Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde

preußische Behörde (1902–1945)

Die Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde wurde am 1. April 1902 in Berlin gegründet und vereinte erstmals Fachwissenschaftler der Gebiete Wasserwirtschaft, Meteorologie und Geologie zur umfassenden Bearbeitung gewässerkundlicher Fragen.

Als in den 1880er Jahren die norddeutschen Ströme von verheerenden Hochwassern heimgesucht wurden, sah sich die Preußische Staatsregierung veranlasst, eingehende Untersuchungen über den Charakter der Gewässer einzuleiten, die in der Folge zur Herausgabe der umfangreichen Monografien der norddeutschen Ströme führten (vgl. Strombauverwaltung). Dies führte zu einer vertieften Kenntnis der gewässerkundlichen Zusammenhänge und ihrer großen praktischen Bedeutung für die gesamte Wasserwirtschaft, so dass der 1892 gegründete preußische Wasser-Ausschuss nach zehn Jahren Bestehens zu einer Landesanstalt umgebildet und ausgebaut wurde.

Der Arbeitsbereich der Preußischen Landesanstalt für Gewässerkunde umfasste außer dem preußischen Staatsgebiet auf Grund entsprechender Vereinbarungen auch die übrigen norddeutschen Länder und zunächst auch Sachsen und die thüringischen Staaten, bis Sachsen im Jahr 1912 und Thüringen 1922 ihre eigene gewässerkundliche Anstalt erhielten.

"Geschäftsanweisung für die preußische Landesanstalt für Gewässerkunde.
(Eingerichtet zufolge Allerhöchster Ordre vom 14. April 1902.)
§ 1.
Die Landesanstalt für Gewässerkunde hat folgende Aufgaben:
I. Sammlung, einheitliche Bearbeitung und Ergänzung der Beobachtungen über den Abflußvorgang bei schiffbaren und nichtschiffbaren Gewässern, sowie Ermittlung der dafür maßgebenden Verhältnisse.
II. Verwerthung dieser Untersuchungsergebnisse durch Veröffentlichung und erforderlichenfalls durch Mitwirkung bei der Lösung wasserwirthschaftlicher Fragen aller Art.
§ 2. Sammlung und Bearbeitung der Beobachtungen und Ermittlungen über den Abflußvorgang.
A) Hierbei kommen zunächst in Betracht die Beobachtungen der Wasserstände an den Pegeln der preußischen Wasser- und Meliorations-Bauverwaltung, sowie die von den Beamten dieser Verwaltungen ausgeführten Wassermengenmessungen und die sonstigen, für den Abflufsvorgang wichtigen Aufnahmen. Dieselben sind zu ergänzen durch Sammlung zuverlässiger Beobachtungen und Ermittlungen gleicher Art, die von anderer Seite und an den außerhalb Preußens gelegenen Strecken der in Betracht kommenden Gewässer bewirkt werden, ferner in besonderen Fällen durch eigene Messungen und Aufnahmen.
B) In ähnlicher Weise sind die meteorologischen Beobachtungen des In- und Auslandes, soweit sie für den Abflußvorgang jener Gewässer von Wichtigkeit erscheinen, zu sammeln und für die Zwecke der Gewässerkunde zu bearbeiten. Um richtige Anschauungen über den Zusammenhang von Niederschlag, Abluß und Verdunstung zu gewinnen, werden ergänzende Beobachtungen verschiedener Art erforderlich sein, besonders über die Temperatur des Wassers und Bodens, die Verdunstungsverhältnisse, die Einwirkung der Pflanzendecke usw. Besonders eingehend sind die Darstellungen der Hochfluthen und Eisgänge zu behandeln.
C) Als weitere Aufgaben kommen in Betracht die Ermittlungen über die Versickerung des Wassers, die Grundwasserbewegung und die Quellenbildung unter Verwerthung der Ergebnisse der bezüglichen Ermittlungen der geologischen Landesaufnahme.
Namentlich sind als verwandte Fragen zu bezeichnen diejenigen über die Einwirkung der Oberflächengestaltung, über die Durchlässigkeit der Bodenarten, über ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Angriffe des Wassers, über die Entstehung und Bewegung der Geschiebe, über die Art und Menge der Geschiebe und Sinkstoffe in den Gewässern usw.
§ 3. Verwerthung der Untersuchungsergebnisse.
Die kritisch bearbeiteten Ergebnisse der bei I A bis C bezeichneten Untersuchungen sollen in alljährlich erscheinenden Jahrbüchern veröffentlicht werden. Diese Jahrbücher werden außer den in Tabellen und bildlichen Darstellungen mitgetheilten regelmäßigen Beobachtungsergebnissen zusammenfassende Abhandlungen aus dem Bereiche der Gewässerkunde enthalten. Da die Abhandlungen sich auf alle Fragen erstrecken, die in den hydrographisch-wasserwirthschaftlichen Darstellungen der preußischen Ströme berührt worden sind, so bilden sie eine stetige Ergänzung dieser Werke. Im Zusammenhange mit ihnen sollen demnach die Jahrbücher als zuverlässige, von jedem Sachverständigen benutzbare Quelle für die Bearbeitung wasserwirthschaftlicher Aufgaben aller Art dienen.
§ 4. Begutachtung wasserbautechnischer Fragen.
Aufträge zur Erstattung von Gutachten werden von den Ministern der öffentlichen Arbeiten und für Landwirtschaft, Domänen und Forsten gemeinsam ertheilt.
§ 5. Verkehr mit Behörden und wissenschaftlichen Anstalten.
Der geschäftliche Verkehr mit den Behörden der Wasserbauverwaltung erfolgt durch den Minister der öffentlichen Arbeiten, mit den Behörden der Meliorationsbauverwaltung durch den Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, mit anderen preußischen und mit nicht preußischen Behörden durch diese beiden Minister.
Mit verwandten wissenschaftlichen Anstalten des In- und Auslandes, Vereinen und Privaten kann die Landesanstalt zur Förderung ihrer Zwecke, insbesondere auch für einen Austausch der einschlägigen Veröffentlichungen, Zeitschriften und Druckwerke in unmittelbare Verbindung treten.
§ 6. Arbeitspläne und Geschäftsberichte.
Vor dem Beginne eines jeden Arbeitsjahres hat der Vorsteher der Landesanstalt einen Arbeitsplan aufzustellen, der dem Minister der öffentlichen Arbeiten und dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt wird. Diese beiden Minister werden den Arbeitsplan rechtzeitig vor seiner Feststellung den übrigen betheiligten Ressorts zur Kenntniß bringen und deren Wünsche auf Erweiterung nach bestimmten Richtungen hin thunlichst berücksichtigen.
Nach Ablauf eines jeden Arbeitsjahres erstattet der Vorsteher einen Geschäftsbericht über das abgelaufene Jahr an sie beiden genannten Minister, der den übrigen betheiligten Ressorts nebst den Veröffentlichungen der Landesanstalt mitgetheilt wird.
§ 7. Beamte der Landesanstalt.
An der Spitze der Landesanstalt steht als Vorsteher ein vortragender Rath des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten. Die Uebertragung der Leitung an ihn erfolgt gemeinschaftlich durch die Minister der Öffentlichen Arbeiten und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. Ebenso erfolgt die Auswahl und Ueberweisung der sonstigen Beamten und Hülfsarbeiter durch beide Minister gemeinschaftlich. Die Annahme von Hülfskräften im Vertragsverhältnisse bleibt im Rahmen des überwiesenen Fonds dem Vorsteher der Landesanstalt überlassen.
Die Anmeldung der erforderlichen Geldmittel zum Etat wird durch die Minister der öffentlichen Arbeiten und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten gemeinschaftlich bewirkt. Im übrigen bildet die Landesanstalt keine besondere Behörde, sondern ist dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten eingefügt.
Berlin, den 2. Mai 1902.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten
v. Thielen
Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.
Hermes."

