Diboran

chemische Verbindung, Borhydrid

Diboran ist eine chemische Verbindung aus den Elementen Bor und Wasserstoff. Es besitzt die Summenformel B2H6 und ist die einfachste Verbindung aus der Stoffklasse der Bor-Wasserstoff-Verbindungen (Borane).

Strukturformel
Struktur von Diboran
Allgemeines
Name Diboran
Andere Namen
  • Borethan
  • Diborhexahydrid
Summenformel B2H6
Kurzbeschreibung

farbloses Gas mit abstoßend süßlichem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 19287-45-7
EG-Nummer 242-940-6
ECHA-InfoCard 100.039.021
PubChem 6328200
ChemSpider 17215804
Wikidata Q407684
Eigenschaften
Molare Masse 27,67 g·mol−1
Aggregatzustand

gasförmig

Dichte

1,17 kg·m−3 (15 °C, 1 bar)[1]

Schmelzpunkt

−164,85 °C[1]

Siedepunkt

−92,5 °C[1]

Dampfdruck

2,8 MPa (0 °C)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 220​‐​280​‐​330
P: 260​‐​210​‐​377​‐​381​‐​304+340​‐​315​‐​403​‐​405[1]
MAK

Schweiz: 0,1 ml·m−3 bzw. 0,1 mg·m−3[2]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

36,4 kJ/mol[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Geschichte

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Diboran wurde zum ersten Mal im 19. Jahrhundert durch Hydrolyse von Metallboriden synthetisiert, aber nicht eingehend untersucht. Von 1912 bis 1936 erforschte der große Pionier der Chemie der Borhydride Alfred Stock diese Verbindungen, was zu Methoden für die Synthese und Handhabung der sehr reaktiven, flüchtigen und oft giftigen Borhydride führte. Er schlug zuerst eine dem Ethan ähnliche Struktur für Diboran vor.[4] Die Beugung von Elektronenstrahlen nach Versuchen von S.H. Bauer unterstützte die von ihm vorgeschlagene Struktur.[5][6]

In der Kommunikation von H. I. Schlesinger mit L. Pauling (der ebenfalls die Ethanstruktur annahm), wurde die Dreizentrenbindung in seiner klassischen Überprüfung in den frühen 1940er-Jahren aber nicht ausdrücklich diskutiert.[7] Die Überprüfung diskutierte jedoch die C2v-Struktur tiefgreifend: „Es ist zu erkennen, dass diese Annahme leicht viele der chemischen Eigenschaften von Diboranen erklärt ...“.

Im Jahre 1943 veröffentlichte der Bachelor-Student am Balliol College in Oxford Christopher Longuet-Higgins zusammen mit R. P. Bell die heute akzeptierte Struktur von Diboran.[8] Diese wurde allerdings schon im Jahre 1921 in der damaligen Sowjetunion beschrieben.[9][10][11] In den Jahren nach dem Vorschlag von Longuet-Higgins/Bell gab es eine umfangreiche Diskussion über die richtige Struktur. Die Debatte endete 1951 mit den Elektronenbeugungs-Messungen von K. Hedberg und V. Schomaker, welche die bis heute anerkannte Struktur von Diboran bestätigten.[12]

William Nunn Lipscomb Jr. bestätigte die molekulare Struktur der Borane durch Röntgenstrukturanalyse in den 1950er-Jahren und entwickelte Theorien zur Erklärung dieser Bindung. Später nutzte er die gleichen Methoden für ähnliche Probleme, einschließlich der Struktur von Carboranen. Lipscomb erhielt für seine Bemühungen 1976 den Nobelpreis für Chemie.

Vorkommen

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Diboran kommt nicht natürlich vor.

Gewinnung und Darstellung

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Zur Herstellung von Diboran gibt es mehrere Möglichkeiten:[13]

Reaktion von Lithiumhydrid mit Bortrifluorid:

 

Reaktion von Lithiumtetrahydroaluminat mit Bortrichlorid in Diethylether:

 

Reaktion von Natriumboranat mit Bortrifluorid in Diethylenglycoldimethylether:[14]

 

Reaktion von Natriumboranat mit Iod in Ethylenglycoldimethylether oder THF:[15]

 

Reaktion von Kaliumborhydrid mit Phosphorsäure[16]:

 

Technische Herstellung

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Boran wird technisch durch Hydrierung von Dibortrioxid (B2O3) mithilfe von metallischem Aluminium und Aluminiumchlorid als Reduktionsmittel bei Temperaturen oberhalb 150 °C und bei einem Wasserstoffdruck von 750 bar hergestellt.

