Robert Hamerling
Robert Hamerling, getauft als Rupert Johann Hammerling, (* 24. März 1830 in Kirchberg am Walde, Niederösterreich; † 13. Juli 1889 in Stifting bei Graz) war ein österreichischer Dichter und Schriftsteller.
Leben
BearbeitenRobert Hamerling wurde als Sohn eines mittellosen Webers in Kirchberg am Walde geboren. Ab 1840 besuchte er – mit Unterstützung von Gönnern und Förderern – das Gymnasium des Zisterzienserstifts Zwettl und danach das Schottengymnasium in Wien. 1848 schloss er sich der Revolution („Deutschland ist mein Vaterland! Und Öst’rreich? ei, mein Mutterland!“) an und begann sein Studium an der Universität Wien (Studienfächer: Klassische Philologie, Philosophie, Geschichte, Medizin).
1852 war Hamerling als Aushilfslehrer für klassische Sprachen in Wien tätig. Von 1853 bis 1854 unterrichtete er am Akademischen Gymnasium in Graz, von 1855 bis 1866 arbeitete er als Gymnasiallehrer in Triest. Dort verfasste er Theaterkritiken für die Triester Zeitung. Im Herbst 1866 musste er wegen eines chronischen Magenleidens (1889: unheilbarer Magenkrebs)[1] pensioniert werden und lebte fortan in Graz, wo seine fruchtbarste literarische Schaffensphase begann.
Im 60. Lebensjahr verstarb Hamerling am 13. Juli 1889 in seiner (heute noch bestehenden) Villa in Stifting, Kutscherwirtgasse 10 (später: Stiftingtalstraße 44; heute: Billrothgasse 6, Graz-Ries)[2] an Zehrfieber.[3] Er wurde auf dem Friedhof St. Leonhard in Graz beigesetzt.
Bedeutung
BearbeitenHamerling zählte zu seiner Zeit zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren. Zu seinen Hauptwerken zählt das Epos Ahasverus in Rom (verfasst 1865), das ihn einer breiten Leserschaft erst bekannt machte, und Der König von Sion (1869). In mehreren Werken, insbesondere in Homunculus (1888), bediente sich Hamerling deutlicher antisemitischer Stereotype. Dies führte zu seiner Vereinnahmung durch führende Antisemiten seiner Zeit. Später wurde auch seine klischeehafte Darstellung von Frauen kritisiert.[4]
Würdigung
BearbeitenAm ersten Todestag, dem 13. Juli 1890, wurde in der Grazer Innenstadt am Haus, in dem er in der Realschulgasse gewohnt hatte (ab 1899 umbenannt, bis heute: Hamerlinggasse 6), eine Gedenktafel enthüllt. Hans Brandstetter (1854–1925) fertigte dafür in weißem Marmor ein reliefiertes Porträt des Schriftstellers. Es waren unter anderem anwesend: Ferdinand Portugall (1837–1901), Bürgermeister der Stadt Graz, Julius Derschatta von Standhalt (1852–1924), steirischer Abgeordneter zum Reichsrat, Aurelius Polzer (1848–1924), Dichter und Schriftsteller sowie Clothilde Gstirner, die langjährige Lebensgefährtin Hamerlings. Die Festrede hielt der nationale Dichter Franz Goltsch (1865–1921). Die greise Mutter des Verstorbenen beobachtete das Geschehen aus einem Fenster der gegenübergelegenen Ober-Realschule.[5]
In seinem Geburtsort Kirchberg am Walde gab es bis 2006[6] ein Robert-Hamerling-Museum, getragen vom Hamerling-Verein. Der deutschnationale Politiker Georg Ritter von Schönerer (1842–1921) hat sein Geburtshaus 1891 niederreißen und an dessen Stelle das Stiftungshaus errichten lassen. Heute befindet sich im Stiftungshaus ein Museum.
Im Jahr 1890 wurde in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Gemeindebezirk) die Robert-Hamerling-Gasse benannt, 1904 in der Josefstadt (8. Bezirk) der Hamerlingplatz, sowie zu unbekannten Zeitpunkten in Penzing (14. Gemeindebezirk) die Hamerlinggasse und in Simmering (11. Gemeindebezirk) der Hamerlingweg. In Graz ist seit 1889, die den Opernring mit der Hans-Sachs-Gasse[A 2] verbindende Realschulgasse auf Hamerlinggasse umbenannt – Hamerling wohnte hier im Haus Nr. 6. In Linz ist die Hamerlingstraße und damit das anliegende Gymnasium nach ihm benannt; ebenso der Hamerlingweg in der Ortslage Zehlendorf Süd im Ortsteil Zehlendorf des Berliner Stadtbezirks Steglitz-Zehlendorf.
Im Jahr 1980 legte die österreichische Post zum 150. Geburtstag eine Sonderbriefmarke auf.[7]
Die bedeutende lettische Dichterin und Dramatikerin Aspazija (1865–1943) entlehnte 1887 ihren Künstlernamen Hamerlings Roman Aspasia[8], den sie später auch ins Lettische übersetzte (in Fortsetzungen veröffentlicht 1899) und zu einem Drama mit dem Titel Aspazija (Buchausgabe und Uraufführung 1923) verarbeitete.