Im Jahre 1928 wurde der Landesanstalt das 1891 gegründete Büro für die Hauptnivellements angegliedert und der Name der Anstalt lautete jetzt Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde und Hauptnivellements.

Die Leiter der Anstalt waren:

  • 1902–1917 Wirklicher Geheimer Oberbaurat Dr.-Ing. E. h. Hermann Keller (1851–1924)
  • 1917–1933 Geheimer Baurat Dr.-Ing. E. h. Wilhelm Soldan (1872–1933)
  • 1933–1937 Ministerialrat Burghard Körner
  • 1937–1945 Ministerialrat Professor Artur Wechmann (1882–1969)

Die Landesanstalt war in der Zeit ihres Bestehens vier verschiedenen Ministerien eingegliedert:

  • 1902–1921 dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten
  • 1921–1934 dem Preußischen Landwirtschaftsministerium
  • 1935–1941 dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, später: Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft
  • 1941–1945 dem Generalinspektor für Wasser und Energie.

Der Leiter der Anstalt war gleichzeitig Referent für gewässerkundliche Fragen im Ministerium. Als die Hoheitsrechte der Länder Anfang 1934 auf das Reich übergingen, wurde die Gewässerkunde für ganz Deutschland vereinheitlicht.

Die Landesanstalt gab in der Zeit ihres Bestehens 40 Jahrgänge des Jahrbuchs für Gewässerkunde heraus und erarbeitete eine Vielzahl von grundlegenden Vorschriften, hydrologischen Messgeräten und Messverfahren. Ab dem Jahr 1914 bemühte sie sich auch um die Erforschung des Grundwassers.

Zur Entwicklung der gewässerkundlichen Forschung in Deutschland nach 1945 siehe z. B. Bundesanstalt für Gewässerkunde.

Literatur

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  • Karl Fischer: Die preußische Landesanstalt für Gewässerkunde und ihre bisherigen Veröffentlichungen. In: Naturwissenschaften. 4, 1916, ISSN 0028-1042, H. 20, S. 261–265, H. 23, S. 309–315 und H. 28, S. 397–403.
  • Paul Martell: Die Landesanstalt für Gewässerkunde zu Berlin. In: Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie und Hydrographie. 13, H. 5–6, 1925, ZDB-ID 515646-4, S. 358–365.
  • Gedenkschrift der Bundesanstalt für Gewässerkunde zur 50-jährigen Wiederkehr der Gründung der Preußischen Landesanstalt für Gewässerkunde. Bundesanstalt für Gewässerkunde, Bielefeld 1952 (Besondere Mitteilungen zum Deutschen gewässerkundlichen Jahrbuch 4, ISSN 0342-5436).