 

Eigenschaften

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Struktur

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Diboran ist die einfachste Verbindung aus der Stoffklasse der Borane, da monomeres Boran (BH3) nicht stabil ist und das metastabile Addukt Diboran bildet. Die Borkerne sind hierbei tetraedrisch von vier Wasserstoffkernen umgeben. Die beiden verbrückenden Wasserstoffkerne bilden eine 2-Elektronen-3-Zentren-Bindung aus, um den Elektronenmangel der Borkerne zu kompensieren. Zwei Elektronen befinden sich hierbei in einem über drei Atome verteilten Orbital.

 
Räumliche Struktur des Diboran: jedes Boratom ist tetra­edrisch von vier Wasserstoffatomen umgeben. Die binden­den Orbitale zwischen den B-Atomen enthalten jeweils ein H-Atom und lediglich zwei Elektronen. Die nichtbindenden Orbitale sind der Übersichtlichkeit wegen weggelassen.

Physikalische Eigenschaften

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Diboran ist ein farbloses, brennbares, hochgiftiges Gas mit stechendem, süßlichem, widerlichem Geruch. Es ist eine bei Standardbedingungen metastabile Verbindung. Der Schmelzpunkt der Verbindung liegt bei −164,9 °C, der Siedepunkt unter Normaldruck bei −92,6 °C.[14] Die Verdampfungsenthalpie am Siedepunkt beträgt 14,2 kJ·mol−1.[17] ie Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 3.78156, B = 598,39 und C = −22.175 im Temperaturbereich von 118,3 bis 180.8 K.[18]

Chemische Eigenschaften

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Bindungslängen und -winkel im Diboran

Oberhalb von 50 °C beginnt seine Zersetzung zu Wasserstoff und höheren Boranen (Tetraboran, Pentaboran, Hexaboran, Decaboran und andere). Die Zündtemperatur des reinen Diborans liegt bei 145 °C. Enthält es Spuren höherer Borane, kann es sich an der Luft spontan selbstentzünden und verbrennt unter starker Wärmeentwicklung.

 

In der Praxis zündet es daher schon bei etwa 45 °C. Bei einem Luftvolumenanteil von 0,8 bis 88 % bildet es explosive Gemische. Da das Gas deshalb mit Vorsicht zu handhaben ist, lässt man es meist mit Aminen ( ) zu Aminoboran-Komplexen, wie Borazan reagieren.[19]

 

Diese (flüssigen) Substanzen dienen als Vorstufe für Diboran und können ohne Gefahr aufbewahrt und transportiert werden. Die Wiedergewinnung erfolgt durch Zugabe starker Säuren (z. B. Salzsäure).

 

Beim Lösen in Wasser reagiert Diboran mit diesem. Im Labormaßstab kann man Diboran durch Oxidation von Natriumborhydrid mit Iod in Diglyme darstellen.

Das Bor im Diboran besitzt bedingt durch die Zwei-Elektronen-Dreizentrenbindungen zu den beiden Brücken-Wasserstoffatomen einen Elektronenmangel. Dadurch ist Diboran eine einwertige Lewis-Säure und reagiert unter Bildung von koordinativen Bindungen zu Lewis-Basen (wie Ammoniak) unter Spaltung in monomere Borane. Mit gasförmigem Ammoniak bildet sich entsprechend Borazan BH3·NH3.[20]

 

Die Salze von Diboran enthalten das Monoboranat/Tetrahydroboranat/Tetrahydridoboranat Ion BH4 und werden Monoboranate/Tetrahydroboranate genannt. Ein wichtiger Vertreter ist das durch Umsetzung von Diboran mit Natriumhydrid entstehende Natriumboranat.

 

Sicherheitstechnische Kenngrößen

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Diboran kann sich an der Luft schon ab einer Konzentration von 0,5 Vol.-% spontan ohne eine Zündquelle explosionsartig entzünden.[14] Der Explosionsbereich liegt zwischen 0,9 Vol.‑% als untere Explosionsgrenze (UEG) und 98 Vol.‑% (1125 g/m³) als obere Explosionsgrenze (OEG).[21][22] Die Sauerstoffgrenzkonzentration beträgt 1,3 %.[22] Der Explosionsdruck einer Mischung mit 10 % Diboran liegt bei 11 bar.[22] Gemische mit Luft im Konzentrationsbereich von 78 – 98 % sind detonationsfähig.[14]

Verwendung

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Diboran ist das wichtigste Reagenz für Hydroborierungen, wobei Alkene (R ein beliebiger Rest) über die B–H-Bindungen zu Trialkylboranen verbunden werden.

 

Diese Reaktion ist regioselektiv und die entstehenden Trialkylborane können leicht in andere nützliche organische Derivate umgewandelt werden.

