Darstellungstheorie kompakter Gruppen

Die Darstellungstheorie kompakter Gruppen ist ein Teilgebiet der Mathematik, in dem man untersucht, wie Gruppen auf gegebenen Strukturen operieren.

Die Darstellungstheorie findet in vielen Bereichen der Mathematik, als auch in der Quantenchemie und Physik Anwendung. Man verwendet die Darstellungstheorie unter anderem in der Algebra, um die Struktur von Gruppen zu untersuchen, in der Harmonischen Analyse und in der Zahlentheorie. Beispielsweise wird im modernen Ansatz zum besseren Verständnis automorpher Formen die Darstellungstheorie verwendet.

Die Theorie der Darstellungen kompakter Gruppen lässt sich in gewissen Maßen auf lokalkompakte Gruppen ausweiten. In diesem Zusammenhang entfaltet die Darstellungstheorie große Bedeutung für die Harmonische Analyse und die Untersuchung automorpher Formen. Für genauere Einblicke, Beweise und weiter reichende Informationen als in diesem kurzen Überblick gegeben werden, können[1][2] herangezogen werden.

Geschichte

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Charaktere endlicher abelscher Gruppen sind ein seit dem 18. Jahrhundert in der Zahlentheorie verwendetes Hilfsmittel, aber erst Frobenius dehnte dieses Konzept 1896 auf nichtabelsche Gruppen aus.[3] Die Theorie der Charaktere symmetrischer und alternierender Gruppen wurde um 1900 von Frobenius und Young ausgearbeitet.

Burnside und Schur formulierten Frobenius’ Charaktertheorie auf Basis von Matrix-Darstellungen anstelle von Charakteren. Burnside bewies, dass jede endlichdimensionale Darstellung einer endlichen Gruppe ein Skalarprodukt invariant lässt und erhielt damit einen einfacheren Beweis der (bereits bekannten) Zerlegbarkeit in irreduzible Darstellungen. Schur bewies das nach ihm benannte Lemma und die Orthogonalitätsrelationen.

Erst Emmy Noether gab die heute übliche Definition von Darstellungen mittels linearer Abbildungen eines Vektorraumes.[4]

Schur beobachtete 1924, dass man mittels invarianter Integration die Darstellungstheorie endlicher Gruppen auf kompakte Gruppen ausdehnen kann, die Darstellungstheorie kompakter zusammenhängender Lie-Gruppen wurde dann von Weyl entwickelt.

Definition und Eigenschaften

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Eine topologische Gruppe ist eine Gruppe mit einer Topologie, bezüglich der die Gruppenverknüpfung und die Inversenbildung stetig sind. Eine solche Gruppe heißt kompakt, falls jede in der Topologie offene Überdeckung von   eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Abgeschlossene Untergruppen einer kompakten Gruppe sind wieder kompakt.

Sei   eine kompakte Gruppe und sei   ein endlichdimensionaler  -Vektorraum. Eine lineare Darstellung von   nach   ist ein stetiger Gruppenhomomorphismus   d. h.,   ist eine stetige Funktion in den zwei Variablen  
Eine lineare Darstellung von   in einen Banachraum   wird definiert als stetiger Gruppenhomomorphismus von   in die Menge aller bijektiven, beschränkten linearen Operatoren auf   mit stetigem Inversen. Da   kann auf die letzte Forderung verzichtet werden. Ab jetzt werden wir uns besonders mit Darstellungen kompakter Gruppen in Hilberträumen beschäftigen.

Wie bei endlichen Gruppen kann man die Gruppenalgebra und die Faltungsalgebra definieren. Allerdings liefert die Gruppenalgebra im Falle nicht-endlicher Gruppen keine hilfreichen Informationen, da die Stetigkeitsbedingung bei der Bildung verloren geht. Stattdessen nimmt die Faltungsalgebra   ihren Platz ein.

Die meisten Eigenschaften von Darstellungen endlicher Gruppen lassen sich mit entsprechenden Änderungen auf kompakte Gruppen übertragen. Dafür benötigen wir eine Entsprechung für die Summation über einer endlichen Gruppe:

Existenz und Eindeutigkeit des Haarmaßes auf  

Auf einer kompakten Gruppe   existiert genau ein Maß   sodass:

  •   für alle   d. h., das Maß ist linksinvariant.
  •   also die gesamte Gruppe hat Maß  

Ein solches linksinvariantes, normiertes Maß heißt Haarmaß der Gruppe  
Da   kompakt ist, kann man zeigen, dass dieses Maß auch rechtsinvariant ist, d. h., es gilt zusätzlich

