogische Reform, Jg. 44 (1920), Nr. 52 (vom 29.12.), S. 358; wieder in: Foertsch, Karl: Der Kampf um Paulsen. Eine kritische Beleuchtung der neuen Schule, Berlin 1922, S. 26f.
- Versuch einer natürlichen Schulordnung in der Großstadt auf neupädagogischer Grundlage. Zugleich ein Beitrag für den natürlichen Aufbau der Einheitsschule, in: Pädagogische Reform, Jg. 44 (1920), Nr. 9 (vom 03.03.), S. 71–73.
- Lehrern, Eltern, Schülern und Freunden unserer Schulen. Ein Aufruf zur Mitarbeit und zur Verständigung, in: Deutsches Philologen-Blatt, Jg. 29 (1921), [Nr. 11 vom 23. März 1921], S. 135f.; u. a. auch in: Der Elternbeirat. Halbmonatsschrift für Eltern, Lehrer und Behörden, Jg. 2 (1921), S. 309–311; u. a. auch in: Engel, Ernst: Die Gemeinschaftsschulen (Hamburg und Berlin). Ein Bild aus der Gegenwartspädagogik (=Versuchsschulen und Schulversuche, 1), Prag [u. a.] 1922, S. 31f.; u. a. auch in: Foertsch, Karl: Der Kampf um Paulsen. Eine kritische Beleuchtung der neuen Schule, Berlin 1922, S. 23f.; u. a. auch in: Ferrière, Adolphe: Schule der Selbstbetätigung oder Tatschule. Dt. Übers. nach der 3. veränd. Aufl. (=Pädagogik des Auslands, 1), Weimar 1928, S. 272–274.
- Gemeinschaftsschule (Aus der Rede des Berliner Oberstadtschulrats in der Stadtverordnetenversammlung am 14. April 1921), in: Sozialistischer Erzieher. Wochenschrift der Freien Lehrergewerkschaft Deutschlands, der sozialistisch-proletarischen Internationale und für sozialistische Elternbeiräte, Jg. 2 (1921), [Nr. 21 (vom 25.05.) und Nr. 22 (vom 01.06.)], S. 313–315 und 328–330; u.d.T. 'Rede des Oberstadtschulrats Wilhelm Paulsen in der Berliner Stadtverordnetenversammlung am 14. April 1921' wieder in: Der Elternbeirat. Halbmonatsschrift für Eltern, Lehrer und Behörden, Jg. 2 (1921), S. 314–320; in franz. Übers. wieder in: Paulsen, Wilhelm: L’Ecole Solidariste. Traduction et Préface de Adolphe Ferrière, Bruxelles 1931, S. 14–23.
- Grundpläne und Grundsätze einer natürlichen Schulordnung [Plan Paulsens, 1922 dem preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Diskussionsvorlage für anstehende Beratungen um ein Reichs-Schulgesetz vorgelegt]; abgedr. u.d.T. 'Natürliche Schulordnung. Ein Entwurf' zuerst in: Vossische Zeitung vom 23. Januar 1922, Abendausg., Beilage; wieder in: Der Elternbeirat. Halbmonatsschrift für Eltern, Lehrer und Behörden, Jg. 3 (1922), S. 62–64; wieder in: Das Werdende Zeitalter, Jg. 1 (1922), S. 24–26; u.d.T. 'Grundpläne und Grundsätze einer natürlichen Schulordnung. Schulen wahrhafter Volksgemeinschaft' wieder in: Engel, Ernst: Die Gemeinschaftsschulen (Hamburg und Berlin). Ein Bild aus der Gegenwartspädagogik (=Versuchsschulen und Schulversuche, 1), Prag [u. a.] 1922, S. 34f.
- Richtlinien und Grundsätze, nach denen die Versuchsschulen (Lebensgemeinschaftsschulen) einzurichten sind [1923]; abgedr. in: Die neuen Schulen in Deutschland, hrsg. von Fritz Karsen. Mit einem Vorwort von Wilhelm Paulsen, Langensalza 1924, S. 177–179; wieder in: Paulsen, Wilhelm: Die Überwindung der Schule. Begründung und Darstellung der Gemeinschaftsschule, Leipzig 1926, S. 118–122; wieder in: Das Berliner Schulwesen, hrsg. von Jens Nydahl. Bearb. unter Mitwirkung Berliner Schulmänner von Erwin Kalischer, Berlin 1928, S. 53–55; wieder in: Die Deutsche Reformpädagogik, hrsg. von Wilhelm Flitner und Gerhard Kudritzki, Bd. II: Ausbau und Selbstkritik, 2. unveränd. Aufl. Stuttgart 1982, S. 92–94.
- Das neue Schul- und Bildungsprogramm. Grundsätze und Richtlinien für den Ausbau des Schulwesens, Osterwieck 1930; Auszug u.d.T. 'Dringliche Gegenwartsreform' wieder in: Der Volkslehrer, Jg. 12 (1930) [Nr. 6 (vom 16.03.)], S. 69.
Literatur
Bearbeiten- Dietmar Haubfleisch: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 40), Frankfurt [u. a.] 2001. ISBN 3-631-34724-3 Inhaltsverzeichnis und Vorwort des Herausgebers der Reihe „Studien zur Bildungsreform“.
- Reiner Lehberger: Wilhelm Paulsen: Von der 'Pädagogischen Reform' zur 'Überwindung der Schule' . In: Reformpädagogik und Gesellschaftskritik – was bleibt vom (Freiheitlichen) Sozialismus?. Hrsg. von Heinz Schernikau. (=Dokumentation Erziehungswissenschaft. Schriften aus dem FB 06 der Universität Hamburg, Heft 5). Hamburg 1993, S. 207–230.
- Reiner Lehberger: Wilhelm Paulsen. In: Hamburgische Biographie. Personenlexikon. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Bd. 1. Hamburg 2001, S. 231f.
- Wilhelm Paulsen. In: Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1922 – 1945. Berlin 2006, ISBN 978-3-00-018931-9, S. 305f.
- Gerd Radde: Fritz Karsen: ein Berliner Schulreformer der Weimarer Zeit. Berlin 1973. Erweiterte Neuausgabe. Mit einem Bericht über den Vater von Sonja Petra Karsen (= Studien zur Bildungsreform, 37). Frankfurt a. M. [u. a.] 1999, ISBN 3-631-34896-7.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gerd Radde: Fritz Karsen: ein Berliner Schulreformer der Weimarer Zeit, S. 50–51
Personendaten | |
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NAME | Paulsen, Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Pädagoge |
GEBURTSDATUM | 27. September 1875 |
GEBURTSORT | Norderbrarup, Provinz Schleswig-Holstein, Königreich Preußen, Deutsches Kaiserreich |
STERBEDATUM | 27. März 1943 |
STERBEORT | Berlin, Preußen, Deutsches Reich |