Diboran wird auch als Reduktionsmittel etwa als Ergänzung zu der Reaktivität von Lithiumaluminiumhydrid verwendet. Die Verbindung reduziert leicht Carbonsäuren zu den entsprechenden Alkoholen. Es wurde auch als Raketentreibstoff in Erwägung gezogen, allerdings erwies es sich als völlig ungeeignet, da es bei der Verbrennung Bortrioxid bildet, das die Triebwerke verstopft. Diboran wird weiterhin für die Gummivulkanisierung verwendet. Borverbindungen werden allgemein als Katalysatoren bei der Polymerisation von Kohlenwasserstoffen oder bei der Herstellung von Anti-Markownikow-Produkten verwendet.

Sicherheitshinweise

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Die Inhalation von Diboran führt zu Husten, Halsschmerzen, Schwindel, Atembeschwerden, Übelkeit und Mattigkeit. Es ist hochgiftig und hochentzündlich.

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Commons: Diboran – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Eintrag zu Diboran in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2021. (JavaScript erforderlich)
  2. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 19287-45-7 bzw. Diboran), abgerufen am 2. November 2015.
  3. W. M. Haynes (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 97. Auflage. (Internet-Version: 2016), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-13.
  4. A. Stock: The Hydrides of Boron and Silicon. Cornell University Press, New York 1933.
  5. S. H. Bauer: The Structure of Diborane. In: Journal of the American Chemical Society. Band 59, 1937, S. 1096, doi:10.1021/ja01285a041.
  6. S. H. Bauer: Structures and Physical Properties of the Hydrides of Boron and of their Derivatives. In: Chemical Reviews. Band 31, 1942, S. 43–75, doi:10.1021/cr60098a001.
  7. H. I. Schlesinger, A. B. Burg: Recent Developments in the Chemistry of the Boron Hydrides. In: Chemical Reviews. Band 31, 1942, S. 1–41, doi:10.1039/JR9430000250.
  8. H. C. Longuet-Higgins, R. P. Bell: The structure of the boron hydrides. In: Journal of the Chemical Society. 1943, S. 250–255, doi:10.1039/JR9430000250.
  9. W. Dilthey: Drehbrenner mit fester Gaszuführung. In: Zeitschrift für angewandte Chemie. Band 34, 1921, S. 594, doi:10.1002/ange.19210349504.
  10. B. V. Nekrassov: J Gen Chem USSR. Band 10, 1940, S. 1021.
  11. B. V. Nekrassov: J Gen Chem USSR. Band 10, 1940, S. 1056.
  12. K. Hedberg, V. Schomaker: A Reinvestigation of the Structures of Diborane and Ethane by Electron Diffraction. In: Journal of the American Chemical Society. Band 73, 1951, S. 1482–1487, doi:10.1021/ja01148a022.
  13. F. A. Cotton, G. Wilkinson: Anorganische Chemie: Eine zusammenfassende Darstellung für Fortgeschrittene. übers. v. Heinz P. Fritz. 4., völlig neu bearb. Auflage. erster Nachdruck. VCH, Weinheim 1985.
  14. a b c d R.J. Brotherton, C.J. Weber, C.R. Guibert, J.L. Little: Boron Compounds, in: Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 2012; doi:10.1002/14356007.a04_309.
  15. A. S. B. Prasad, J. V. B. Kanth, M. Periasamy: Tetrahedron. 1992, 48, S. 4623–4628.
  16. Arlan D. Norman and William L. Jolly: Diborane. In: William L. Jolly (Hrsg.): Inorganic Syntheses. Band 11. McGraw-Hill Book Company, Inc., 1968, S. 15–19 (englisch).
  17. Paridon, Leo J.; MacWood, George E.; Hu, Jih-Heng: The Heat of Vaporization of Diborane in J. Phys. Chem. 53 (1959) 1998–1999, doi:10.1021/j150582a004.
  18. Ditter, J.F.; Perrine, J.C.; Shapiro, Isadore: Vapor Pressure of Deuterodiborane in J. Chem. Eng. Data 6 (1961) 271–271, doi:10.1021/je60010a026.
  19. James Arthur Campbell: Allgemeine Chemie: Energetik, Dynamik und Struktur chemischer Systeme. 2., durchgesehene Auflage. Verlag Chemie (VCH), Weinheim 1985.
  20. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 1066.
  21. Chemsafe Datenbank für sicherheitstechnische Kenngrößen im Explosionsschutz, PTB Braunschweig/BAM Berlin, abgerufen am 2. Oktober 2022.
  22. a b c S. Horiguchi; K. Tokuhashi; Y. Urano; M. Iwasaka; H. Ohtani; S. Kondo: Koatsu Gasu 25 (1988) 863-869.