Wilhelm von Kardorff
Wilhelm Carl Friedrich August Hellmuth Ludwig von Kardorff (* 8. Januar 1828 in Neustrelitz; † 21. Juli 1907 auf Gut Nieder-Wabnitz, Landkreis Oels, Niederschlesien) war ein deutscher Politiker und Unternehmer in Preußen.
Leben
BearbeitenWilhelm von Kardorff stammte aus dem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht von Kardorff. Seine Eltern waren der in dänischen Diensten stehende Kammerjunker und Amtmann Wilhelm von Kardorff (1792–1827), der allerdings kurz vor Wilhelms Geburt verstarb, und dessen Ehefrau Mathilde, geborene von Dalwigk (1803–1883). Nach dem Jurastudium von 1846 bis 1849 in Berlin, Halle (Saale) und Heidelberg wurde er 1851 als Referendar in den preußischen Staatsdienst übernommen, nahm aber als Regierungsassessor in Stralsund bereits 1855 seinen Abschied, kaufte und bewirtschaftete als Rittergutsbesitzer Gut Wabnitz (heute Wabienice, Polen) im Kreis Oels in Schlesien. Dort übernahm er von 1884 bis 1895 das Amt des königlich preußischen Landrats.
1866 wurde Kardorff in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er bis 1876 und von 1888 bis 1907 angehörte.[1] Als konservativer Anhänger von Bismarcks Politik gehörte er zu den Mitbegründern der Freikonservativen Partei. Ab 1867 war er Mitglied der freikonservativen Fraktion im Reichstag (Norddeutscher Bund), dann im Reichstag (Deutsches Kaiserreich).[2] Auf der Reichsebene nannte sich diese Partei Deutsche Reichspartei.[3] Kardorff pflegte enge Beziehungen zu Gerson Bleichröder und war während der Gründerzeit Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Königs- und Laurahütte AG und Verwaltungsratsmitglied weiterer Unternehmen.
Nach der schweren Wirtschaftskrise ab 1873 (Gründerkrach) wurde er zu einem der Wortführer, die eine Aufgabe des freihändlerischen Kurses forderten. Seine Argumente schrieb und publizierte er 1875 in einer Broschüre mit dem Titel Gegen den Strom. 1876 gründete er den Centralverband deutscher Industrieller, einen der einflussreichsten Unternehmerverbände dieser Zeit. Auch der Verband setzte sich für die Einführung von Schutzzöllen ein.
Im Kartellreichstag von 1887 gehörte er, dank der engen Zusammenarbeit mit Bismarck, faktisch zur Führung des parlamentarischen Regierungsblocks. Nach der Absetzung Bismarcks entzog er dessen Nachfolger Leo von Caprivi die Unterstützung. Zu einer Zusammenarbeit mit der Regierung kam es erst wieder unter dem Reichskanzler Bernhard von Bülow. Das Zustandekommen des Zolltarifes vom Dezember 1902 – es wurde eine weitere Erhöhung der Schutzzölle beschlossen – ging im Wesentlichen auf seine Initiative zurück.
Kardorff heiratete am 16. Juli 1856 auf Gut Möllenbeck Sophie von Borck (* 11. November 1836 auf Gut Möllenbeck; † 21. Mai 1914 in Oels), die Tochter des großherzoglich mecklenburg-strelitzschen Kammerherrn Karl August von Borck, Gutsherr auf Möllenbeck und Klosterhauptmann von Malchow, und der Karoline von Behr-Negendanck (Haus Torgelow). Sohn Siegfried (1873–1945) wurde ebenfalls Landrat und später Vizepräsident des deutschen Reichstags, Sohn Konrad (1877–1945) wurde Maler und Professor der Künste, Enkel Jürgen (1918–1943) fiel als Oberleutnant einer Aufklärungsabteilung bei Slawjansk in der Ostukraine.[4]
Wilhelm von Kardorff war Ehrenritter des Johanniterordens und Mitglied des Corps Saxo-Borussia Heidelberg (1847) und des Corps Marchia Halle (1848).[5]
Siehe auch
Bearbeiten- Kardorff (Adelsgeschlecht)
- Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Reichstags des Norddeutschen Bundes
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (1. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (2. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (3. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (4. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (5. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (6. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (7. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (8. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (9. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (10. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (11. Wahlperiode)
Literatur
Bearbeiten- Heinrich von Poschinger: Aus den Denkwürdigkeiten Wilhelm von Kardorffs. In: Richard Fleischer (Hrsg.): Deutsche Revue. Eine Monatsschrift. Ausgabe Mai 1908, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Leipzig 1908, S. 152–160, Digitalisat.
- Hermann Diez: Kardorff, Wilhelm von. In: Anton Bettelheim (Hrsg.): Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog. 12. Band, Georg Reimer, Berlin 1909, S. 203–206. Digitalisat.
- Friedrich Thimme: Wilhelm von Kardorff. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. 1, 1922, S. 308 ff. Digitalisat
- Siegfried von Kardorff: Wilhelm von Kardorff – ein nationaler Parlamentarier im Zeitalter Bismarcks u. Wilhelms II. Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1936.
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1941, A (Uradel), Jg. 40. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft, Justus Perthes, Gotha 1940, S. 211.
- Günter Richter: Kardorff, Wilhelm von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 150 f. (Digitalisat).
- Walter von Hueck, Friedrich Wilhelm Euler: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser A (Uradel), Band XX, Band 93 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 1988, S. 103. ISSN 0435-2408
Weblinks
Bearbeiten- Wilhelm von Kardorff
- Literatur über Wilhelm von Kardorff in der Landesbibliographie MV
- Eintrag von Wilhelm von Kardorff in Meyers Konversationslexikon
- Wilhelm von Kardorff in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Biografie von Wilhelm von Kardorff. In: Heinrich Best: Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867/71 bis 1918 (Biorab – Kaiserreich)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Bernhard Mann (Bearb.) unter Mitarbeit von Martin Doerry, Cornelia Rauh, Thomas Kühne: Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus 1867–1918 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 3). Droste, Düsseldorf 1988, ISBN 3-7700-5146-7, S. 207; zu den Wahlergebnissen siehe Thomas Kühne: Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 6). Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5182-3, S. 314–318.
- ↑ Bernd Haunfelder, Klaus Erich Pollmann: Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867–1870. Historische Photographien und biographisches Handbuch (= Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 2). Droste, Düsseldorf 1989, ISBN 3-7700-5151-3, Foto S. 190, Kurzbiographie S. 424.
- ↑ Fritz Specht, Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904, S. 66–67.
- ↑ Ursula von Kardorff: Berliner Aufzeichnungen 1942 bis 1945. Unter Verwendung der Original-Tagebücher neu herausgegeben und kommentiert von Peter Hartl. München: C. H. Beck 1992, S. 67
- ↑ Kösener Korpslisten 1910, Hrsg. Karl Rügemer, Verlag der Academischen Monatshefte, Druckanstalt und Verlag Carl Gerber GmbH München, Starnberg 1910, 99/178, 120/343.
Personendaten | |
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NAME | Kardorff, Wilhelm von |
ALTERNATIVNAMEN | Kardorff, Wilhelm Carl Friedrich August Hellmuth Ludwig von (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | preußisch-deutscher Politiker, MdR |
GEBURTSDATUM | 8. Januar 1828 |
GEBURTSORT | Neustrelitz |
STERBEDATUM | 21. Juli 1907 |
STERBEORT | Nieder-Wabnitz, Schlesien |