  •   für alle  

Auf einer endlichen Gruppe ist das Haarmaß mit der Normierungseigenschaft von oben gegeben durch   für alle  

Alle Definitionen zu Darstellungen endlicher Gruppen, die im Abschnitt Definition und Eigenschaften angegeben werden, gelten auch für Darstellungen kompakter Gruppen. Es gibt einige wenige Modifizierungen:
Für eine Unterdarstellung benötigt man nun einen abgeschlossenen Unterraum. Bei endlich dimensionalen Darstellungsräumen wird dies nicht gefordert, da in diesem Falle jeder Unterraum abgeschlossen ist. Des Weiteren heißen zwei Darstellungen   einer kompakten Gruppe   äquivalent, falls es einen linearen Operator   zwischen den jeweiligen Darstellungsräumen gibt, der stetig und invertierbar ist, und dessen Inverses ebenfalls stetig ist und der   für alle   erfüllt.
Ist   unitär, so heißen die beiden Darstellungen unitär äquivalent.
Um ein  -invariantes Skalarprodukt aus einem nicht invarianten zu erhalten, verwendet man nun nicht die Summe über   sondern das Integral. Ist   ein Skalarprodukt auf einem Hilbertraum   das bezüglich der Darstellung   von   nicht invariant ist, so bildet

 

ein  -invariantes Skalarprodukt auf   auf Grund der Haarmaßeigenschaften von  
Damit können Darstellungen auf Hilberträumen ohne Einschränkung als unitär angesehen werden.

Sei   eine kompakte Gruppe und sei   Auf dem Hilbertraum   der quadratisch integrierbaren Funktionen auf   wird der Operator   definiert durch   wobei  
Die Abbildung   ist eine unitäre Darstellung von   Sie heißt die linksreguläre Darstellung. Man kann auch die rechtsreguläre Darstellung definieren. Da das Haarmaß auf   zusätzlich rechtsinvariant ist, ist der Operator   auf   gegeben durch   Die rechtsreguläre Darstellung ist dann die unitäre Darstellung, die gegeben ist durch   Die beiden Darstellungen   und   sind dual zueinander.
Falls   nicht endlich ist, haben diese Darstellungen keinen endlichen Grad. Für eine endliche Gruppe sind die links- und rechtsreguläre Darstellung, wie am Anfang definiert, isomorph zu der eben definierten rechts- bzw. linksregulären Darstellung, da in diesem Fall  

Konstruktionen und Zerlegungen

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Die verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten von neuen Darstellungen aus Gegebenen funktioniert für kompakte Gruppen ebenso wie bei endlichen Gruppen, mit Ausnahme der dualen Darstellung, auf die noch eingegangen wird. Die direkte Summe und das Tensorprodukt mit jeweils endlich vielen Summanden/Faktoren werden jedoch genau gleich definiert wie bei endlichen Gruppen. Dies gilt auch für das symmetrische und alternierende Quadrat. Um auch für kompakte Gruppen das Resultat zu erhalten, dass die irreduziblen Darstellungen des Produkts zweier Gruppen bis auf Isomorphie genau die Tensorprodukte der irreduziblen Darstellungen der einzelnen Gruppen sind, benötigen wir ein Haarmaß auf dem direkten Produkt. Das direkten Produkt zweier kompakter Gruppen   liefert mit der Produkttopologie wieder eine kompakte Gruppe. Das Haarmaß auf dieser Gruppe ist gegeben durch das Produkt der Haarmaße auf den einzelnen Gruppen.

Für die duale Darstellung auf kompakten Gruppen benötigen wir den topologischen Dual   des Vektorraums   Dies ist der Vektorraum aller stetigen Linearformen auf   Sei   eine Darstellung der kompakten Gruppe   in   Die duale Darstellung   ist dann definiert durch die Eigenschaft   für alle   Es ergibt sich damit, dass die duale Darstellung gegeben ist durch   für alle   Dies ist wieder ein stetiger Gruppenhomomorphismus und damit eine Darstellung.
Auf Hilberträumen gilt:   ist genau dann irreduzibel, wenn   irreduzibel ist.

Durch Übertragung der Resultate aus dem Abschnitt Darstellungstheorie endlicher Gruppen#Zerlegung von Darstellungen erhalten wir folgende Sätze:

Satz

Jede irreduzible Darstellung   einer kompakten Gruppe   in einen Hilbertraum ist endlich dimensional und es gibt ein Skalarprodukt auf   sodass   unitär ist. Dieses Skalarprodukt ist auf Grund der Normiertheit des Haar Maßes eindeutig.
Jede Darstellung einer kompakten Gruppe ist isomorph zu einer direkten Hilbertsumme irreduzibler Darstellungen.