Ein anthroposophischer Verein in Graz hat Hamerling zum Namenspaten gewählt.[9]
Werke
BearbeitenOriginalausgaben
Bearbeiten- Venus im Exil. Ein Gedicht in fünf Gesängen. Mit lyrischem Anhang. Kober, Leipzig/Prag 1858. Digitalisat der 4. Aufl.
- Sinnen und Minnen. Ein Jugendleben in Liedern. Richter, Hamburg 1859. Digitalisat des Ausg. 1868
- Ein Schwanenlied der Romantik. Mit einem Anhange von Hymnen. Richter, Hamburg 1862. Digitalisat der 4. Aufl. 1873
- Ahasverus in Rom. Eine Dichtung in sechs Gesängen. Richter, Hamburg 1866 (Titel der folgenden Ausgaben: Ahasverus in Rom)
- Der König von Sion. Epische Dichtung in zehn Gesängen. Richter, Hamburg 1869 (Digitalisat)
- Danton und Robespierre. Tragödie in fünf Aufzügen. Richter, Hamburg 1871. Digitalisat der 2. Aufl. 1871
- Teut. Ein Scherzspiel in zwei Akten. Richter, Hamburg 1872. Digitalisat der 2. Aufl. 1872
- Die sieben Todsünden. Ein Gedicht. Richter, Hamburg 1873. Digitalisat der 5. Aufl. 1877
- Aspasia. Ein Künstler- und Liebesroman aus Alt-Hellas. Hesse & Becker, Leipzig 1875. Digitalisat Bd.1, Bd.2, Bd.3
- Lord Lucifer. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Richter, Hamburg 1880. Digitalisat
- Amor und Psyche. Dichtung in sechs Gesängen. Richter, Hamburg 1882. Digitalisat
- Homunculus. Modernes Epos in zehn Gesängen. Richter, Hamburg 1888. Digitalisat
- Stationen meiner Lebenspilgerschaft. Autobiographie. Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft (vormals I. F. Richter-Verlag), Hamburg 1889. Digitalisat der 2. Aufl. 1889
- Lehrjahre der Liebe. Tagebuchblätter und Briefe. Verlagsanstalt, Hamburg 1890 (postum)
- Die Atomistik des Willens. Beiträge zur Kritik der modernen Erkenntniß. Verlagsanstalt, Hamburg 1891 (postum)
- Letzte Grüße aus Stiftinghaus. Lyrischer Nachlaß, hg. v. Oskar Linke. Verlagsanstalt, Hamburg 1894 (postum)
- Ungedruckte Briefe. Vier Theile. Daberkow, Wien 1897–1901 (postum)
Als Übersetzer
Bearbeiten- Giacomo Leopardi: Leopardi’s Gedichte (auch Vorwort), Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig 1865
Als Herausgeber
Bearbeiten- Das Blumenjahr in Bild und Lied. Eine Blütenlese neuerer deutscher Lyrik. Waldmann, Frankfurt an der Oder 1881
Werkausgaben
Bearbeiten- Poetische Werke. 2 Bde. Campagne, Tiel 1876/77
- Hamerlings Werke. Volksausgabe in vier Bänden. Ausgewählt und herausgegeben von Michael Maria Rabenlechner. Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger. Verlagsanstalt, Hamburg 1900
- Hamerlings sämtliche Werke in sechzehn Bänden. Mit einem Lebensbild und Einleitungen herausgegeben von Michael Maria Rabenlechner. Hesse & Becker (Deutsche Klassiker-Bibliothek), Leipzig 1910 (Digitalisate im Internet Archive fortlaufend von https://archive.org/details/3345555_1 bis https://archive.org/details/3345555_16)
Neuere Ausgaben
Bearbeiten- Gedichte. Mit einer biographischen Skizze, hg. v. Heinrich O. Proskauer. Amtshofpresse Manufaktur, Ottersberg 1993, ISBN 3-922704-33-6
- Homunkulus. Epos in 10 Gesängen. Provinz, Weitra 1993, ISBN 3-900878-49-8
- Aspasia. Ein Liebesroman aus Alt-Hellas. Kornmann, Winterbach 1995, ISBN 3-934399-03-7
- Perikles und die Seeschlacht vor Samos. Die schönsten Erzählungen aus dem Roman „Aspasia“. Kornmann, Winterbach 2000, ISBN 3-934399-08-8
Literatur
Bearbeiten- Constantin von Wurzbach: Hamerling, Robert. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 7. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1861, S. 261 f. (Digitalisat).
- Carl von Vincenti: Der Einsiedler vom Stiftingthal. Ein Dichterbild. In: Velhagen & Klasings Neue Monatshefte. Jg. 4 (1889/90), Bd. 2, Heft 12, August 1890, S. 745–752.