Sei   eine unitäre Darstellung der kompakten Gruppe   Für eine irreduzible Darstellung   definieren wir wie bei endlichen Gruppen den Isotyp von   bzw. die isotypische Komponente in   als den Unterraum

 

Dies ist die Summe aller invarianten abgeschlossenen Unterräume   die  -isomorph zu   sind.
Man beachte, dass die Isotypen nicht äquivalenter, irreduzibler Darstellungen paarweise orthogonal sind.

Satz
  •   ist ein abgeschlossener invarianter Unterraum von  
  •   ist  -isomorph zu einer direkten Summe von Kopien von  
  •   ist die direkte Hilbertsumme der Isotypen   wobei   alle Isomorphieklassen der irreduziblen Darstellungen durchläuft. Diese Zerlegung ist die kanonische Zerlegung.

Die zur kanonischen Zerlegung gehörende Projektion   wobei   ein Isotyp von   ist, ist bei kompakten Gruppen gegeben durch

 

wobei   und   der zur irreduziblen Darstellung   gehörige Charakter ist.

Projektionsformel

Für jede Darstellung   einer kompakten Gruppe   definiere

 

Im Allgemeinen ist   nicht  -linear. Setze   Die Abbildung   ist definiert als Endomorphismus auf   durch die Eigenschaft

 

die für das Skalarprodukt des Hilbertraums   gilt.

Dann ist   eine  -lineare Abbildung, denn es gilt

 

wobei wir die Invarianz des Haarmaßes ausgenutzt haben.

Proposition

Die Abbildung   ist eine Projektion von   nach  

Falls die Darstellung endlich dimensional ist, kann man wie bei endlichen Gruppen die direkte Summe der trivialen Teildarstellungen bestimmen.

Charaktere, Lemma von Schur und das Skalarprodukt

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Die Darstellungen kompakter Gruppen betrachtet man im Allgemeinen auf Hilbert- oder Banachräumen. Diese sind meist nicht endlich-dimensional. Es ist also für beliebige Darstellungen kompakter Gruppen nicht sinnvoll von Charakteren zu sprechen. Allerdings kann man sich meist auf den endlichdimensionalen Fall einschränken:

Da irreduzible Darstellungen kompakter Gruppen endlichdimensional und mit den Resultaten aus dem ersten Unterkapitel ohne Einschränkung unitär sind, können irreduzible Charaktere analog wie für endliche Gruppen definiert werden.
Wie bei endlichen Gruppen vertragen sich die Charaktere mit den Konstruktionen, solange die konstruierten Darstellungen endlich dimensional bleiben.

Auch für kompakte Gruppen gilt das Lemma von Schur:
Sei   eine irreduzible unitäre Darstellung einer kompakten Gruppe   Dann ist jeder beschränkte Operator   mit der Eigenschaft   für alle   ein skalares Vielfaches der Identität, d. h., es gibt ein   sodass  

Definitionen

Auf der Menge   aller quadratisch integrierbaren Funktionen einer kompakten Gruppe kann man ein Skalarprodukt definieren, durch

 

Ebenso definiert man auf   für eine kompakten Gruppe   eine Bilinearform durch

 

Die Bilinearform auf den Darstellungsräumen wird genauso definiert, wie bei endlichen Gruppen.
Analog zu endlichen Gruppen gelten damit folgende Resultate:

Satz (Schursche Orthogonalitätsrelationen)

Sind   die Charaktere zweier nicht isomorpher irreduzibler Darstellungen   so gilt

  •  
  •   d. h.,   hat „Norm“  
Satz

Sei   eine Darstellung von   Es gelte   wobei die   irreduzibel sind. Da die direkte Summe endlich ist, lässt sich für   durch die Summe der irreduziblen Charaktere ein Charakter   definieren. Sei nun   eine irreduzible Darstellung von   mit Charakter   Dann gilt:
Die Anzahl an Teildarstellungen   die zu   äquivalent sind, hängt nicht von der gegebenen Zerlegung ab und entspricht dem Skalarprodukt  
D. h., der  -Isotyp   von   ist unabhängig von der Wahl der Zerlegung und es gilt:

 
Satz

Zwei irreduzible Darstellungen mit dem gleichen Charakter sind isomorph.

Irreduzibilitätskriterium

Sei   der Charakter einer Darstellung   dann ist   und es gilt   genau dann, wenn   irreduzibel ist.

Zusammen mit dem ersten Satz bilden also die Charaktere irreduzibler Darstellungen von   bezüglich dieses Skalarproduktes ein Orthonormalsystem auf  

Korollar

Jede irreduzible Darstellung   von   ist  -mal in der linksregulären Darstellung enthalten.

Lemma

Sei   eine kompakte Gruppe. Dann sind äquivalent:

  •   ist abelsch.
  • Alle irreduziblen Darstellungen von   haben Grad  
Orthonormaleigenschaft

Sei   eine kompakte Gruppe. Die paarweise nicht isomorphen irreduziblen Charaktere von   bilden eine Orthonormalbasis von  

Dies zeigt man, analog wie bei endlichen Gruppen, in dem man beweist, dass es außer der   keine quadratisch integrierbare Funktion gibt, die auf den irreduziblen Charakteren orthogonal ist.

Wie bei endlichen Gruppen gilt auch: Die Anzahl der irreduziblen Darstellungen einer Gruppe   bis auf Isomorphie entspricht der Anzahl an Konjugationsklassen von   Allerdings hat eine kompakte Gruppe im Allgemeinen unendlich viele Konjugationsklassen.

Induzierte Darstellungen

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Falls   eine abgeschlossene Untergruppe von endlichem Index in der kompakten Gruppe   ist, kann die Definition der induzierten Darstellung wie bei endlichen Gruppen übernommen werden.
Die induzierte Darstellung kann jedoch auch allgemeiner definiert werden, sodass die Definition auch gültig ist, falls der Index von   in   nicht endlich ist.
Sei dazu   eine unitäre Darstellung der abgeschlossenen Untergruppe   Die stetig induzierte Darstellung   wird wie folgt definiert:
Mit   bezeichnen wir den Hilbertraum aller messbaren, quadratisch integrierbaren Funktionen   mit der Eigenschaft, dass   für alle   Die Norm ist   und die Darstellung   ist gegeben durch Rechtstranslation:  
Die induzierte Darstellung ist dann wieder eine unitäre Darstellung.
Da   kompakt ist, zerfällt die induzierte Darstellung in die direkte Summe irreduzibler Darstellungen von   Dabei gilt, dass alle irreduziblen Darstellungen, die zum gleichen Isotyp gehören, mit der Vielfachheit auftreten, die   entspricht.
Sei   eine Darstellung von   dann gibt es einen kanonischen Isomorphismus

 

Die Frobeniusreziprozität überträgt sich mit der modifizierten Definition des Skalarproduktes und der Bilinearform auf kompakte Gruppen, wobei der Satz anstatt für Klassenfunktionen, hier für quadratisch integrierbare Funktionen auf   gilt und die Untergruppe   abgeschlossen sein muss.

Satz von Peter-Weyl

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Ein weiteres wichtiges Resultat zur Darstellungstheorie kompakter Gruppen ist der Satz von Peter-Weyl. Dieser wird üblicherweise in der Harmonischen Analyse bewiesen, in der er eine zentrale Stelle einnimmt.

Satz von Peter-Weyl

Sei   eine kompakte Gruppe. Für jede irreduzible Darstellung   von   sei   eine Orthonormalbasis von  
Definiere die Matrixkoeffizienten   für  
Dann ist

 

eine Orthonormalbasis von  

Zweite Version des Satzes von Peter-Weyl

Es gibt einen natürlichen  -Isomorphismus

 

wobei   die Menge aller irreduziblen Darstellungen von   bis auf Isomorphie bezeichnet und   den zur Darstellung   gehörigen Darstellungsraum.

Dieser Isomorphismus bildet ein gegebenes   ab auf   wobei

 

Auf diese Weise erhalten wir eine Verallgemeinerung der Fourierreihe für Funktionen auf kompakten Gruppen.
Dieser Satz ist lediglich eine Umformulierung der ersten Version.

Einen Beweis dieses Satzes und mehr Informationen zu Darstellungstheorie kompakter Gruppen findet man in[2].

Literatur

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  1. Anton Deitmar: Automorphe Formen. Springer-Verlag, 2010, ISBN 978-3-642-12389-4, S. 89–93, 185–189.
  2. a b Siegfried Echterhoff, Anton Deitmar: Principles of harmonic analysis. Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-0-387-85468-7, S. 127–150.
  3. Frobenius: Über Gruppencharaktere. Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1896), 985–1021; in Gesammelte Abhandlungen, Band III Springer-Verlag, New York, 1968, 1–37.
  4. Anthony W. Knapp: Group representations and harmonic analysis from Euler to Langlands. Notices of the American Mathematical Society 43 (1996).