- Michael Maria Rabenlechner: Hamerling. Sein Leben und seine Werke. Verlagsanstalt, Hamburg 1896
- Anton Schlossar: Robert Hamerling. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 49, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 736–747.
- Rudolf Steiner: Robert Hamerling. Ein Dichter und ein Denker und ein Mensch. Eine Denkschrift (unvollständige und fehlerhafte Abschrift), Dornach 1914
- Adolf Altmann: Robert Hamerlings Weltanschauung, ein Optimismus. Historisch-kritische, literarisch-philosophische Studie. Mayr, Salzburg 1914
- Fritz Lemmermayer: Erinnerungen an Rudolf Steiner, an Robert Hamerling und an einige Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens der 80er Jahre (darunter auch Franz Brentano, Anton Bruckner, Johann Fercher von Steinwand). Orient-Occident-Verlag, Stuttgart 1929; 2., erw. A. Perseus, Basel 1992
- Robert Hamerling. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 168–170 (Direktlinks auf S. 168, S. 169, S. 170).
- Heinz Rieder: Hamerling, Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 585 f. (Digitalisat).
- Peter Klimm: Zwischen Epigonentum und Realismus. Studien zum Gesamtwerk Robert Hamerlings (= Dissertationen der Universität Wien, Band 115, ISSN 0379-1424). Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs, Wien 1974, DNB 750543701. (Zugleich: Dissertation, Universität Wien, Wien 1972).
- Hans-Heinz Dum: Robert Hamerling 1830–1889. Leben und Werk. Gedenkrede zum 150. Geburtstag des Dichters. Ledermüller, München 1980, ZDB-ID 1164785-1.
- Thomas Kracht: Robert Hamerling, sein Leben – sein Denken zum Geist. Schicksal an der Schwelle. Verlag am Goetheanum, Dornach 1989, ISBN 3-7235-0544-9.
- Ilse Krumpöck: Zündstofflieferant Robert Hamerling. Ein Mythos gerät ins Wanken. Innsalz, Munderfing 2019, ISBN 978-3-903154-88-9
Weblinks
Bearbeiten- Werke von und über Robert Hamerling in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Literatur von und über Robert Hamerling im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Robert Hamerling bei Zeno.org.
- Werke von Robert Hamerling im Projekt Gutenberg-DE
- Robert Hamerling in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Robert Hamerling ( vom 10. Juli 2013 im Webarchiv archive.today) auf Literatur im Kontext, einem mehrsprachigen Projekt der Universität Wien
- Werke von Robert Hamerling bei Open Library
- Hamerling-Handschriften in deutschsprachigen Bibliotheken und Archiven
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Die Gemeinde Kirchberg am Walde (Bezirk Gmünd) grenzt im Osten an den Südwesten des Bezirks Waidhofen an der Thaya
- ↑ Die Hans-Sachs-Gasse endet am Tummelplatz, bis heute Standort des Akademischen Gymnasiums.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Grazer Notizen. Robert Hamerling (…). In: Grazer Volksblatt, Nr. 158/1889 (XXII. Jahrgang), 13. Juli 1889, S. 3 (unpaginiert),Spalte 1. (online bei ANNO).
- ↑ Mirella Kuchling: Literarische Spaziergänge durch Graz. Eine Spurensuche. Steirische Verlags-Gesellschaft, Graz 2004, ISBN 3-85489-101-6, S. 105.
- ↑ Verstorbene in Graz. In: Grazer Volksblatt, Nr. 160/1889 (XIV. Jahrgang), 16. Juli 1889, S. 4 (unpaginiert), Spalte 3. (online bei ANNO).
- ↑ Peter Autengruber: Schriftsteller. In: Peter Autengruber, Oliver Rathkolb, Lisa Rettl, Walter Sauer (Hrsg.): Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. 1. Ergänzungsband. Verein zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte, Wien 2021, S. 41, 44–45 (digital.wienbibliothek.at [PDF; abgerufen am 10. Februar 2024]).
- ↑ Kleine Chronik. Gedenkfeier für Robert Hamerling. In: Prager Tagblatt, Nr. 192/1890 (XIV. Jahrgang), 15. Juli 1890, S. 4, Spalte 3. (online bei ANNO).
- ↑ Geschichte des Dichters Robert Hamerling, auf kirchbergamwalde.at
- ↑ Eintrag zu Robert Hamerling im Austria-Forum (als Briefmarkendarstellung)
- ↑ Stahnke, Astrida B.: Aspazija: Her life and her drama. Lanham; New York; London 1984, S. 36.
- ↑ Impressum der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in Graz. In: anthroposophie-graz.at. Abgerufen am 26. Februar 2017.
Personendaten | |
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NAME | Hamerling, Robert |
ALTERNATIVNAMEN | Rupert Johann Hammerling (Taufname) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Schriftsteller, Dichter und Gymnasiallehrer |
GEBURTSDATUM | 24. März 1830 |
GEBURTSORT | Kirchberg am Walde |
STERBEDATUM | 13. Juli 1889 |
STERBEORT | Graz |